Francisco J. Jacob

TOD IN DEN KLIPPEN


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ich. Vielleicht ein anderes Mal.«

      »Dann nicht!«, gab sie enttäuscht zurück und ließ den Wagenschlüssel in meine offene Handfläche fallen.

      Keck drehte sie sich um, ging mit wippenden Hüften und großen Schritten zum Eingang. Mir fielen ihre glänzend schwarzen High Heels auf, mit denen Sie reizend aussah, doch es musste eine wahre Herausforderung sein, den Wagen damit zu fahren.

      Ich verstaute das Gepäck und stieg in das Fahrzeug. Über Bluetooth schloss ich mein iPhone an die Freisprechanlage des Wagens an, dann startete ich den Motor. Wäre Hellen neben mir gesessen, hätte sie mich gewiss mit den Worten ›Aber fahr bitte langsam‹ vorsorglich ermahnt. Sie kannte meinen Fahrstil. Als Diplomingenieur in der Automobilentwicklung war ich durch diverse Fahrertrainings auf Teststrecken geschult. Ich schaltete die automatische Stabilitätskontrolle aus und fuhr unverzüglich mit leicht durchdrehenden Rädern und erzeugtem Drift los.

      Zunächst ging es in den Norden der Stadt. Ich wollte mir den langgestreckten Hafen ansehen. Der riesige Verladehafen war komplett mit fabrikneuen PKWs belegt, die darauf warteten, verschifft zu werden. Es folgte der Anlegeplatz der Fähren, die nach Plymouth fuhren, und endete mit dem Sporthafen des Segelklubs Real Club Maritimo de Santander. Auf der gegenüberliegenden Seite sah ich das neoklassizistische Hauptgebäude der weltweit drittgrößten Bank, der Banco de Santander. Kurz begegnete mir der Stadtstrand, der hinauf bis zur Peninsula La Magdalena reicht. Die Halbinsel beherbergt neben der Universität Menéndez Pelayo auch den Palacio La Magdalena. Der früher Königs Alfons XIII als Sommerresidenz dienende Palast ist durch seine zwei achteckigen Türme ein außerordentlich gelungenes neoklassizistisches Bauwerk.

      Der Weg zur Autovía A-67 führte mich an der Catedral Nuestra Señora de la Asunción vorbei. Eine prächtige Kathedrale aus dem 12. bis 13. Jahrhundert, welche ein Etappenziel für Pilger auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela ist. Zu diesem Thema hätte Hellen sicher noch einiges aus ihrem Reiseführer zum Besten gegeben. Sie interessierte sich speziell für den Jakobsweg, genauer gesagt für den Camino de la Costa, der im Übrigen durch Ribadés führt.

      Bis zu meinem Ziel waren es noch circa hundert Kilometer auf der Autovía del Cantábrico. Zur Rechten erstrecke sich der weite Atlantik, der sich tobend verhielt. Zur Linken erhoben sich die Picos de Europa mit etwa zweihundert Bergen, die über zweitausend Meter hoch sind. Dieses Gebiet ist historisch bedeutend, da um 720 von dort aus die sogenannte Reconquista, die Rückeroberung Spaniens durch die Christen, eingeleitet wurde. Diese wurde vom späteren König Don Pelayo angeführt, den legendenhaften Gründer des asturischen Reichs.

      Es fing an zu nieseln, woraufhin ich den Scheibenwischer anschaltete. Im Rückspiegel sah ich einen Wagen, der sehr schnell auf der Überholspur heranfuhr. Auf gleicher Höhe angekommen bremste der und fuhr gleichschnell neben mir her. Ich drehte den Kopf langsam nach links. Am Steuer des silbernen Sportwagens saß zu meiner Überraschung die attraktive Dame von der Leihwagenfirma in ihrem eng anliegenden schwarzen Overall. Sie winkte mir freundlich zu, was mir ein Lächeln entlockte. Dann klingelte das iPhone über die Freisprechanlage. Vom Display der Instrumententafel entnahm ich, dass Mateo, mein früherer Schulfreund, anrief. Im selben Augenblick und stürmisch winkend beschleunigte die neben mir Fahrende ihren Wagen vehement. Ungezähmt fuhr sie davon. Die heftige Überschreitung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit schien ihr Vergnügen zu bereiten.

      2

      Ein wahrer Freund

      Ich drückte die Telefontaste am Multifunktionslenkrad.

      »¡Hola Mateo!«, begrüßte ich meinen Freund.

