inhaltlich keine Ahnung, worüber ich sprach. Wenn ich ein hübsches Mädchen sah, stieß ich Rob an und sagte: „Guck, Rob, da läuft Material.“ „Ja“, lachte Rob dann, „aber das Werkzeug ist noch nicht so weit.“
Weil die elterliche Führung fehlte, trieb ich mich sommers wie winters bis in die frühen Morgenstunden auf der Straße herum. Weihnachten schauten wir durch die Fenster hinein und sahen, wie die ganze Familie gemütlich zusammen um den Baum herumsaß. Das war es, was ich wollte und wonach ich so sehr verlangte. Aus lauter Frust warfen wir Ziegelsteine durch die Scheiben, zielten auf den Weihnachtsbaum, und dann nichts wie weg! Schließlich kamen wir an eine Wegabsperrung, die eine Grube im Boden markierte. Ohne nachzudenken, trat ich einige der Absperrgitter in die Grube. „Hey“, hörte ich eine tiefe Stimme, „hol die Absperrgitter da wieder raus.“ Vor mir stand ein kräftiger, ungefähr fünfzigjähriger Mann, der durch meine Aktion sichtbar genervt war. Ein zweites Mal richtete er das Wort an mich: „Hörst du schlecht, du Rotzlöffel? Hol das Absperrgitter aus der Grube.“, befahl er mir. „Hol’s doch selber raus, du alter Sack.“, hörte ich mich sagen. In zwei Schritten stand er vor mir und schlug mir rechts und links aufs Maul, klatsch, klatsch! Sofort zog Rob einen Eisenpfahl aus dem Boden und machte Anstalten, den Kerl zu schlagen. Der Mann öffnete seine Jacke und provozierte Rob: „Hier, komm, schlag doch!“ Rob stand da und schnaufte wie ein wilder Stier, er war auf 180. Den Pfahl mit beiden Händen fest umklammert, schlug er so fest, wie er konnte, auf die Rippen. Bang… der Mann klappte in der Mitte zusammen, taumelte und fiel in die Grube, neben die Gitter. Rob schmiss den Pfahl weg, und wir rannten, bis wir uns in Sicherheit wähnten. So waren wir einige Jahre zusammen unterwegs und machten die Gegend unsicher, bis Rob irgendwann eine feste Beziehung hatte und unsere Freundschaft einschlief.
An einen schönen Sommertag saß ich im Garten und spielte, als quietschende Autoreifen mich aufschreckten, die mit hoher Geschwindigkeit um die Ecke kamen und in unserer Einfahrt hielten. Es waren Graad und meine Mutter in ihrem VW Käfer, dicht gefolgt von einem Streifenwagen. Sofort versammelten sich die ersten Schaulustigen, und in no time stand eine Menge von etwa fünfzig neugierigen Menschen vor unserem Haus, die das ganze Geschehen beobachteten. Die Polizei wollte meine Mutter verhaften, weil sie ein Halteschild überfahren hatte und man außerdem vermutete, dass sie betrunken war. Meine Mutter, die sich heftig gegen die Verhaftung wehrte, wurde von den Polizisten auf den Rücksitz des Käfers gezwängt. Halb auf den Rücken liegend, mit zwei Polizisten obendrauf, war es schon gelungen, ihr die Handschellen anzulegen. Es wurde immer bizarrer! Einem Polizisten rammte sie ihr Knie in den Schritt, und er schrie auf vor Schmerzen. Er krallte sich mit seinen Fingern in ihrem hochtoupierte Haar fest und schlug ihr einige Male mit der Faust ins Gesicht. Sofort wurde daraus ein großes Blutbad, weil die Haut auf den Wangenknochen aufgeplatzt war. In diesem Moment kam Janus mit einem Zimmermannshammer in der Hand angerannt. Mit dem Hammer schlug er dem Beamten, der meine Mutter geschlagen hatte, so fest er nur konnte, auf den Kopf. Die zweite und letzte Aktion, für die ich ihm wirklich dankbar bin! Ich stand da und war wie gelähmt. An diesem schönen Sommertag wirkte das alles so völlig unwirklich. Einige Schaulustige, einer von ihnen hieß Freek, mischten sich ein, noch mehr Streifenwagen und ein Krankenwagen kamen… es wurde immer verrückter. Nachdem die Polizei noch einige Leute verhaftet hatte, dauerte es noch Stunden, bis wieder Ruhe eingekehrt war. Vorläufig!
