es ja auch eigentlich sein. “Perfekt ist es nur dann, wenn Liebe im Spiel ist, nur dumm wenn gerade keine Gefühle da sind, wo kriege ich jetzt meinen so dringend benötigten Sex her, verflixt und zugenäht, verdammte Zwickmühle”, dachte ich ratlos. Tja, Pech, dann üben wir uns halt ein wenig in Selbstdisziplin. Blieb mir auch wohl nichts anderes übrig.
Zu Hause angekommen widmete ich mich wieder der Planung von Marias Abschied! Also klatschte ich mich aufs Sofa und wählte mir die Finger wund: “Ja hallo, hier ist... bla, bla, bla… die Trauzeugin von… bla, bla, bla… Hast du nicht Lust am… bla, bla, bla… mit auf den Junggesellinnenabschied zu kommen?” Telefonieren bis die Ohren bluteten.
So ging das dann die nächsten Tage. Kurz was essen, kurz zum Pferd, schlafen und wieder ran an den Speck. Na immerhin wusste ich ja, für wen ich es machte und das tat ich auch gern. Als ich allerdings meine Telefonrechnung bekam, fiel ich rückwärts vom Stuhl. Satte 200 Euro blinkten mir auf dem Blattpapier entgegen. “Ja, super, dass passt doch gerade echt gut, denn mit Geld wisch ich mir den Hintern ab, soviel habe ich davon. Ha, ha, ha, so ein Mist”, dachte ich leicht sarkastisch, etwas niedergeschlagen und akzeptierte letztendlich, was sich sowieso nicht mehr ändern ließ.
Kapitel 2
Eine Hochzeit und zwei Männer weniger
Langsam aber sicher ging mein Urlaub zur Neige und eigentlich war ich auch den Umständen entsprechend zufrieden. Als jedoch an einem der letzten Abende, wie so oft, Boris mal wieder bei mir war, erlebte ich eine nicht ganz so tolle Überraschung. Ich wusste, da stimmt was nicht, war da doch dieses komische Bauchgefühl in der letzten Zeit, auf das ich mich bisher immer sehr gut verlassen konnte.
Er saß auf der Couch, war ungewöhnlich still. Ich stand am Balkon und rauchte eine Zigarette. Dann auf einmal rückte er mit der Sprache raus, beziehungsweise fiel wohl eher mit der Türe ins Haus. “Ich habe gedacht aus uns könnte vielleicht wieder etwas werden. Wir verstehen uns doch so gut und sehen uns fast täglich. Meine Gefühle für dich waren nie fort. Meinst du nicht wir könnten es noch einmal miteinander versuchen?”, waren seine Worte.
Ich kann kaum beschreiben, wie ich mich in dem Moment fühlte. Dieser Mensch war mein bester Freund, er war wie ein Bruder für mich und wusste alles von mir. Irgendwie hatte ich es ja geahnt, aber das ist genauso, wie wenn du weißt, dass jemand stirbt und du trotzdem geschockt bist, wenn es so weit ist. Genauso so war es auch in diesem Fall. Und gestorben ist im übertragenen Sinne auch etwas, nämlich letztendlich die Freundschaft zwischen uns.
“Oh je Boris. Du weißt doch, dass ich nichts erzwingen kann, was nicht da ist. Es tut mir leid, aber mehr kann ich dir nicht geben”, erwiderte ich mit verzweifelten Blicken. Mir standen die Tränen in den Augen, ihm allerdings auch. Mich überkam sofort ein ätzendes Scheißgefühl, denn ich spürte, dass es ab jetzt zwischen uns nie wieder so sein würde, wie vorher. Dann stand er auf und ging. Ich war traurig und dermaßen wütend.
Als er weg war, kam es über mich und eine Träne nach der anderen kullerte mir die Wangen hinunter. Ich versuchte es zu verstehen und dachte nach. So einiges wurde mir klar und bewusst. Immer mehr kam die Wut in mir hoch. “Alle wollen dich nur ins Bett kriegen, keiner will dir helfen”, erinnerte ich mich, gehört zu haben. “Ich erzähle immer ganz stolz von unserer Freundschaft. Das dies möglich ist zwischen Mann und Frau”, waren noch vor kurzem seine Worte. Wohl offensichtlich alles dummes Geschwätz, zumindest dachte ich dies vor lauter Wut. Große Enttäuschung und ein dickes Fragezeichen nahmen Platz in meinem Kopf. “Das gibt es nicht. Ich bin im falschen Film. Hammerhart.” Selbst meine innerliche Stimme wusste nichts Besseres darauf zu sagen. “Toll Lara. Eine zerbrochene Ehe, keine Kohle mehr, etliche Hochzeitszugehörigkeiten organisieren und jetzt geht dir dein bester Freund noch flöten, super! Und was kommt als nächstes?”, dachte ich kopfschüttelnd.
