hatten sie die nördliche Hafeneinfahrt passiert und hielten auf die Stadt zu. Obwohl das Flussbett schnell enger wurde, hielt sich die Tiefe lange Zeit bei fast dreißig Metern, sodass Kendig keine Mühe hatte, ihr Schiff schnell und unbemerkt nach Westen zu manövrieren.
Über Sonar konnten sie unzählige, feindliche Signale innerhalb der Stadtgrenzen erkennen, die ihnen das Gefühl vermittelten, als würde sich dort alles bewegen, doch zu ihrer Überraschung nahm die Feindpräsenz nach Osten hin rapide ab.
Als sie die Schleusenanlage schließlich erreicht hatten, waren kaum noch Signale zu orten.
Matu wies Kendig an, das Schiff in eine geflutete, überdachte Nebenkammer zu lenken, die für Reparaturzwecke gebaut worden war, wo sie aufgrund der vorherrschenden Dunkelheit ungesehen auftauchen konnten.
„Wer geht?“ fragte Rimbo, als Kendig die Maschinen stoppte.
„Ihr beide bleibt hier auf Abruf!“ erwiderte Idis sofort. „Wir anderen machen das!“
„Was...?“ rief Kendig entsetzt. „...aber...?“
„Was hast du für ein Problem?“ fragte Malawi und schaute ihn verständnislos an.
„Ich...!“ Er schaute Rimbo an, der ihm kaum merklich zunickte. „Wir möchten, dass ihr beide...!“ Er sah seine Frau und dann Idis direkt an. „...hier bleibt!“
„Wozu?“ fragte Idis sofort mürrisch.
„Wir wissen absolut nicht, was uns hier erwartet. Es könnte gefährlich werden!“
Jetzt sah ihn Malawi mit finsterer Miene an. „Wir wissen nie, was uns irgendwo erwartet!“ Sie schüttelte leicht verärgert den Kopf. „Und Gefahr schockt uns nicht!“ Sie schaute zu ihrer Freundin. „Stimmt’s?“
Idis nickte. „Sonst seid ihr auch nicht so zimperlich. Und ich bin hier nicht nur mitgekommen, um irre Geschichten zu hören!“ Sie warf Rimbo einen äußerst vorwurfsvollen Blick zu.
Bevor der jedoch etwas erwidern konnte, meinte Shamos. „Wenn wir Glück haben, ist das nur die erste Etappe auf einer weiten Reise. Da gibt es sicherlich noch mehr als genug Gelegenheiten, sich in Gefahr zu begeben. Für jeden von uns!“ Er lächelte etwas verlegen, da ihn die beiden jungen Frauen mit sehr ernster Miene musterten.
Nach einem tiefen Atemzug aber sagte Idis „Also gut! Da mindestens einer von euch...!“ Sie schaute Rimbo und Kendig an. „...hierbleiben muss, um unseren Rückzug zu sichern, schlage ich vor, dass dieses Mal Kendig und Malawi gehen und ich und Rimbo uns um das Boot kümmern! Okay?“ Sie warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu.
Malawi nickte nach einem kurzen Zögern. „Okay!“
Rimbo und Kendig warfen sich einen Blick zu, dann nickten beide, wenn auch widerwillig. „Ihr habt gewonnen!“ gab Rimbo nach.
Malawi schien zufrieden. „Sonst noch Jemand, der lieber hierbleiben möchte?“
„Esh...!“ begann Shamos und sah seine Frau besorgt an.
Doch Esha hob sofort mit finsterer Miene ihren rechten Zeigefinger. „Na!“ rief sie. „Wag es ja nicht!“
Shamos, der stets versuchte, seine Frau aus Gefahren heraus zu halten - obwohl sie ihnen viel besser gewachsen war, als er und nicht er auf sie, sondern im Gegenteil sie stets auf ihn achten musste - und ihm dies grundsätzlich nie gelang, gab sofort klein bei und nickte nur kraftlos, woraufhin Esha breit grinsen musste und ihm einen wilden, leidenschaftlichen Zungenkuss gab.
„Oh, du bist so knuddelig, wenn du so bist!“ rief sie, dann küsste sie ihn nochmals.
„Hey!“ rief Malawi beim Anblick der beiden. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ Sie drängte sie und den Pater aus dem Cockpit. Kendig verabschiedete sich kurz von Rimbo und Idis, dann folgte er ihnen.
Am Eingang in den Laderaum hatte er Malawi eingeholt. „Hey!“ hauchte er ihr mit einem sanften Lächeln ins Ohr.
