Der Engel mit den blutigen Händen
Bess Unger
Fantasy-Roman - Band 1 von 2
JuliaField-ePublishing
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ISBN: 978-3-7418-8269-2
© 2017 by D Bess Unger
Satz und eBook bei Ekkehard Hessenfeld, Darmstadt
Klappentext
Besitzen manche Erdenbewohner magische Fähigkeiten? Ein klares Ja! Das ist die Geschichte von drei geheimnisvollen Frauen: Athina (47), Atridi (48) und Lena (16).
Athina ist der wahrgewordene Traum aller Männer, blond und schockierend schön. Ihre engelsgleiche Erscheinung setzt sie gnadenlos ein, um den in ihrem Wesen brennenden Wunsch nach Macht über alles und jeden zu erfüllen. Da sie darüber hinaus eine Schwarzmagierin ist, scheint ihr in der Tat alles zu gelingen.
Atridi ist eine vermögende Rechtsanwältin. In einer für beide demoralisierten Stimmung trifft sie auf einen blendend aussehenden Achtzehnjährigen. Trotz des gewaltigen Altersunterschiedes entbrennt zwischen ihnen eine erotische Leidenschaft, die sämtliche Grenzen sprengt.
Lena bekommt bei ihrer Geburt Anlagen zu ungeheueren magischen Fähigkeiten in die Wiege gelegt. Um ihr die übernatürliche Energie zu entreißen, gerät sie in das Visier der Schwarzmagierin. Kann Lena den Mordanschlägen der Hexe entgehen? Wird sie das Liebesverhältnis zwischen ihrer Lieblingstante und ihrem Jugendschwarm entdecken? Kann sie aus den Fängen der brutalen Entführer, die Jagd auf sie machen, entkommen?
Für Jugendliche nicht geeignet.
Die Sternenprinzessin - vor dreißig Jahren
14. Juli, Sonntag, Volos
Verärgert verengten sich Athinas Augen. Atridi Papaluka, ihre ehemalige Schulkameradin, kam in Begleitung einer Frau die Strandpromenade entlang geschlendert. Just jene Streberin musste ihr über den Weg laufen!
Die siebzehnjährige Athina und die um ein Jahr ältere Atridi hatten im Laufe ihrer Schulzeit in der Stadt eine zweifelhafte Berühmtheit erlangt. Ihrer Tanzkünste wegen mussten beide jede Schulfeier mitgestalten. Wenn die blonde Athina mit der schwarzhaarigen Atridi in knapp sitzenden Balletttrikots lächelnd ihre Sprünge zeigten, hatten die Mädchen neidvoll, die Jungen mit offenstehenden Mündern zu ihnen empor gestarrt. Die Jungs nannten sie untereinander das geile A-Duo und ließen ihrer ausschweifenden Fantasien freien Lauf.
»Hi, Athina«, lachte Atridi. »Das ist Tala, meine zukünftige Schwägerin«, stellte sie vor. »Athina Drosos, meine Schulfreundin.« Das Wort Freundin kam gezwungen über ihre Lippen. Neidvoll blickte sie ihr Gegenüber an. ›Meine Güte, sieht die bombig aus!‹, dachte sie, ›im Gegensatz zu mir wird dieses Seelchen ja ständig attraktiver‹. Unbehaglich spürte sie Athinas abschätzende Blicke auf sich ruhen. »Tala kommt aus dem Iran«, versuchte sie ein Gespräch in Gang zu bringen. »Faszinierend, nicht wahr?«
Athina brachte ein schmallippiges Lächeln zu Wege. Sie gab sich Mühe, Wut und Eifersucht auf die privilegierte Person zu unterdrücken. ›Warum hat diese unansehnliche Streberin mit der flachen Brust und der kolossalen Nase all das, was ich nicht habe?‹, fragte sie sich zum x-ten Mal. ›Reiche Eltern mit schicker Jacht, dickem Auto, ein Leben ohne Sorgen! Was habe ich? Nichts. Das Leben ist verdammt ungerecht.‹ Sie warf Tala einen mitleidigen Blick zu. »Dein Zukünftiger steht auf Exotik?«, wunderte sie sich. »Christos ist wie man weiß mit dem Geschäft verheiratet! Da wirst du es schwer haben. Na ja, die persische Liebeskunst soll ja berühmt sein. Nicht ausgeschlossen, dass ihn die auf Touren bringt.« Auch Athina hatte einst versucht, den vermögenden Burschen zu ködern, aber der Dummkopf hatte auf ihre Annäherungsversuche nicht reagiert.
