besonderes Bedürfnis, dass bei diesem wichtigsten Projekt seit Kriegsausbruch nichts dem Zufall überlassen werden dürfte, damit es nicht scheiterte. Vilo aber wusste, dass der wahre Grund der war, dass Panthos ihn nicht leiden konnte, ihn vielleicht sogar wahrhaftig hasste und keine Gelegenheit ungenutzt ließ, seine Macht ihm gegenüber zu demonstrieren und ihn durch waghalsige Einsätze in Lebensgefahr zu bringen. Ja, Panthos war ein echtes Arschloch, doch er war der Nuri und Vilo wusste um seine Pflicht gegenüber seinem Vorgesetzten, denn nur mit einer militärischen Ordnung konnten sie den Menschen in dieser Zeit überhaupt eine Hilfe sein. Viel mehr als dem Nuri fühlte Vilo sich jedoch den Menschen dieses Planeten verpflichtet und so tat er grundsätzlich weit mehr für sie, als ihm aufgetragen wurde. Regelmäßig fing er sich dafür eine Zurechtweisung ein, doch Tausende von Menschenleben, die durch ihn und seine Entscheidungen gerettet wurden, waren für ihn mehr als Entschädigung genug dafür.
Dass er all das nur tat, weil er hoffte, damit eine große Schuld begleichen oder zumindest mildern zu können, die er immer wieder einging, um die Menschen zu beschützen, die er liebte, wusste nur er allein. Denn Tatsache war, dass er zwar vielen Menschen das Leben in mutigen und gefährlichen Missionen gerettet, aber nicht wenigen durch sein egoistisches Handeln ihres auch genommen hatte.
Niemand wusste jedoch davon – noch. Zum einen war er sehr froh darüber, doch zum anderen machte ihn die Tatsache, dass er seine Hölle mit niemandem teilen konnte, beinahe wahnsinnig.
Konnte er das lange Zeit beinahe vollständig verbergen, so zeigten sich seit einiger Zeit doch immer deutlichere Spuren seiner emotionalen Berg- und Talfahrt. Er schien um Jahre gealtert, sein Haar war ergraut und er wirkte stets verschlossen, ernst und distanziert.
So auch jetzt, als er in das Cockpit trat, sich schräg hinter Commander Mavis stellte und aus der Frontscheibe schaute.
„Als Kind habe ich immer gern geschnorchelt!“ meinte er ausdruckslos. „Ich war fasziniert von der Vielfalt des Lebens unter der Wasseroberfläche, die die an Land noch um Längen übertraf! Aber wenn ich mir das jetzt so ansehe...!“ Er schüttelte den Kopf.
Mavis drehte sich zu ihm herum. In seinem Gesicht lag ein trauriges Lächeln. „Wenn du Lust hast, können wir uns gern zum Angeln verabreden!“
Als er seinem alten Freund direkt in die Augen sah, musste Vilo doch kurz lächeln. „Nein danke, ich verzichte!“ Dann aber verschwand jeglicher Ausdruck wieder aus seinem Gesicht. Nur in seinen Augen war Trauer und sogar eine Art Schmerz zu erkennen, Gefühle, die ihn immer einholten, wenn er in Mavis Gesicht sah und ihm so brutal und eiskalt klarmachten, dass es Menschen gab, die ein weitaus schlimmeres Schicksal in diesem Krieg zu erleiden hatten, als er selbst es schon so lange zu vermeiden versuchte.
Denn er stand zwar vor Mavis, in das Gesicht seines Freundes schaute er in diesem Moment eigentlich jedoch nicht. Zumindest nicht in sein ursprüngliches Gesicht, dass er, wie jeder andere Mensch auch, seit seiner Geburt gehabt hatte. Dieses Gesicht aber existierte nicht mehr. Es wurde Mavis an jenem denkwürdigen Tag vor über sechs Jahren bei der furchtbaren und allumfassenden Zerstörung von Kos Korros für immer genommen. Die Tatsache, dass ihm zumindest noch das Leben geschenkt worden war, war nur für die, die ihn liebten ein kleiner Trost. Für Mavis selbst, dass wusste Vilo jedes Mal, wenn er, so wie jetzt, in seine Augen schaute und sich dabei ertappte, dass er sich auch nach all den Jahren noch immer nicht wirklich vollständig an das veränderte Aussehen seines Freundes gewöhnen konnte und sich seine ursprünglichen Gesichtszüge in Erinnerung rief, war es einfach nur ein furchtbarer Fluch, den er liebend gern sofort beendet hätte, wäre er nicht so verdammt pflichtbewusst den Menschen auf diesem Planeten und natürlich speziell seinen Freunden gegenüber gewesen, ihnen im Kampf gegen den Feind zur Seite stehen zu müssen.