Malawi drehte sich herum und schaute ihn in einer Mischung aus Überraschung und Freude an. „Was ist...?“
Doch weiter kam sie nicht, denn da hatte Kendig auch schon seine Hände an ihre Wangen gelegt und gab ihr einen sanften, leidenschaftlichen Zungenkuss. Für den Bruchteil einer Sekunde schien sich die junge Frau dagegen wehren zu wollen, dann aber genoss sie es mit einem tiefen Stöhnen. Als sie sich wieder trennten, leuchteten ihre Augen. „Wofür war das?“
„Ein kleiner Quickie vor dem Essen regt den Appetit an!“ erwiderte Kendig mit einem breiten Grinsen.
„Na, dann wollen wir doch hoffen, dass uns der Hauptgang nicht zu schwer im Magen liegen wird, damit der Nachtisch entsprechend...üppig...!“ Sie beugte sich vor und küsste ihn kurz und leidenschaftlich. „...ausfällt!“ Dann zwinkerte sie ihm zu, drehte sich um und zog ihn mit einem leisen Kichern in den Laderaum.
Ein paar Minuten später war der Trupp um Malawi und Kendig abmarschbereit.
Kendig gab Rimbo ein Zeichen und die Amarula tauchte langsam auf.
Da zum Öffnen der seitlichen Laderampe kein Platz vorhanden war, kletterten alle aus einer kleinen Luke etwas oberhalb davon und dann an ein paar Stiegen hinab auf den stählernen Kai.
Kendig schloss die Luke wieder, bevor er den anderen folgte.
Inzwischen hatte man sich daraufhin geeinigt, dass Malawi zusammen mit Pater Matu, der in seinem Overall und seiner schusssicheren Weste, die sie übrigens alle trugen, da sie zumindest einen geringen Schutz gegen die Klauen der Insektenbestien boten, ganz sicher aber mit dem Schnellfeuergewehr in seinen Händen überhaupt nicht wie ein Geistlicher wirkte, die Vorhut bildeten, da der Pater den Weg zur Bibliothek offensichtlich von allen am besten kannte.
Kendig bildete die Nachhut.
Esha, ebenfalls bewaffnet, kümmerte sich um Shamos, dem die Angst deutlich anzusehen war.
So ging es beinahe lautlos im höchstmöglichen Tempo den Kai entlang nach Norden, wo sie auf eine Treppe trafen, die sie kurzerhand erklommen. Am Ende gelangten sie auf das weitläufige Schleusengelände. Es herrschte ziemliche Finsternis, denn es gab keine Lichtquelle in der Umgebung. Lediglich die Stadtteile weiter östlich waren erleuchtet und der Schein sorgte dafür, dass sie sich, nachdem sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, recht gut orientieren konnten.
Matu hatte anfangs scheinbar ein wenig Mühe, den richtigen Weg zu finden, doch nach ein paar Minuten führte er die Gruppe zügig nach Nordosten.
Kendig, Esha und Malawi hatten tragbare Radargeräte bei sich, mit denen sie immer wieder die Umgebung absuchten, um feindliche Bewegungen frühzeitig zu erkennen. Einige Male mussten sie auch verharren, doch die Signale entfernten sich nach kurzer Zeit wieder. Kendig hielt zusätzlich noch Kontakt zu Rimbo in der Amarula, doch auch dort war alles ruhig.
Nachdem sie das Schleusengelände verlassen hatten, kamen sie in einen parkähnlichen Bereich mit vielen kleinen Teichen und Seen und einigen kleinen Bächen. Die Lichtverhältnisse wurden, ganz zum Unmut von Malawi und Kendig, etwas besser. Während sie so erkennen konnten, dass die Erde hier weitgehend verbrannt war und überall Knochenreste von meist menschlichen, aber auch einigen tierischen Opfern lagen, waren sie jetzt für Feindesaugen natürlich auch besser auszumachen. Zusätzlich kam erschwerend hinzu, dass der faulige Gestank von Verwesung und ein extrem säuerlicher Geruch aus dem Wasser in der Luft hing, der ihnen das Atmen erschwerte und einige Hustenreize auslöste, die nur schwer zu unterdrücken waren.
„Kendig?“ Das war Rimbo.
„Ja?“
„Wir haben hier eine ziemlich große Bewegung östlich von euch!“ Er saß zusammen mit Idis vor dem Radarschirm der Amarula und starrte angestrengt und konzentriert darauf. Im unteren, linken Bereich waren einige blaue Signale zu erkennen. Das waren Kendig und die anderen, die natürlich mit entsprechenden Sendern versehen waren. Bisher gab es um sie herum auch nur wenige, rote Signale, die dann auch noch schnell wieder verschwanden. Jetzt