Katie Volckx

Mailys' Entscheidung


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anderes verstand als sie, klärte ich sie, noch immer übellaunig, auf: »Nur weil ich abstinent leben wollte, heißt es noch lange nicht, dass ich verklemmt bin.«

      So wie schon damals verstand sie auch heute nur Bahnhof. Schon allein die Tatsache, dass der Liebesakt selbst nicht grundsätzlich mit Sünde behaftet war, überforderte sie gewaltig. Da ich allerdings das Klosterleben hinter mir gelassen hatte, war es wie die Wahl zwischen Pest und Cholera: egal!

      Ich beschloss, die Materie für mich zu nutzen und endlich von meinem neuen Mitbewohner zu erzählen, und zwar, bevor sie mir wieder dazwischenfunkte. »Und ich bin sogar dermaßen aufgeschlossen, dass deine Warnung, mir keinen Mann ins Haus zu holen, leider zu spät kommt.« Stolz auf diesen Erguss, grinste ich in mich hinein und klopfte mir imaginär auf die Schulter.

      Allein für ihren erstaunten Gesichtsausdruck hätte ich gern die Zeit angehalten. »Nicht dein Ernst?«

      »Klar, warum sonst sollte ich das sagen?«

      »Wer ist es?« Sie fixierte mich mit skeptischem Blick. Denn woher dieser Mann plötzlich kam, konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären.

      »Er heißt Philipp und ist stolze fünf Jahre jünger als ich.« Ich hielt absichtlich damit hinterm Berg, dass es sich hierbei nicht um einen festen Freund handelte, wie Hanna augenblicklich annahm, nur um sie endgültig zu verstören.

      Schlagartig stiegen ihr wieder Tränen in die Augen. Mürrisch schmiss sie den letzten Bissen der Pizza auf den Teller vor ihr. »Du lügst«, murmelte sie erst, und als sie sah, dass ich etwas zu entgegnen gedachte, sprang sie schon wieder vom Sessel, wiederholte ihren Vorwurf, doch nunmehr brüllend, und schloss sich erneut im Badezimmer ein.

      Kurz überdachte ich meine Haltung gegenüber Männern, sie wären zu einfach gestrickt, denn soeben konnte ich nachvollziehen, wie strapaziös eine einzige Frau sein konnte. Vielleicht tat ich Männern Unrecht, vielleicht könnten wir Frauen gar froh sein, dass sie sich wegen Frauen wie Hanna noch nicht reihenweise vom Hochhaus gestürzt hatten?

      Ich meine, wo war denn nun schon wieder der Fehler im System? Allmählich glaubte ich, dass heute nicht der richtige Tag dafür war, ein friedliches Beisammensein zu zelebrieren. Wenn nicht gerade sie diejenige war, die gereizt war, war ich es, und wenn ich nicht diejenige war, war sie es. Ich täte wohl besser daran, nach Hause zu gehen, ehe wir die Messer zu wetzen begännen. Doch zuvor war ich bemüht, das Problem zu klären, damit man mir nicht nachsagen konnte, ich hätte es nicht wenigstens versucht.

      Mit erhobenem Haupt stellte ich mich vor die Badezimmertür und hämmerte laut und entschlossen mit der geballten Hand dagegen. »Hast du zu lange in der Sonne gelegen, oder was?«

      »Und willst du mich jetzt auch noch fertigmachen?«, brüllte sie und heulte bitterlich.

      »Auch?«, rief ich und konnte mir nicht erklären, mit wem sie mich in Parallele stellte.

      »So wie Toniii!«

      Oje, einen kurzen Moment lang war mir doch tatsächlich ihr gebrochenes Herz entfallen. Natürlich wollte sie als Letztes hören, dass jemand anderes eine glückliche Beziehung führte, nachdem dieser Affenarsch gerade mit ihr Schluss gemacht hatte. Da hätte ich auch wirklich von allein drauf kommen können, ich dummes Huhn! Doch das allerschlimmste an der Situation war, dass ich nicht einmal eine Beziehung hatte. So war dieses ganze Geschrei am Ende zu nichts nütze.

      »Komm schon«, quengelte ich, »das ist nicht fair. Du kannst doch anderen nicht in die Suppe spucken, nur weil du gerade unglücklich bist.« Na gut, das klang ein klein wenig abgebrüht, aber wenn ich mir ausmalte, ich hätte tatsächlich einen Mann kennen gelernt und das hier ihre Reaktion darauf gewesen wäre, hätte ich nicht weniger als sie allen Grund dazu gehabt, sauer zu sein.

      »Darum geht es nicht«, schluchzte sie.