Der kürzeste Weg zu meiner Grundschule betrug ungefähr 400 Meter und führte über ein Baugelände, auf dem dreistöckige Wohnblocks gebaut wurden. Gerade hatte ein Maurer den frischen Zement einer Stufe geglättet, als mir die Idee kam, dass der Abdruck meiner Hände und Füße darin toll wäre. Ich ließ meiner Kreativität freien Lauf, als mich kräftige Hände von hinten griffen und mir ein paar klatschten. Der Maurer schleifte mich in den Keller und warf mich dort in einen engen, dunklen Raum. Den ganzen Mittag, bis Schulschluss, hat er mich dort in diesem Stromkasten im Dunkeln sitzen lassen. Das letzte Jahr meiner Grundschulzeit war angebrochen, und es lief nicht gut. Am laufenden Band hatte ich Ärger. Ein Junge in kurzen Hosen landete in den Rosenbüschen, ein Mädchen hatte sich einen Dartpfeil im Oberschenkel eingefangen, und einem Dritten stach ich einen Brieföffner durch die Hand. Ein Luftgewehr, das ich einige Tage vorher gestohlen hatte, wurde von der Lehrerin einkassiert. Ich war sauer und beschimpfte die Lehrerin in der gleichen vulgären Art und Weise, wie ich es bei den Erwachsenen zu Hause aufschnappte. So verbrachte ich mehr Zeit auf dem Flur als in der Klasse. Der stellvertretende Direktor muss ein kluger Mann gewesen sein, denn niemals machte er mir Vorwürfe oder schimpfte… er nahm mich mit in sein Zimmer, wo ich in aller Stille Donald-Duck-Comics lesen durfte. Manchmal bekam ich sogar eine leckere Tasse warmen Kakao dazu. Vor meinem Vater hatte ich Angst, denn immer wieder wurde mir von meiner Mutter eingehämmert, dass ich wegrennen solle, falls er an der Schule auf mich wartete. „Er wird dich mitnehmen, und dann sehe ich dich nie mehr wieder.“, so versicherte sie mir. Tatsächlich erinnere ich mich daran, dass er eines Tages einen großen Sack mit Kleidung und Süßigkeiten für mich in der Schule abgab. Das Herz rutschte mir in die Hose, als ein Lehrer mir sagte, dass er draußen auf mich warte. Wie ein aufgescheuchtes Tier rannte ich nach Hause. Einmal nur habe ich in seinem Auto gesessen. Es war ein Ford 17M, und das Armaturenbrett sehe ich so klar und deutlich vor mir, als ob es gestern gewesen wäre. In der Schule wurde anhand von Tests bestimmt, welche weiterführende Schule für mich in Frage käme. Man beschloss, dass es eine technische Schule auf niedrigem Niveau sein sollte. Auf der LTS Brunssum hatte ich die Möglichkeit, Zimmermann, Maurer oder vielleicht sogar Autoschlosser zu werden. Nach einer vierjährigen Ausbildung sollte ich dann den Rest meines Lebens bis zur Rente arbeiten, brav meine Steuern zahlen und die Gesetze unserer Gesellschaft respektieren. Eventuell später heiraten, dann Kinder, ein Hund und eine Hypothek. Die zwei Wochen Urlaub im Jahr würde ich mit einer Kiste Bier im Regen auf einem Campingplatz verbringen, und während meine Frau auf dem Klo ist, hol ich mir heimlich einen runter, weil ich scharf auf die heiße Nachbarin bin. Irgendwann bin ich dann am Ende oder krepiere an einer Krankheit. An meinem Grab stehend, würde man sich daran erinnern was für ein toller Kerl ich gewesen war… Sand drüber. Amen! Aber es kam alles ganz anders. Nicht besser, aber anders.
Es war im Sommer 1974 oder 1976, die Fußballweltmeisterschaft war in vollem Gange, als mich meine Mutter zu einem Einkaufsbummel nach Geleen mitnahm. Meine Schwester, Dolf, der spätere Mann meiner Schwester, und Eddy begleiteten uns. Wir betraten ein Juweliergeschäft, und das Erste, was uns auffiel, war, dass durch das Öffnen der Tür ein Glöckchen berührt wurde und läutete. Der Inhaber, der sich in der Wohnung über dem Geschäft aufhielt, kam hinunter und bediente seine Kundschaft. Erstaunt betrachtete der Juwelier den tätowierten Unterarm meiner Schwester, als sie einige Armbänder anprobierte. Zur damaligen Zeit war das kein alltäglicher Anblick bei einer Frau. Keines der Stücke entsprach ihrem Geschmack, also bedankten wir uns und verließen das Geschäft. Wahrscheinlich lief gerade ein spannendes Fußballspiel, denn sofort ging der Inhaber wieder rauf in seine Wohnung. Schnell öffnete Eddy die Tür und schnitt den Draht des Glöckchens durch. Wieder kam der Besitzer hinunter in sein Geschäft. Als er sah, dass sich keine Kundschaft im Laden befand, machte er kehrt und ging wieder hinauf. Wir warteten noch einige Minuten, schließlich schlichen wir uns in das Geschäft, und mucksmäuschenstill räumten wir den kompletten Laden samt Schaufenster leer. Ich hatte meine Taschen bis zum Bersten vollgestopft mit Gold. Wieder zu Hause angekommen, wurde der Hehler gerufen, der vor Bewunderung anerkennend pfiff, als er die Beute erblickte. Mit Nachdruck wurde mir befohlen, nicht über die Angelegenheit zu sprechen, aber auch ohne diese Drohungen erkannte ich den Ernst der Lage. Ich würde schweigen wie ein Grab! Vom Erlös schenkte mir meine Mutter ein nagelneues Geländemoped, das ich unter ihrer Aufsicht auf einem stillgelegten Gelände fahren durfte. Die Polizei erhielt bei der Befragung des Juweliers sehr gute Täterbeschreibungen und eine exakte, detaillierte Beschreibung des tätowierten Unterarms. Letztendlich gab das Monate später den Ausschlag und führte zur Aufklärung des Falles. Bei einer Shoppingtour in Geleen gerieten meine Schwester und ihr Freund in einen Streit mit dem Verkaufspersonal. Die dazugerufenen Polizisten nahmen sie mit auf die Wache, und hier fiel einem aufmerksamen Gesetzeshüter der Arm meiner Schwester auf. Eine Gegenüberstellung mit dem Juwelier brachte die ganze Sache ins Rollen. Wir wurden alle verhaftet. Ich wurde in der Schule von vier Polizisten festgenommen, die mich in Handschellen vor den Augen meiner Schulkameraden aus der Klasse führten. Zu diesem Zeitpunkt war ich ungefähr zwölf Jahre alt. Ohne Haftbefehl oder Anwalt schloss man mich für die nächsten fünf