Francisco J. Jacob

TOD IN DEN KLIPPEN


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kommt am Freitag.«

      »Ah, ich verstehe«, sagte er. »Sie bekommen wieder unser bestes Zimmer«, betonte es und gab mir den Zimmerschlüssel.

      »Vielen Dank«, sagte ich lächelnd.

      Ich hatte dasselbe Zimmer bestellt wie im Vorjahr. Es war geräumig, modern eingerichtet und bot eine fantastische Aussicht. Nachdem ich die schweren Vorhänge der Balkontür zur Seite gezogen hatte, öffnete ich die Flügeltüren zu einem traumhaften Ausblick, der bis zur See reichte. Weiß getünchte Häuser, enge Gassen und kunstgeschmiedete Straßenlaternen harmonierten zu einem romantischen Bild. Über den nassen roten Dächern hinweg sah ich auf das Meer mit seiner Brandung, die zu dieser Jahreszeit besonders dröhnend ertönte. Darüber hing der schiefergraue Himmel, der selten aufriss, um wärmende Sonnenstrahlen durchzulassen. Genau so hatte ich diese kleine Stadt in Erinnerung.

      Während ich in einem bequemen Ohrensessel saß und die Nachrichten auf meinem iPhone abrief, meldeten der Vibrationsalarm und das Display gleichzeitig einen eingehenden Anruf an. Es war Hellen. Sie rief aus München an und wollte wissen, wie es mir ging und ob ich einen guten Flug gehabt hatte. Wir sprachen lange über ihre Fotoausstellung. Gegen Ende des Gesprächs ging ein weiterer Anruf ein. Es war Fernando de Vega, dessen Name auf dem Display stand. Ich erklärte es Hellen kurz und schaltete zum Comisario um.

      »Fernando?«

      »¿Cómo estas Diego?«, fragte er erfreut.

      »¡Bien!«, gab ich zurück.

      »¿Hombre (Mann), wie war deine Reise?«

      »Gut, danke. Du, ich telefoniere gerade und ...«

      »Jaja, ich hab‘s tuten gehört«, unterbrach er mich. »Ich wollte dir nur sagen, das ich um sieben in der Sidrería (Apfelweinbar) bin. Kommst du? Wir müssen Wiedersehen feiern!«

      »Natürlich, gern.«

      »Mit wem telefonierst du?«

      »Mit meiner Frau.«

      »¡La hostia!« (Oh, Scheiße!), sagte er prompt als Entschuldigung. »Bestell viele Grüße. Wir treffen uns um sieben.«

      »Ja, bis später.«

      Das Gespräch war beendet und ich schaltete zurück zu Hellen.

      »Hellen?«

      »Ja, ich bin noch dran.«

      »Viele Grüße von Fernando.«

      »Danke.«

      »Er freut sich sehr, mich wiederzusehen, und hat mich gleich in die Bar eingeladen.«

      »Das ist aber nett. Macht euch einen schönen Abend.«

      »Das werden wir.«

      »So, ich muss jetzt Schluss machen. Meine Gäste warten.«

      »Natürlich. Weiterhin viel Erfolg. Ich hole dich am Freitag vom Flughafen in Santander ab.«

      Zur Bar war es nicht weit. Die Kleinstadt mit gerade einmal 6500 Einwohner war übersichtlich geblieben. Ich zog den Hut tiefer ins Gesicht und den Kragen meines Trenchcoats hoch. Sprühregen wehte mir entgegen. Das Licht der schmiedeeisernen Laternen machte deutlich sichtbar, wie der feine Regen in der Luft tanzte. In den Straßen regte sich sehr wenig und die Plaza, auf der sonst die Kinder spielten, war menschenleer. Die Bar lag in der Calle San Fermín und nur drei Straßen vom Hotel entfernt. Die Sidrería, eine typisch nordspanische Apfelweinbar, strahlte von Weitem mit ihrer Werbebeleuchtung.

      Als ich die Tür öffnete, kam mir ein Schwall von Wärme und gut gelaunter Stimmung entgegen. Im Hintergrund ertönten die Klänge einer spanischen Gitarre. Eine eindeutige Atmosphäre in einer Sidrería in Asturien. Der Comisario stand am Tresen und winkte mich sogleich zu sich. Er begutachtete mich, reichte mir die Hand und klopfte mir dann auf die Schulter.