      »Nicht? Worum dann?« Ich hörte nur ein kaum wahrnehmbares Zischeln durch die massive Tür dringen. Das hieß wohl, dass sie es unerhört fand, dass ich nicht von allein darauf kam. Auch auf die Gefahr hin, dass sie mir die Freundschaft kündigen würde, machte ich sie darauf aufmerksam, dass ich keine Gedanken lesen konnte.

      »Boah«, motzte sie, »es geht darum, dass du partout erwähnen musstest, dass er fünf Jahre jünger ist als du. Als wolltest du mir damit veranschaulichen, wie jung und dynamisch du noch bist, im Gegensatz zu deiner alten, runzeligen Freundin, deren Kerl sie für eine neunzehnjährige Tussi verlassen hat.«

      Die ganze Aufregung also wieder nur wegen ihres Alterskomplexes? »Mannomann, ich habe mich nur ungünstig ausgedrückt, mehr nicht.« Genervt trat ich gegen die Tür. »Darf ich dir jetzt niemanden mehr vorstellen, der jünger ist als du?«

      »Nein!«

      »Du spinnst ja!«

      »Du hast ja gut Reden, du bist ja gerade erst achtundzwanzig geworden.« Mehr und mehr war ich davon überzeugt, dass ich heute nichts mehr erreichen würde. Sie war dermaßen festgefahren, dass sie auf meinen Beistand nun verzichten musste.

      »Nur zu deiner Information, ich gehe jetzt«, wartete jedoch noch, falls sie es sich anders überlegen und herauskommen würde.

      »Dann geh doch, beste Freundin!« Sie riss die Tür auf, da sie davon ausging, dass ich schon auf dem Weg zum Ausgang war, und brüllte mir versehentlich direkt ins Gesicht: »Du kannst mir den Buckel runterrutschen.« Sie war wie erstarrt und machte ein erschrockenes Gesicht.

      Ich ergriff die Gelegenheit und drängte mich zu ihr ins Badezimmer, ehe sie wieder hinter die Tür flüchten und sich vor mir verstecken könnte. Sie sah nicht erfreut aus.

      »Ich wollte dich doch nur ein wenig auf die Folter spannen, Hanna.«

      »Lass es gut sein.« Sie wandte sich von mir ab und verließ das Badezimmer. Jetzt, da sie nicht mehr allein sein konnte, war es ihr hier anscheinend zu blöd.

      »Kann ich denn vorhersehen, dass du heute so überempfindlich bist und jedes Wort auf die Goldwaage legst?« Ich folgte ihr ins Wohnzimmer, wo sie sich sofort auf ihren heißgeliebten Sessel fallenließ.

      »Entschuldigung, mein Freund hat gerade erst vor ein paar Tagen mit mir Schluss gemacht. Selbstverständlich bin ich überempfindlich.« Okay, okay, da hatte sie ausnahmsweise mal recht.

      Ich blieb im Raum stehen, da ich noch immer fest entschlossen war zu gehen. Nebenher überlegte ich noch, ein Stück Pizza mit nach Hause zu nehmen, obgleich mir der ganze Stress allmählich auf den Magen schlug.

      »Na schön, aber Fakt ist, dass du dich wenigstens etwas zusammennehmen könntest. Das rechtfertigt nämlich nicht, dass du mir mein Glück scheinbar missgönnst.«

      »Das stimmt doch gar nicht. Ich gönne dir sehr wohl einen Freund. Es kommt nur so plötzlich ... und ungünstig.«

      »Er ist doch gar nicht mein Freund«, machte ich lieber ein für allemal klar, damit die schlechte Stimmung endlich ein Ende hatte.

      »Wie bitte?«

      »Denkst du, ich hätte ihn nicht schon längst bei dir erwähnt?« Mir fiel erst jetzt auf, wie unglaubwürdig meine Geschichte eigentlich war. Doch vermutlich hatte Hannas Überempfindlichkeit geradewegs ihre Sinne getrübt, so dass sie außerstande war, es zu durchschauen.

      Sie sah mich ungläubig an. »Was ist er dann?«

      »Mein zukünftiger Mitbewohner.«

      Sie stutzte. »Und warum lässt du mich in dem Glauben, dass es sich um deinen Freund handelt?«

      »Na, weil ich dich auf die Folter spannen wollte?« Machte man das nicht so, wenn man für Verwirrung sorgen wollte? Tja, in diesem Fall war es gründlich in die Hose gegangen.

      Obgleich Hanna trotzdem verwirrt war. »Und wann hast du dir überlegt, einen Typen bei dir einziehen zu lassen?«

      Ich setzte mich nun doch wieder. Um keine weiteren Fehler zu begehen, erzählte ich ihr die ganze Geschichte von vorn. Und Hanna sorgte für eine Überraschung, als sie meiner Theorie, ich könnte mit einem Mann besser auskommen, am