Katie Volckx

Mailys' Entscheidung


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vielen Jahren der Freundschaft. »Kristin hat sie nur vom Auto aus gesehen, und auch ihre Silikontitten und Tonis unnötigen Aufwand beim Bezahlen. Er hat in den höchsten Tönen von ihr gesprochen, obwohl er sie gar nicht kannte. Cäcilia hier, Cäcilia da. Ich hätte es wissen müssen!«

      Sie hätte es wissen müssen? Sollte ich mich darüber wundern, dass Hanna Tonis offene Schwärmerei für dieses Silikonwunder nicht schon vor der Trennung äußerst suspekt gefunden hatte?

      Ich hielt mich besser zurück, denn sie war gerade so in Redelaune.

      »Als er sich von mir getrennt hat, hat er keinen Hehl draus gemacht, dass Cäcilia der Grund dafür ist.« Eine einsame Träne kullerte über Hannas Wange. Sie kniff die Augen kurz und fest zusammen. »Was hat sie, was ich nicht habe?« Sie sah an sich herunter und zeigte mit beiden Händen auf ihre Brüste. »Ich habe genauso viel wie die! Also habe ich ihn direkt gefragt. Das hätte ich lieber nicht machen sollen.« Von Neuem platzte sie los, noch viel herzergreifender als die Male davor.

      Ich blieb stumm, ließ ihr die Zeit, sich wieder zu fangen, auf dass sie mit der Geschichte an der Stelle fortfahren konnte, an der sie diese unterbrochen hatte. Um mich zu beschäftigen, nahm ich mein Glas auf. Mehr als ein Nippen traute ich mir nach wie vor nicht zu. Doch unverhofft stellte ich fest, dass ich die Süße des Weins nun sehr angenehm fand. An den Geschmack konnte ich mich glatt gewöhnen.

      Mit zitternder, aufgeregter Hand füllte sie ihr Glas ein drittes Mal bis oben hin, nahm es zur Hand und sprach mit einigen Schluchzern mittendrin weiter. »Er schwärmte von ihrem neunzehnjährigen, knackigen Hintern. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass sie fünfzehn Jahre jünger ist als er, aber er nennt das schlicht Herausforderung.«

      Sie prostete mir zu, da ich noch immer mein Glas in der Hand hielt. Ich nippte weiterhin, während sie ihr Glas bis zur Hälfte leerte. Allmählich war ich ernsthaft besorgt.

      Was Toni genau unter Herausforderung verstand, war mir ein Rätsel. Wie viel Mühe kostete es schon, mit Geldscheinen offen vor Cäcilias niedlichem Püppchengesicht herumzuwedeln, nur um sie langfristig für sich zu begeistern? Außerdem war nicht zu übersehen, dass er die Sorte Mann war, die sich nur solange reinkniete, bis seine Beute ihm willenlos verfiel. Danach war jeder Reiz verflogen. Genuss empfand er lediglich im Zusammenhang mit unverbindlichen Kontakten. Denn um ehrlich sein, war Hanna schon eine echte Wucht. Ihre Augen waren rund, offen und honigbraun, ihre Haut war selbst in der Winterzeit leicht gebräunt (ohne dafür etwas tun zu müssen, versteht sich) und butterweich, sie war fünf Zentimeter größer als ich (mit ihren sieben Zentimeter hohen Keilabsatz-Sandaletten, die sie den Sommer über fortlaufend trug, überragte sie mich allerdings um stolze 12 Zentimeter), hatte damit endlos lange Beine, eine Figur wie ein Topmodel, nur mit der Ausnahme, dass sich die Rundungen dort zeigten, wo sie auch hingehörten, und war geschmeidig wie eine Katze; ja sogar in ihrem gegenwärtigen Zustand – meistens. Sie war das, was man im Volksmund eine Märchengestalt nennt, zu schön, um wahr zu sein. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte: es lag weder an ihrem Alter noch an ihrem Erscheinungsbild, dass Toni sie sitzengelassen hatte. Es lag ganz allein an dem Affenarsch selbst. Anderenfalls hätte er längst erkannt, dass es ihn besser als mit Hanna nicht hätte treffen können.

      Ich fuhr mir vorsichtig über meine gepuderte Stirn. Eine Geste, die meine nervliche Anspannung durchblicken ließ. Mit mitleidigem Blick begutachtete ich das Häufchen Elend mir gegenüber. Ich suchte nach Worten, doch es kamen mir nicht die richtigen in den Kopf. Ich wusste natürlich, dass ich sie aufbauen müsste. Ich war nur völlig außer Fassung geraten, weil sie sich selbst so viel vormachte und nicht von selbst sah, wie irrational ihre Sicht der Dinge war. Derart platt kannte ich sie gar nicht, wenngleich sie schon immer eitel und ihr Männergeschmack recht primitiv gewesen war. Es schien mir fast, als wäre sie gar nicht darauf aus, etwas Festes zu finden, als würde sie selber nur nach Abenteuern suchen, um sich nicht festlegen zu müssen. Sich festzulegen, bedeutete nämlich auch, dafür ein kleines Stück von sich selbst aufgeben zu müssen.