      »Diego, du wirst einfach nicht älter!«, sagte er grinsend.

      Ich kannte seine überschwängliche Art.

      »Du siehst aber auch gut aus«, gab ich zurück.

      »Mach keine Witze«, winkte er ab ... »Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen?«

      »Ich denke, fünfzehn Monate.«

      »¡Joder! (Verdammt!). Wie die Zeit vergeht.«

      »Das stimmt. Wie geht es dir Fernando?«

      »Mucho trabajo y poco dinero« (Viel Arbeit und wenig Geld), sagte er scherzend. »Aber sonst geht´s mir gut.«

      »Das freut mich.«

      Der Comisario bestellte zwei Sidra.

      Aus einer Höhe von etwa einem Meter schenkte der Barmann den Apfelwein in das tief gehaltene Glas ein. Das meiste fiel zwar schäumend ins Glas, etwas spritzte jedoch daneben, weswegen Sägemehl auf den Boden gestreut war. Wir bekamen Sidra und Tapas aus Oliven, spanischer Tortilla und Chorizo.

      »¡Salud!«, prostete der Comisario mir zu.

      »¡Salud!«

      Wir stießen an und ließen uns den würzig-kräftigen Apfelwein schmecken. Dazu nahmen wir etwas von den Tapas.

      »Schmeckt wieder sehr gut«, sagte ich. ... »Arbeitest du an einem interessanten Fall?«

      »Diego, fang nicht so an.«

      »Wieso?«

      »Du weißt schon warum. Der Fall Verono letztes Jahr hat genug Ärger gemacht. Jetzt bist du hier, um zur Hochzeit von Mateos Tochter zu gehen, und sonst nichts«, antwortete er ernsthaft.

      »Aber ...«

      »¡Hostias! (Verdammt!), fluchte er. »Diego, du weißt, dass die ganze Scheiße gefährlich war und ein Privat ... ähh, ein Privati ...«

      »Meinst du Privatier?«

      »Genau! Ein Privatmann wie du, hat sich bei einem Mordfall rauszuhalten!«

      3

      In den Klippen

      Am Frühstückstisch las ich die Zeitung, und mit besonderem Interesse die Wettervorhersage. Der Regen sollte eine Pause einlegen, hieß es darin. Der Blick aus dem Fenster bestätigte die Vorhersage. Es war trocken und die Wolken ließen inzwischen mehr Sonnenstrahlen durch. Trotzdem war es kalt. Ich trug warme wetterfeste Kleidung und machte mich auf den Weg zu einem Spaziergang.

      Zunächst besuchte ich das Café Carmen. Es hätte auch Café Rojo (Rotes Café) heißen können, weil die Einrichtung durchgehend in Rot gehalten war. Die Tische und Stühle, der Tresen, die Kuchenvitrine, die Rahmen der großen Pop Art Bilder und selbst das Geschirr leuchtete im glänzenden Rot. Sofort stieg mir der aromatische Kaffeeduft in die Nase. Die leise Lounge Musik bot, gemeinsam mit der angenehmen Wärme, eine behagliche und entspannte Atmosphäre. Mein Blick schwenkte sofort wieder zur gut gefüllten Kuchenvitrine. Diese hatte mich schon immer magisch angezogen.

      »¡Señor Lessemaan!«, rief eine sympathische weibliche Stimme begeistert hinter mir.

      Ich drehte mich um und sah Carmen, wie sie schick gekleidet und mit hochtoupiertem Haar mir entgegenkam. Die kleine untersetzte Dame über sechzig sah mich freudestrahlend an.

      »¡Buenos días!«, sagte ich und streckte ihr die Hand entgegen.

      Sie hingegen begrüßte mich mit einer herzlichen Umarmung. »¡Buenos dias! Schön, dass Sie wieder da sind!«

      »Danke. Ich bin ...«

      »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie aufgeregt. »Es ist wegen der Hochzeit von Ana-María und Víctor, nicht wahr?«

      Ich dachte mir schon, dass sich die Dinge in Ribadés schnell herumsprachen.

      »Und