gut. Sie lässt dich herzlich grüßen.«
»Schade, dass sie nicht gleich mitgekommen ist. Aber wenn sich die Frauen was in den Kopf setzen ...«
Ana, Mateos Frau, kam aus dem Haus. Sie war ebenfalls klein und etwas untersetzt wie Mateo, modisch gekleidet. Selbst die umgebundene Schürze passte zu ihrer Kleidung.
»¿Diego, cómo estás?«, sagte sie voller Freude, umarmte mich und küsste mich links und rechts auf die Wangen.
»¡Muy bien!«, gab ich erfreut zurück.
»Du siehst immer jünger aus«, schmeichelte sie mir. »Kaum zu glauben, dass du genauso alt bist wie Mateo.«
»Sehe ich etwa nicht jung aus?«, fragte Mateo humorvoll und spitzte seinen Mund.
»Doch, doch, mein Lieber«, sagte Ana und gab ihm einen Kuss.
»53 ist kein Alter«, bemerkte er und lachte mit seiner kräftigen Stimme.
»Es ist schade, dass du Elen nicht mitgebracht hast«, sagte Ana und sprach Hellens Namen besonders spanisch aus, ohne das H zu betonen. »Hat sie denn viel zu tun, mit ihrer Fotoausstellung?«
»Ja, aber sie hat alles bestens organisiert.«
»Und sie kommt auch sicher bald nach?«
»Ja. Ich hole sie am Freitag vom Flughafen in Santander ab. «
»Ach, ihr seid aber so ein schönes Paar«, sagte sie und strahlte mich an.
Hellen ist mittelgroß, sehr attraktiv, hat kurzes, braunes Haar, ist klug, sympathisch und in meinem Alter. Sie liebt, genau wie ich, eine modische Eleganz, die für sie von jeher ganz natürlich war. Sie treibt gern Sport und ist eine leidenschaftliche Fotografin.
»Letztes Jahr hat deine Frau so schöne Fotos gemacht. Ich freue mich so, sie wiederzusehen.«
»Du willst sie doch nicht als Fotografin für die Hochzeit einspannen«, sagte Mateo zum Spaß.
»Rede keinen Unsinn«, gab Ana prompt zurück.
»Hellen wird sicher das eine oder andere Foto schießen«, gab ich schlichtend hinzu.
»Nein, nein, das kommt gar nicht in Frage. Und jetzt lasst uns reingehen, sonst wird das Essen noch kalt.«
Beim Hineingehen strömte mir der Duft von Fabada Asturiana, eines traditionellen, herzhaften Bohneneintopfs, in die Nase. Er wird aus extrafeinen, trockenen Bohnen mit Paprikawurst, Blutwurst, Schinken, Olivenöl und Safran zubereitet. Eine Besonderheit, die ich schon als Kind sehr gemocht habe. Meiner vegetarischen Ernährung zum Trotz machte ich eine Ausnahme.
»La Fabada«, sagte Mateo, »ist eine Spezialität von Ana.« Er roch genussvoll an seinem vollen Teller und schloss dabei die Augen.
»Wie geht es eurer Tochter Ana-María?«, wollte ich wissen, denn sie war der ursprüngliche Grund meiner Reise.
»Gut, bis auf die ungeplante ...«
»Ich hab ihr dauernd gesagt, sie soll erst ihr Studium fertig machen und dann an Kinder denken«, griff ihm Ana etwas erregt ins Wort. »Aber nein, die heutige Jugend weiß ja alles besser. Und jetzt haben wir den Salat.«
»Wie denkt Ana-María darüber?«
»Sie macht das schon«, gab Mateo überzeugt von sich. »Und Víctor ist ein guter Kerl.«
»Ist Víctor Ana-Marias zukünftiger Mann?«
»Ja, er ist ein schöner Mann, kommt aus gutem Hause und ist Architekt«, verkündete Ana stolz.
»Wunderbar. Und was studiert Ana-María?«
»Tourismus an der Universität Gijón. Da haben sie sich auch kennengelernt«, erklärte Ana. »Und im Moment macht sie ein Praktikum bei einer Tourismusfirma.«
»Interessant.«
»Sie kann auch Deutsch sprechen«, ergänzte Mateo imponierend. »Du musst dich gleich morgen mit ihr auf Deutsch unterhalten.«
»Sieh mal an«, bemerkte ich erfreut.