      »¡Hola Diego! ¿Cómo estás?« (Wie geht es dir?), entgegnete er.

      »Sehr gut. Vielen Dank.«

      »Hattest du einen guten Flug?«

      »Ja, er war angenehm.«

      »¡Bien! (Gut!). Und wo bist du jetzt?«

      »Ich bin auf der Autovía, kurz vor der Abfahrt nach Ribadés.«

      »¡Muy bien! (Sehr gut!) Du kannst du gleich zum Mittagessen kommen.«

      »Das ist sehr freundlich Mateo, aber ich wollte mich zuerst im Hotel einchecken.«

      »¡No!«, entgegnete er. »Wie heißt das Hotel?«

      »Aurora, wieso?«

      »Mach dir keine Sorgen. Ich ruf da jetzt an und sag denen, dass du später kommst. Wir essen erst.«

      »Das kann ich wohl nicht ablehnen«, sagte ich erfreut.

      »So ist es«, antwortete er freundlich und lachte mit seiner kräftigen Stimme. »Du fährst direkt zu uns, zur Avenida Asturias 14

      Das war die herzliche Gastfreundschaft, die ich in Spanien kannte. Eine Gastlichkeit, die an familiärer Führsorge grenzt und keinesfalls abgelehnt werden darf. Mateo konnte ich es ohnehin nicht abschlagen, schließlich war ich sein Gast.

      Ich gab die Adresse in das Navigationssystem ein, dann folgte ich den Anweisungen. In Ribadés angekommen, meldete sich die nette weibliche Stimme des Navigationssystems wieder.

       »An der nächsten Kreuzung links abbiegen!«

      Die Straßen kannte ich von meiner letzten Reise. Wenig hatte sich seitdem verändert. Ich fuhr an der Calle de la Fuente vorbei, der Straße, in der das Hotel Aurora stand und anschließend in die Calle Santa María, der Hauptstraße von Ribadés. Kinder spielten auf der Plaza. Am Ende der Straße erkannte ich sogleich das Café Carmen wieder. Unweit davon bog ich in die Avenida Asturias ein.

      »Ziel erreicht!«, lautete die letzte Information, als ich langsam an Mateos Haus vorbeifuhr, welches auf einer Anhöhe stand.

      Ich sah auf ein gepflegtes, zweistöckiges Einfamilienhaus. Der Vorgarten trug die Handschrift einer akkuraten Familie. Die dunkelbraunen Holzfenster im Erdgeschoss waren mit mattschwarzen, kunstgeschmiedeten Gittern geschützt. Die oberen schmückten Blumenkästen in der gleichen braunen Farbe wie die Fenster. Eine große Palmenpflanze thronte vor dem stattlichen Hauseingang.

      Meinen Wagen parkte ich vor dem Grundstück und als ich ausstieg, begrüßte mich Mateo von der Eingangstür kommend.

      »¡Bienvenido!« (Willkommen!), sagte er erfreut und streckte seine Arme aus, wobei er eine Zigarre in der linken Hand hielt.

      Mateo Rey war klein, untersetzt und hatte eine freundliche Ausstrahlung. Besonders fiel seine polierte Glatze auf, die von einem ergrauten Haarkranz umringt war. Er trug stets gepflegte Kleidung und rauchte gerne Zigarren.

      »Hast du gleich hergefunden?«, fragte er.

      »Ja, ohne Probleme.«

      »Claro (Klar), so ein schöner BMW hat bestimmt ein Navi«, schwärmte er. »Wie viel PS hat der?«

      »Über dreihundert.«

      »¡Jolines!« (Du meine Güte), gab er erstaunt von sich. »Der hat ja mehr PS, als meine zwei Seat zusammen.«

      Er begrüßte mich mit einer kräftigen Umarmung und schlug mir mehrmals mit der flachen Hand auf den Rücken.

      »Mateo, ich freue mich sehr, dich wiederzusehen.«

      »Ganz meinerseits«, erwiderte er freudestrahlend.

      »Weißt du eigentlich, dass ich vor über 41 Jahren eine Straße weiter gewohnt habe?«

      »¡Naturalmente!«, bekräftigte er.

      »Aber die Häuser vor deinem Grundstück gab es früher nicht. Das war ein großer Garten, der zu unserem Mietshaus gehörte.«

      »Das weiß ich doch, Diego«, sagte er und gab mir zu verstehen, dass er, im Gegensatz zu mir, sein ganzes Leben in Ribadés verbracht hatte.

      Wir standen vor