      »Willst du denn gar nichts dazu sagen?«, ermahnte Hanna mich jetzt und schaute mich erwartungsvoll an.

      Ich war wie aufgerüttelt, schwenkte meinen Blick hysterisch über ihre gesamte Gestalt. Dabei fiel mir auf, wie zuckersüß sie in diesem Augenblick aussah: kindlich, fragil und unbescholten, wie das fünfzehnjährige Mädchen, das ich einst kennen gelernt hatte. Statt Empathie, löste ihr Anblick in mir das große Bedürfnis aus, in schallendes Gelächter auszubrechen.

      Ich tat mich schwer, das Schmunzeln zu verbergen, gab mir wirklich die allergrößte Mühe.

      Mein Kinn zuckte.

      Und jetzt auch noch meine Unterlippe.

      Wie kam ich da bloß wieder raus? Sie musste ja denken, dass ich mich über sie lustig machte? Wie sollte ich ihr denn verständlich machen, dass sie im Moment bloß zum Abknutschen goldig aussah, weiter nichts? Natürlich war der Zeitpunkt der denkbar schlechteste …

      Hanna unterbrach meinen Gedankenzug: »Ziehst du mich etwa ins Lächerliche?« Sie hatte mich ertappt.

      »Entschuldige bitte«, überschlug ich mich beinahe vor Freundlichkeit, »das kommt dir nur so vor.« Ich konnte diese Worte gerade einigermaßen flüssig aussprechen, da prustete ich auch schon los. Mir stiegen die Tränen in die Augen. »Sorry«, warf ich atemlos dazwischen. Mein ganzer Körper vibrierte, fühlte den klebrigen Wein über meine Finger laufen und von dort aus in meinen Schoß tropfen. Ich versuchte, das Glas gerade zu halten, kam erst auf die Idee, es auf den Tisch abzustellen, als sich schon ein Drittel des Inhalts in meinen knielangen schwarzen Rock eingesogen hatte. Da jetzt eh alles egal war, wischte ich mir auch noch die Hand daran trocken.

      Erwartungsgemäß fand Hanna das nicht lustig. Ihr schien der Appetit an ihrem Wein vergangen zu sein. Sie donnerte das Glas auf die Tischplatte, fuhr vom Sessel auf und trampelte wie eine Neunjährige über den knarzenden Dielenboden ins Bad.

      BAM! Die Tür war zu.

      Normalweise sollte ich mich spätestens jetzt beruhigt haben, aber weit gefehlt: es gelang mir mehr schlecht als recht, meinen Lachanfall hinunterzuwürgen.

      Je länger Hanna sich im Bad aufhielt, desto mehr Zeit hatte ich, mir Gedanken darüber zu machen, wie peinlich ich mich benommen hatte. Das musste der Wein gewesen sein, anders konnte ich mir das nicht erklären. Verflucht sei dieser!

      Sollte ich mal anklopfen? Eine Entschuldigung war jedenfalls fällig. Doch würde sie mir diese überhaupt abkaufen, nachdem ich noch vor einigen Sekunden an zwei Entschuldigungen kläglich gescheitert war? Es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als es herauszufinden.

      Zaghaft klopfte ich an die massive Badezimmertür und legte mein Ohr ans Holz, um ein Geräusch zu erhaschen.

      »Hau ab!«, brüllte sie und schluchzte extra bitter.

      Ich schreckte einen Schritt zurück. »Hannaaa ...«, klang ich nach hintenheraus reumütig, »es tut mir wirklich leiiid.«

      »Scher dich zum Teufel, du Möchtegern-Nonne!«

      Hach, wie ich ihre Wortspiele liebte. Ich lächelte und wusste, dass sie mir nicht ernsthaft böse war. Sie war darauf aus, sich ein bisschen zu fetzen, nur um ihren Frust zu entladen.

      »Da komme ich noch früh genug hin«, rief ich. »Sag mir lieber, wie lange du da noch schmollend drin bleiben willst? Dann hole ich uns in der Zwischenzeit nämlich eine Pizza.« Ich dachte an Ferruccios Pizzeria, die eine Viertelstunde von hier entfernt lag. Für eine Pizza von Ferruccio würde ich allerdings auch bis ans Ende der Welt gehen.

      Es dauerte eine kleine Weile, bis Hanna antwortete. »Die haben doch auch einen Lieferservice.« Das hieß, dass sie eine Pizza für eine gute Idee hielt. Anderenfalls hätte ich mir diese in den Hintern schieben können. Und ihre Stimme klang auch schon viel verträglicher.

      »Ich weiß, aber ich dachte, wir könnten beide eine Atempause gebrauchen ...«

      »Die Telefonnummer hängt an der Pinnwand über dem Schreibtisch«, machte sie unmissverständlich klar, dass sie jetzt nicht allein gelassen werden wollte. Doch warum blieb sie dann weiterhin im Badezimmer?

      Ich