Wünsche? Na dann viel Glück”, dachte ich mir, aber besser anspruchsvoll, als anspruchsleer.
Gründe, diese Ehe zu beenden, besaß ich reichlich. Es waren keine Prinzipienkloppereien oder lächerliche Kleinigkeiten, es waren ausschlaggebende, wichtige Gründe. Immerhin habe ich mir, wie manch anderer, keine zehn Jahre damit Zeit gelassen und diese somit vergeudet, sondern gab dieser Beziehung etwa ein Jahr, um sich zu regenerieren. Dennoch, sie scheiterte und zu guter Letzt verschwand auch noch das Gefühl von Liebe in mir. Da half nichts mehr. Aus, vorbei, einmal gestoppt, nie mehr gepoppt. War der Schalter in meinem Kopf diesbezüglich einmal umgelegt, sprang er nicht mehr zurück, egal ob ich es wollte oder nicht. So ist das Leben.
Aufgeben musste ich das gewohnte Umfeld und die Sicherheit, denn finanziell ging es mir gut in dieser Ehe, jedoch nur das allein machte mich nicht glücklich und hielt mich nicht bei meinem Mann. Er hieß Mirko, 33 Jahre alt, zukünftig geschieden und plötzlich alleinstehend, genau wie ich.
“Und jetzt soll alles anders werden”, dachte ich.
Auf der einen Seite wollte ich dieses zwar langweilige, dennoch sichere Leben, nur nicht mit ihm und auf der anderen sehnte ich mich auch nach Spannung und Abenteuer.
Ich versuchte in derselben Gegend, auf dem Berg, wo meine Freunde wohnten, etwas abseits von der Stadt in der ich lebte, eine günstige Behausung zu finden. Vergeblich! Mir fehlte einfach das nötige Kleingeld für dieses betuchtere Umfeld und ebenso das Glück eine ausnahmsweise weniger kostenintensive Wohnung zu ergattern. Was zu zweit zuvor finanziell kein Thema war, ging nun alleine eben nicht mehr. So zog es mich zwangsweise wieder in Richtung Stadt, in die Nähe meines früheren Aufwuchsghettos.
Die erste Wohnung in dieser Gegend, welche ich mir ansah, sollte es schon sein. Schicksal oder Zufall, man weiß es nicht. Pünktlich zehn Minuten zu früh stand ich vor der Tür und wartete in der Straße, durch die ich als Kind von der Grundschule aus jeden Tag zu meiner Oma ging. Sofort überkam mich ein Wohlfühlgefühl, noch bevor ich die Wohnung überhaupt gesehen hatte. Schon kurze Zeit später bekam ich den Schlüssel und konnte einziehen in mein neues Reich.
Hilfe hatte ich, Gott sei Dank von einigen Freunden, beim Umzug, beim Pinseln, in Sachen Beratung und beim Organisieren günstig gebrauchter Möbel. In solchen Zeiten merkt man definitiv, wem man wirklich wichtig ist.
Wer mir unglaublich viel zur Hand ging war mein Ex- und bis dahin bester Freund Boris. Er verstand sich auch recht gut mit Mirko. Vor circa neun Jahren waren wir mal für eine Weile ein Paar. Mehr als nur gute Freundschaft empfand ich für ihn schon lange nicht mehr und auch bei ihm schien dies der Fall zu sein. Wir waren schon irgendwie richtig stolz auf dieses gute Verhältnis und der lebende Beweis dafür, dass Freundschaft zwischen Ex und Ex auch möglich ist. Ich konnte ihm alles erzählen, mit ihm über alles reden. Er regte sich immer über all die Männer auf, die nur das “Eine” wollten, aber nicht in der Lage waren mir zum Beispiel beim Umzug zu helfen. Boris war jeden Tag da, half mir streichen und Sachen schleppen, besorgte mir alles was ich benötigte und war immer zur Stelle, wenn ich ihn brauchte. Ohne ihn hätte ich es sicherlich wesentlich schwieriger gehabt. Auch meine längsten Freundinnen Maria, Anita und Bettina standen mir viel zur Seite. Selbst auf meine Kollegen und sogar auf meinen Chef konnte ich zählen.
Die erste Nacht in der neuen Wohnung war das komplette Gegenteil von dem, was andere sagten und ich vorher dachte. Immer hatte ich das Problem allein zu schlafen. Tja, diesmal nicht. Ich war erleichtert und hatte Ruhe. So friedlich schlief ich lange nicht mehr. Wirklich allein war ich sowieso nicht, denn mein halber Zoo war schließlich bei mir. Meine drei Miezen, mein Streifenhörnchen und eine Maus schenkten mir reichlich Zuneigung, sorgten für Abwechslung und nicht aufkommende Langeweile, durch genügend von ihnen verursachten Schabernack, welcher mich automatisch zur Zwangsarbeit wie Putzen, Reparieren und Füttern verdonnerte.
Zusätzlich, als Mittel gegen die möglich aufkommende Langeweile gab es ja auch noch das Internet. Das liebe www, wo sich die bekloppte Lara bisher immer gegen gewehrt hatte. “Habe ich bisher nicht gebraucht, brauche ich auch in Zukunft nicht”, sagte ich immer. Ja, sicher und heute, bin ich fast schon süchtig danach.