»Ja, sie kommt morgen wegen der letzten Anprobe ihres Brautkleides.«
»Da kannst du Mal sehen«, fügte Ana stolz hinzu, »sie leben in der Großstadt Gijón, aber sie kommt nach Ribadés, denn hier gibt es die beste Schneiderin weit und breit.«
Ich stimmte ihr nickend zu. Dann dachte ich an meinen Freund Ángel Montés, den Priester.
»Ich nehme an, dass Ángel sie trauen wird.«
»Naturalmente, wer denn sonst?«, antwortete Mateo überzeugt. »Er hat übrigens schon nach dir gefragt. Er freut sich sehr, dich wiederzusehen.«
»Ich ebenso. Habt ihr etwas von Fernando gehört?«
»Ihm geht es gut. Du wirst es nicht glauben, aber wir vier haben es im September geschafft, uns zu treffen. Wir haben über dich und den Fall in der Cueva (Höhle) im letzten Jahr gesprochen.«
Fernando de Vega ist ein eigensinniger Kriminalkommissar bei der Policía Nacional.
»Das war schon gekonnt, wie du ihm bei der Auflösung der Morde geholfen hast. Ohne dich hätte er das nicht geschafft.«
»Danke. Und wie geht es Alonso? Hat er den Tod seines Sohnes mittlerweile verkraftet?«
Alonso Verono, Inhaber des weltweit bekannten Modeunternehmens ALVE-MODA, hatte eine Familientragödie durchleben müssen. Eine der Leichen, die ich in der Höhle gefunden hatte, war sein Sohn Ramón gewesen.
»Er ist ein kalter Industrieller«, meldete sich Ana zu Wort.
»Ich glaube, du musst in der harten Geschäftswelt ein dickes Fell haben, sonst überlebst du nicht. Und sein Unternehmen ist riesengroß«, versuchte Mateo ihn zu verteidigen. »Außerdem ist er ohne Mutter aufgewachsen.«
»Trotzdem ist er seelenlos, auch wenn er stinkreich ist.«
Ich wollte das Thema wechseln, lobte die köstliche Bohnensuppe und fragte nach einem Nachschlag.
»¡Claro!« (Natürlich!), erwiderte sie und griff zur Suppenkelle. »Zum Nachtisch gibt es aber noch Arroz con leche.«
Arroz con leche ist ein cremiger Milchreis, ein Lieblingsdessert aus meiner Kindheit.
»Woher weiß du, dass ich es mag?«
»Deine Frau hat es mir gesagt. Wir haben uns letztes Jahr sehr schön unterhalten. Sie spricht ja auch Spanisch.«
Nach einem Café con leche verabschiedete ich mich von meinen Freunden. Es war später Nachmittag, als ich zum Hotel fuhr.
An der Rezeption wurde ich sofort vom Concierge freundlich begrüßt. Es war derselbe, der Hellen im letzten Jahr große Augen gemacht hatte. Ein sehr schlanker Mann mit kurz geschnittenem pechschwarzem Haar. Er trug einen dunklen Anzug mit hellgrauer Weste und hatte eine dunkelgraue Krawatte um den weißen Kragen gebunden. Er sah aus, wie ein Concierge aus einem Fünf Sterne Hotel.
»¡Buenos días!«, begrüßte er mich mit einer lebhaften Geste.
»¡Buenos días! Ich heiße Lesemann. Ich habe ein Doppelzimmer reserviert.«
»Ich kenne Sie«, sagte er spontan und höflich zugleich. »Sie waren schon letztes Jahr mit Ihrer schönen Frau hier.«
Ich nickte und legte ihm meinen Pass auf den Tresen. Er sah hinein, dann auf den Bildschirm seines PCs. Nach einigen schwungvollen Tastenanschlägen wandte er sich wieder mir zu.
»¡Muy bien!«, vermeldete er erfolgsbetonend.
Ich erinnerte mich an Hellen, die sich bei derselben Darbietung im letzten Jahr das Grinsen nicht verkneifen konnte.
»¡Señora y señor Lessemaan!«, sagte er anschließend, wobei