Dabei hatte Marivar, die fantastische Ärztin auf Kimuri, wirklich wunderbare Arbeit geleistet. Da sie Mavis jedoch nicht wirklich gekannt hatte, waren ihre Bemühungen, sein Aussehen aus ihrer Erinnerung heraus, so gut wie möglich wiederherzustellen, nicht erfolgreich gewesen. Zwar hatte er jetzt ein durchaus attraktives und sogar ebenmäßiges Gesicht, doch hatte es mit seinem ursprünglichen Aussehen nur noch entfernt etwas gemein.
Und Vilo wusste in Momenten wie diesem, da er seinen Freund so nah vor sich hatte, dass Mavis äußerlich ungerührt, innerlich Höllenqualen deswegen durchlitt. Denn mochte Vilo manchmal Probleme damit haben, sein neues Aussehen zu akzeptieren, so war sich Mavis selbst seither stets immer nur ein Fremder.
„Wieso?“ Mavis grinste. „Hast du Angst, der stinkende Fisch könnte dich töten, bevor es der Feind tut?“
„Nein!“ erwiderte Vilo ungerührt. „Ich möchte es dir nur ersparen, dass sich am Ende wieder einmal herausstellt, dass ich den Größeren habe!“
Mavis lachte verächtlich auf. „Größer heißt nicht gleich besser!“
Vilo schaute seinen Freund einen Moment ausdruckslos an, dann meinte er. „Okay! Weißt du was? Ich nehme dein Angebot an. Lass uns fischen gehen!“
Mavis verlor sein Lächeln. „Was, jetzt?“
Vilo nickte. „Klar! Nur dass wir keine Fische angeln, sondern uns ein paar widerliche Insektenbestien ins Netz holen werden!“
Mavis grinste wieder. „Sonst immer wieder gern, du kennst mich! Aber heute eher nicht. Du weißt, dass unser Auftrag anders lautet!“
Vilo nickte. „Ja, wir sollen sie nur testen, ist klar!“ Er wirkte enttäuscht.
„Du scheinst sehr zuversichtlich zu sein, was diese Dinger angeht!?“
„Ja, das bin ich. Ich glaube, unsere Jungs haben da was wirklich Feines zusammengebaut, womit wir diesen hässlichen Viechern endlich richtig Dampf machen können!“
Mavis nickte beeindruckt. „Die Tests in Eshamae waren in der Tat schon sehr zufriedenstellend. Wenn das auch heute so ist, steht einem Kampfeinsatz nichts mehr im Wege!“
Vilo grinste. „Mach dich auf einen heißen Ritt gefasst!“
Jetzt musste auch Mavis lächeln, dann wandte er sich an Kabus. „Captain?“
„Ja?“
„Wie lange noch?“
„Achtzehn Meilen!“ erwiderte Kabus. „Noch etwa fünf Minuten!“
Mavis nickte und drehte sich zurück zu Vilo. „Dann sollten wir uns langsam startklar machen, was?“
Sein Freund stimmte ihm zu. „Nach dir!“
Und gemeinsam verließen sie das Cockpit.
Der kurze Weg in den Laderaum dauerte nur wenige Augenblicke. Obwohl keine dreißig Meter lang und nur wenig breiter als zehn Meter, beeindruckte Mavis die Höhe des Laderaums von gut sieben Metern erneut und verlieh ihm das Gefühl, sich in einer großen Höhle zu befinden, was jedoch nicht nur positiv auf ihn einwirkte.
Die außergewöhnliche Höhe des Laderaums war für ihre Mission, beziehungsweise für den Transport ihrer Fracht notwendig. Zunächst fielen Mavis aber wieder die massiven Metallschienen auf, die an der Decke angebracht waren und an denen in regelmäßigen Abständen stählerne Kugeln von rund drei Metern Durchmesser über dem Boden hingen, deren Außenhüllen überwiegend aus einem dichten Drahtgeflecht bestanden. An einigen Stellen wurde es durch massive Stahlvorrichtungen aus dem Inneren der Kugel ersetzt, die sich im Moment jedoch noch bündig zur Außenhülle hielten und deren Funktion noch nicht erkennbar war. In das Innere der Kugeln ließ sich aufgrund des sehr dichten Drahtgeflechts nicht wirklich schauen.
An jeder der sechs sich im Laderaum der Manitura befindlichen Kugeln standen mehrere Techniker und Mitglieder des Wartungspersonals und hantierten hier und da noch an ihnen herum oder überprüften diverse Funktionen und Abläufe.
Außerdem befand sich vor vier von ihnen je ein uniformierter Soldat, der sich noch die letzten Instruktionen der Techniker anhörte oder bereits dabei war, sich mental auf ihre Aufgabe vorzubereiten.
Es waren Captain Tibak und ein Teil der ihm noch verbliebenen Männer seiner ehemaligen Einheit.