Francisco J. Jacob

TOD IN DEN KLIPPEN


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Ereignis, an dem wir, nach solch langer Zeit, Erinnerungen aus Kindertagen austauschen konnten. Hochspannend wurde es, als ich in einen Kriminalfall verwickelt wurde, da ich in einer prähistorischen Höhle, der Attraktion von Ribadés, durch Zufall zwei Tote gefunden hatte. Bei meiner Zeugenaussage hatte ich zunächst Probleme mit dem Comisario gehabt, bis sich unsere frühe schulische Gemeinsamkeit herausstellte. Ich half ihm mit strukturierten Ansätzen. Später war er mir äußerst dankbar dafür, ihn bei der Aufklärung des Falls unterstützt zu haben. Die Geschichte lag, wie erwähnt, über ein Jahr zurück.

      Diesmal hatte ich mich wegen einer spontanen Hochzeitsfeier auf den Weg zu meinen Freunden gemacht. Ich reiste allerdings ohne Hellen an. Sie ist eine leidenschaftliche Fotografin und hatte, wegen einer außergewöhnlichen Fotoausstellung in München, dort alle Hände voll zu tun. Es tat ihr leid, nicht mitfliegen zu können, aber sie wollte in zwei Tagen nachkommen.

      Diese prompt beschlossene Trauung betraf Ana-María Rey, die Tochter meines früheren Schulfreundes Mateo Rey, den Beamten. Er rief mich Zuhause an und sprach von einem ›Unfall‹, weswegen ›seine Ana-María‹ schnellstens vermählt werden müsse – sie sei schließlich schon im fünften Monat. Und da wir zum engsten Freundeskreis gehörten, müssten wir bei den Festlichkeiten ebenso dabei sein, wie der Rest der Familie sowie alle andere Freunde.

      Das Flugzeug schwenkte um die Längsachse und flog eine weite Kurve. Ich sah hinunter auf die Steilküste von Santander mit dem prächtigen Leuchtturm, dann auf die Bucht und auf den Flughafen, der nach dem berühmten spanischen Golfspieler Seve Ballesteros benannt ist.

      Das Fahrwerk des Flugzeugs wurde ausgefahren und rastete laut ein. Wir setzten zur Landung an. Von dem Geräusch geweckt, sah mich mein Nachbar mit aufgerissenen Augen an.

      »Was ist los?!«, fragte er besorgt.

      »Wir landen«, gab ich beruhigend zurück.

      »Thanks!« (Danke!), sagte er salopp. Der junge Mann blickte durch das Kabinenfenster und fing augenblicklich an, Krümel von seinen Hosen abzustreifen und die Kleidung zurechtzuziehen.

      »Sind Sie oft in Spain?«, fragte er mich.

      »Nein.«

      »Aber, ich habe Sie mit der Stewardess Spanish reden gehört«, gab er verwundert zurück.

      »Oh, das meinen Sie«, erwiderte ich. »Ich bin hier geboren.«

      »Really?« (Wirklich?), fragte er überrascht und sah mich an.

      »Ja, in Gijón.«

      »Really? Ich besuche eine Freundin in Gijón«, sagte er begeistert. »Ich komme aus Birmingham.«

      »Eine schöne Stadt. Ich habe in Birmingham gearbeitet und eine längere Zeit in Oxford.«

      »Really? Oxford ist so wicked« (sehr abgefahren), schwärmte er.

      Der starke Regen hatte nachgelassen, es nieselte etwas. Die Markierungen auf der Landebahn näherten sich uns. Das Flugzeug setzte leicht schräg mit den Rädern auf den Boden auf, was zu einem leichten Schütteln der Maschine führte. Der Mann aus Birmingham fühlte sich erneut unsicher und hielt sich wieder krampfhaft an den Armlehnen des Sitzes fest. Dabei sah er etwas verlegen zu mir herüber.

      Auf dem Weg zum Gepäckband stolzierte mein Sitznachbar mit schlendernden Armen und wippendem Oberkörper vor mir her. Seine federnden Schritte zeigten wieder diese große Unbekümmertheit. Er hatte scheinbar keine Probleme.

      Ich dachte darüber nach, was mich diesmal in Ribadés, der Kleinstadt meiner Kindheit, erwarten würde. Jedenfalls hatte ich bei der letzten Reise bereits vier einstige Schulfreunde gefunden. Mateo Rey, war ein rechtschaffener Beamter, der froh war, in diesen Zeiten, wie er sagte, eine sichere Anstellung zu haben. Mit seiner sympathischen Frau Ana und der Tochter Ana-María war er ein höchst zufriedener Mensch und lebte gutmütig sein Leben. Aus diesem Grund muss es ihn aufgewirbelt haben, als er erfuhr, dass Ana-María schwanger sei. Ich freute mich ebenso auf die anderen Freunde, die auch eingeladen waren. Es lag gewiss an meinem Alter, dass ich diese alte Freundschaft so zu schätzen wusste. Zuvor war ich dazu nicht in der Lage gewesen, denn, wegen der 70-Stunden-Wochen, hatte ich einfach keine Zeit dazu gehabt. Als Privatier war ich nun praktisch Zeitmillionär.