Hätte ich damals gewusst, dass dies erst der Anfang des dicken Überraschungspaketes war, dann wäre ich doch besser ausgewandert. Heute kann ich Boris Lage etwas besser nachvollziehen, als damals. Sicherlich hätte er mir auch soviel geholfen, wenn keine derartigen Gefühle im Spiel gewesen wären. Davon bin ich überzeugt. Und es ist auch nicht einfach, vielmehr eigentlich unmöglich sich gegen sein Herz zu wehren, so sehr man es auch möchte. Definitiv war Boris nicht wie jeder andere. Er kämpfte gegen seine Gefühle und verlor dennoch. Doch damals war meine Wut stärker und wie so oft versteht man viele Dinge erst dann, wenn man sie selbst am eigenen Leib erfahren hat.
Am selben Abend noch telefonierten und diskutierten wir über sein Geständnis. “Wenn ich weiterhin Kontakt mit dir habe, werde ich immer mit dir zusammensein wollen”, sagte er schwerfällig. “Dann hast du mir also die ganze Zeit einen vorgemacht? Und ich dachte wir wären Freunde”, erwiderte ich wütend und mit enttäuschter Stimme. Den Rest des Gespräches schwiegen wir mehr oder weniger. Es vielen kaum noch Worte. Ich war einfach nur sprachlos. Weinte vor Wut, vor Enttäuschung, vor Angst ihn nicht mehr halten zu können und schließlich wurde mir klar, dass ich meinen besten Freund verloren hatte. Das Telefonat war somit beendet, es sagte ja sowieso keiner mehr etwas.
Ein paar Tage später dann erfuhr ich, dass er eine Frau über eine Art Singlebörse im Internet kennengelernt hatte. Noch am selben Abend verabredeten sie sich miteinander und einen Tag später waren sie zusammen. “Na Prost Mahlzeit”, dachte ich. “Na ja gut, wenn er meint, dann bitte.”
Seine Drohung bezüglich des Kontaktes machte er wahr. Von da an herrschte erst mal Funkstille. “Soviel dazu, dass auch Menschen die man neun Jahre kennt, sich von jetzt auf gleich um 180 Grad drehen können”, wurde mir enttäuscht bewusst und dass obwohl wir uns immer geschworen hatten: Wir halten Freundschaft, komme was wolle.
Mit neuem Gefühl im Bauch, nämlich Wut, machte ich da weiter, wo ich aufgehört hatte: Junggesellinnenabschied. Es ging an die Mosel. Wir veranstalteten dort eine Planwagenfahrt, machten ein paar total bebamste Spiele und grillten abends gemütlich am Lagerfeuer. Alles mit Unmengen von Alkohol und anschließender Übernachtung bei Marias Cousine.
Lustig war es in jedem Fall und gut schicker waren wir wohl alle, doch war es schon wieder da, dieses dumme Zwicken in meinem Magen. Diesmal aber wohl eher wegen Maria.
Irgendwie hatte ich das leichte Gefühl, als würde ihr irgendetwas nicht ganz passen. Ich dachte erst, es läge vielleicht an Sunny, eine andere gute Freundin von mir, welche auch mit auf dem Abschied war. Zur Zeit unternahm ich mit ihr mehr , als mit Maria, weil sie eben auch, genau wie ich, in keiner Beziehung steckte. Wahrscheinlich hatte Maria aber einfach nur Angst, unsere Freundschaft würde auseinanderdriften. Sicherlich gingen wir jetzt verschiedene Wege, doch ich wollte diese unbedingt parallel laufen lassen, nur war das nicht immer einfach.
Noch an diesem Abend bekam ich am Lagerfeuer einen äußerst freundlichen Spruch von ihr zu hören, wo ich doch nicht gerade erfreut drüber war. “Lara erzählt mir ja nichts mehr”, sagte sie ziemlich angeschickert, meckernd zu einer ihrer Freundinnen und warf einen drohenden Blick in meine Richtung. Ich hörte meinen Namen, wurde aufmerksam, wusste jedoch nicht so wirklich worum es überhaupt ging, da ich gerade mit meinen Gedanken woanders war und verträumt in das Feuer blickte. “Ich muss alles erst immer von anderen erfahren und wenn ich es Lara dann erzählen will, sagt sie immer nur: 'Och das weiß ich schon.'”, fügte sie dem noch hinzu. “Ja, danke für die Blumen”, dachte ich mir. Handelte es sich vielleicht um Dinge, die mir selbst im Vertrauen erzählt wurden, dann erzählt man sie nicht weiter oder? Und waren es auch häufig Sachen, die mich überhaupt nicht interessierten, zum Beispiel ob Hinz und Kunz ein Kind bekamen und Erni und Bert sich trennten. Ja mir doch schnuppe, so kannte ich die meisten Leute davon sowieso nicht richtig. Aus diesem Grund wurden solche Informationen in die Ablage: “Schon mal gehört, dennoch drauf geschissen” im hintersten Teil meines Hirns gespeichert und ich hielt es dann einfach nicht für wichtig solche hoch interessanten Dinge zu erwähnen. “Atme durch und schluck es runter”, sprach mein Kopf zu mir. Der Zeitpunkt mich dazu zu äußern, war wohl absolut unangemessen. An ihrem Junggesellinnenabschied musste das nicht sein. Also drehte ich mich weg und betrachtete weiter die tanzenden Flammen des Feuers. “Ähnliche Sprüche konnte ich mir doch vor einer Woche schon einmal reinpfeifen”, dachte