In erster Linie legte ich mir den Draht in diese neue Welt, weil es dort so tolle Portale gab, wo viele meiner Freunde angemeldet waren. Unter anderem meinVZ. Das ist eine Seite, wo man von sich ein Profil erstellt, Fotos hochladen kann, mit anderen chatten und spielen und von Freunden, alten Klassenkameraden gefunden werden kann. Von da an musste ich jeden Tag ins meinVZ oder in den gängigen Chat bei ICQ. Mit Hilfe des Internets, bekam ich wieder viel mehr mit, lernte neue Leute kennen und traf alte Freunde wieder. So saß ich also die meiste Zeit nur vor meinem Laptop. Das erste was ich tat, als ich nach Hause kam, ping - Internet an.
Nach dem ganzen Tohuwabohu mit Mirko und dem Umzug in meine neue Wohnung, folgte erst einmal mein verdienter Urlaub. Ich hatte ein wenig Ruhe und Entspannung wirklich nötig. Abschalten und das Geschehene verarbeiten. Ach wie gern wäre ich weggefahren. Was hätte ich alles dafür getan, mein Meer wiederzusehen. Sonst bin ich jedes Jahr im Urlaub gewesen. Immer an die Ostsee. Meine absolute Lieblingswohlfühlgegend. Doch was sollte ich machen. Mein ganzes Erspartes ging für den Wohnungswechsel drauf und das Auto musste bald auch noch zum TÜV.
Was mir zu dem noch bevorstand, war die Organisation des Junggeselinnenabschieds von meiner Freundin Maria. Ich hatte die Ehre ihre Trauzeugin sein zu dürfen. So sehr ich mich auch über diesen Freundschaftsbeweis freute, so sehr war ich betrübt über diesen extrem unpassenden Zeitpunkt. Natürlich war dieser von ihr schon lange geplant und selbst wenn auch nicht, es war schließlich mein Leben was zerbrach und nicht ihres. Maria konnte ja nichts dafür, keiner konnte etwas dafür. Sie hatte einfach in dem Punkt mehr Glück. In dieser Sache hatte ich sie schon immer etwas beneidet, allerdings war es absolut positiver Neid. Sie hatte ihren Erfolg in Sachen Liebe in jedem Fall verdient. Besaß sie doch ein gutes Herz, welches eine Rarität ist heutzutage.
Schon als ich noch mit Mirko zusammen war, sah man die Unterschiede zwischen uns Pärchen deutlich. Michael, Marias Freund zeigte ihr ständig, wie sehr er sie liebte. Nahm sie häufig in den Arm, auch in aller Öffentlichkeit, sodass es jeder sah. Er streichelte sie, machte ihr schöne Komplimente und bereitete ihr des Öfteren die ein oder andere nette Überraschung. Sicherlich knallte es auch mal ab und an heftig zwischen den beiden, allerdings recht selten und das ist schließlich normal. Auch häufige “Bettgymnastik” gehörte zu ihrem erfüllten Leben, worüber wir oft sprachen und unsere kleinen ferkeligen Witze drüber rissen. Doch in diesen Momenten dachte ich nur: “Na toll, ich muss bei Mirko immer danach betteln”, und mein innerliches Ich, stöhnte auf in meinem Kopf.
Maria und ich sahen uns fast täglich. Uns verband ein gemeinsames Hobby: Das Pferd. Wir hatten uns schon oft unsere Zukunft ausgemalt, planten in zwei Jahren unsere Mutterschaft ein, doch jetzt kam alles anders. Ihre Hochzeit stand ins Haus und meine Scheidung war nur noch eine Frage der Zeit. Diese Konstellation passte mal so gar nicht zusammen. Sie voller Freude und ich voller innerlicher Traurigkeit. “Ach, Arsch lecken”, dachte ich mir, “Da musste jetzt durch, Lara.” Ich war doch immer der Experte im “alles wird wieder gut” Gerede und eigentlich beschränkte sich mein damals täglicher Anfall an Depressionen auf circa fünf Minuten heulen und danach konnte ich wieder darüber lachen. “Jammern hilft dir eh nicht weiter”, sprach die freundliche Stimme in meinem Kopf. “Es hätte auch alles noch viel schlimmer kommen können. Guck dir nur andere an, alleinerziehende Mütter zum Beispiel” “Ja, ja, ist ja gut”, toll, solch eine Diskussion mit einem selbst. “Ich reiß mich ja schon zusammen. Ab sofort wird nach vorne geblickt”, nahm ich mir fest vor.
Meine Entjungferung als Trauzeugin begann also. Ich hatte keinen Plan, verdammter Mist. Es ging um meine beste Freundin und ich hatte keine Ahnung von dieser für mich fremden Materie. Es sollte alles perfekt sein. In der Regel heiratet man ja schließlich nur einmal. “Haaaa, haaa”, würde Nelson von den Simpsons jetzt sagen und mit dem Finger auf mich zeigen, doch das letzte was ich wollte war eine enttäuschte Maria.
In meinem Kopf herrschte das reinste Chaos. Wild feierten vergangene Ereignisse, *Matumbos und Zukunftsträume in meiner Birne eine Party. Nein, Schluss jetzt. Ich versuchte meine Gedanken zu sortieren und biss mir in den Hintern. Auch googeln