      Vor der Passkontrolle ging es sehr zügig zu. Beim Zoll hingegen wurden Stichproben durchgeführt. Ein Beamter stand vor dem Ausgang und winkte ausgerechnet meinen Sitznachbarn aus Birmingham an den Tisch. Er forderte ihn strikt auf, sein Gepäck zu öffnen.

      »Nothing to declare« (Nichts zu verzollen), sagte er mit einer demonstrativen Gestik.

      Der Beamte forderte ihn erneut auf. Unwillig hob er seinen mit dem Union Jack bedruckten Koffer auf den Tisch und öffnete ihn. Ich drehte mich beim Vorbeigehen um, als ich überraschend sah, dass der Zollbeamte ein recht großes Kruzifix zwischen der Wäsche hervorbrachte. Als Geistlichen hätte ich meinen Sitznachbarn keinesfalls eingeschätzt.

      »Und was ist das?«, hörte ich den Beamten verärgert fragen, der ihm den sakralen und hochwertig aussehenden Gegenstand entgegenhielt.

      »That´s a gift« (Das ist ein Geschenk), rechtfertigte sich der Mann aus Birmingham lautstark.

      Es klang nach einer unangenehmen Situation.

      Die Warteschlange vor dem Counter der Leihwagenfirma war glücklicherweise gering. Zwei sympathische Damen, die dahinter standen, begrüßten freundlich ihre Kunden. Sie trugen rote figurbetonte Kostüme, wie sie von Stewardessen getragen werden, mit einem kleinen Namensschild auf Höhe der linken Brust. Eine der Damen winkte mich lächelnd zu sich. Sie hieß Penelope und war besonders aufmerksam.

      »¡Buenos días!« (Guten Morgen!).

      »¡Buenos días!«, erwiderte ich entgegenkommend. »Mein Name ist Lesemann, Diego Lesemann«, wobei ich deutlich meinen Namen aussprach. Anschließend gab ich ihr die Unterlagen, die sie nur kurz überflog.

      »¡Sí! Señor Lessemaan. Ein BMW 435i Automatik mit Navigation?«, fragte sie freundlich, während sie auf den Monitor sah und wie abgelenkt den Kugelschreiber an ihre vollen Lippen führte.

      Schmunzelnd bejahte ich ihre Frage, worauf sie sofort den Stift vom Mund wegführte. Es überraschte mich nicht, wie sie meinen Namen aussprach, da ich mir das bei meinem letzten Aufenthalt in Spanien hatte mehrfach anhören müssen.

      »Señor Lessemaan. Hier sind die Papiere für ihr Auto. Eine gute Fahrt.«

      Ich bedankte mich, nahm die Dokumente und machte mich auf den Weg zum stilvollen Coupé mit über dreihundert PS aus dem 6-Zylinder Turbo Motor.

      Es hatte zu tröpfeln aufgehört. Einige Stellen des Asphalts waren bereits getrocknet. Die Wolken brachen teilweise auf und ließen einzelne Sonnenstrahlen durchscheinen. Eine frische Brise wehte. Es roch nach Regen, nach Herbstregen. Es war nicht der Duft des Sommerregens, der an heißen Tagen die Pflanzenausdünstungen in die Nase schweben lässt. Ich setzte meinen Fedora-Filzhut auf, legte mir den Burberry-Trenchcoat über die Schultern und ging mit dem Trolley zum Parkplatz, um das Fahrzeug abzuholen. Dort angekommen, wurde das metallicschwarze Coupé äußerst brisant vorgefahren und mit einer harschen Bremsung zum Stehen gebracht. Eine bezaubernde, blond gelockte Dame in einem eng anliegenden pechschwarzen Overall mit schneeweißem Rollkragenpullover und einer schwarzen Baseball-Cap stieg geschmeidig aus. Sie trug den Reißverschluss des Overalls bewusst etwas geöffnet, um ihre Brüste besser in Szene zu setzen. Ich muss gestehen, dass ich von diesem Anblick angetan war.

      »¿Señor Lessemaan?«, fragte sie lächelnd und musterte mich.

      »¡Sí!«, bestätigte ich ein wenig betört.

      »Bitteschön«, sagte sie anmutig und hielt mir den Wagenschlüssel mit gespreizten Fingern hin. Ihre Fingernägel waren mit einem glänzenden schwarzen Nagellack lackiert. »Das ist ihr Auto. 6-Zylinder Turbo mit über dreihundert PS.«

      »Vielen Dank, ich kenne die Daten«, gab ich freundlich zurück.

      »Der