Tala war zu verblüfft, um zu antworten, verwirrt gingen ihre Blicke zwischen den Schulfreundinnen hin und her.
»Wenn du auf das Kamasutra anspielst, das kommt aus Indien«, erwiderte Atridi kalt. »Sorry, ich vergaß, in deiner Bibliothek kommen Bücher über Liebesstellungen nicht vor. Du hast wie man weiß andere Interessen.«
»Oh Verzeihung, du Schlampe. Ich hatte vergessen, dass du darin Spezialistin bist«, höhnte Athina. »Bei Bedarf werde ich dich um Rat bitten.« Mit einer leichten Handbewegung warf sie ihre blonde Haarmähne über die Schulter zurück, wandte sich um und glitt mit wiegenden Schritten davon. Der knapp sitzende Rock brachte ihre wohlgeformten, straffen Pobacken aufreizend zur Geltung.
Verdutzt blickte Tala die Freundin an. »Was ist denn zwischen euch beiden los? So kenne ich dich ansonsten nicht! Ist das euer üblicher Umgangston?«
»Ja, zumindest in den letzten Jahren«, antwortete Atridi kurz angebunden. Sie begann auf ihren Lippen zu kauen.
»Um was genau ging es denn überhaupt bei eurer seltsamen Unterhaltung?«
Atridi wollte erst nicht heraus mit der Sprache, ließ sich endlich doch herab zu antworten. »Vor drei Jahren wollte ich sie zum Ballettunterricht abholen. Sie war noch in der Schule. Um auf ihre Rückkehr zu warten, schickte mich ihre Mutter in Athinas Zimmer. Ich war von den Socken, als ich den Bücherstapel auf dem Schreibtisch erblickte. Nie im Leben hätte ich vermutet, dass Athina Bücher las! Aus Langweile studierte ich die Buchrücken. Einige Titel sind mir bis heute im Gedächtnis geblieben: Praktische Magie, Übungen zur Weißen und Schwarzen Magie, Schamanismus, Unter Hexern und Zauberer. Alle Bücher handelten von Magie!«
»Hatte sie über ihre seltsame Neigung nie in der Schule gesprochen?«
»Nein, das blieb ein Geheimnis. Als Athina mich ertappte, musste ich schwören, in der Schule davon nichts zu erzählen. Ohnehin gab es unter den Mädchen Getuschel! Nie hat sie sich mit Jungen eingelassen.«
»Im Gegensatz zu dir« unterbrach sie Tala in einem schelmischen Unterton. »Das war es doch, worauf diese Athina anspielte, oder?«
Die Achtzehnjährige wurde nicht rot. »Stimmt, meine Jungfräulichkeit habe ich schon mit sechzehn Jahren verloren. Knackige Jünglinge haben mir es angetan.«
Tala beschloss, darauf nicht einzugehen. »Hängt sie noch immer diesen Spinnereien nach?«
»Frag mich was Leichteres! Aber Spinnerei? Ich denke, an der Magie könnte etwas dran sein.«
Die Begegnung hatte Athina die Stimmung verdorben. ›Mir steht zu, was sie besitzt‹, dachte sie, ›Nicht diesem Trampel!‹ Sie beäugte ihr Profil in der schmierigen Fensterscheibe eines Cafés. Prüfend ließ sie eine Hand über die wohlgeformten Brüste und den flachen Bauch gleiten. Sie war ihrem Vater gegenüber voller Dankbarkeit, dass er vor zwanzig Jahren auf einer Geschäftsreise sich eine attraktive Schwedin an Land gezogen hatte. Bei ihrer Zeugung hatten die vorteilhaften Gene der Mutter über die miesen des Vaters triumphiert und eine perfekte Schönheit hervorgebracht.
Den in die Jahre gekommenen Müßiggängern drinnen im Café durchfuhr ein heiliger Schrecken. Sie blickten von ihren Spielbrettern auf, die Perlen ihrer Goboloi-Kette, die sie unermüdlich durch ihre Finger hatten gleiten lassen, hingen schlagartig schlaff herunter. Mit offenstehenden Mündern glotzten sie nach draußen auf die engelhafte Erscheinung. Eine abgrundtiefe Trauer wehte die Männer an: Alle, die einst Liebe und Leidenschaft erfahren hatten, waren überzeugt, dass eine flüchtige Berührung von dieser jungen Frau all das in den Schatten stellen würde.