Katie Volckx

Mailys' Entscheidung


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doch was blieb ihm weiter übrig? Er wollte dieses Zimmer – um jeden Preis!

      »Du hast mit dem Sie angefangen ...« Er stutzte, denn er war sich nicht sicher, ob er meinen Vornamen kannte. »Wie … wie heißt du?«

      Ich stellte mich mit Heidi vor und wartete auf eine dieser spöttischen Reaktionen auf meinen Namen.

      Zunächst grinste er nur. Dann: »Oh, ein neuer Stern am Modelhimmel«, amüsierte er sich köstlich.

      Hatte er mich gerade mit einem Model verglichen? Ich fühlte mich gründlich verkohlt. Ganz bestimmt war ich nicht darauf aus, mich kleiner zu machen, als ich war, doch ich war schon sehr unscheinbar, wog bei einer Größe von einhundertdreiundsiebzig Zentimetern vierundsechzig Kilo, hatte zu wenig Brust, dafür einen Tick zu viel Hintern (wenngleich ich persönlich der Überzeugung war, dass die Unstimmigkeiten im Bereich des Erträglichen lagen), hatte einen breiten Kiefer und meine Füße neigten dazu, beim Gehen nach innen zu zeigen.

      Zweifellos war mir das noch nie passiert. »Willst du das Zimmer nun haben?«, machte ich meinem Unmut Luft.

      »So habe ich das nicht gemeint.« Nervös rutschte er mit dem Hintern auf dem Polster hin und her. »Ich finde dich wirklich nicht zu dick. Es ging mir rein um den Namen.« Ich merkte ihm an, wie es ihm gemächlich dämmerte. Wie konnte er auch annehmen, dass er der Einzige war, dem zu meinem Namen etwas so Glorreiches eingefallen war?

      Ich ließ ihn in dem Glauben, dass ich ihm das Fettnäpfchen, in das er ungewollt getreten war, krummnahm, da er sich, meiner Einschätzung nach, seiner viel zu sicher fühlte.

      »Eigentlich erwarte ich noch eine Interessentin.« Lena, Lana oder Lene würde sich hier wohl nicht mehr blicken lassen; das war die unbequeme Wahrheit.

      »Meinst du Jane?«

      Ich schenkte ihm ein verwirrtes Blinzeln. Nicht nur, dass er Bescheid zu wissen schien, noch dazu kannte er den richtigen Namen der vorletzten Interessentin. »Hast du Jane um die Ecke gebracht, damit du ihre Stelle einnehmen kannst, oder was?«

      Er lachte gellend auf.

      Und ich zuckte zusammen.

      Sofort schoss mir 007 von unter mir durch den Kopf. Mir fiel wieder ein, dass er allzeit die Flöhe husten hörte. Mich hätte es also keineswegs gewundert, wenn es in der nächsten Minute an meiner Tür klingeln würde. Tat es aber nicht.

      Endlich hatte Philipp sich wieder beruhigt. »Ich habe das Mädchen abgefangen und erklärt, dass das Zimmer bereits vermietet ist ... an mich.« Wieder kam dieses jungenhafte Lächeln zum Vorschein. »Sie war ein bisschen sauer auf dich, aber irgendwann geht auch das wieder vorbei.«

      Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich an die Decke gehen oder mich geehrt fühlen sollte. Ich entschied mich für irgendetwas in der Mitte. »Du kannst doch nicht einfach über meinen Kopf hinweg entscheiden ...«

      Er war risikobereit und unterbrach mich: »Sie hätte nicht zu dir gepasst!«

      »Ach, und du schon?« Meine Stimme überschlug sich und ihr Klang glich beinahe meiner Türklingel.

      »Jungs sind viel pflegeleichter«, glaubte er offenbar, dass es kein schlagenderes Argument gab.

      Der ganze Austausch gestaltete sich allmählich immer komplizierter. Ich wollte Fakten und ging daran, ihn gründlich und konzentriert auszufragen.

      »Wie bist du an meine Adresse gekommen?«, schließlich war diese in der Tageszeitung nicht abgedruckt.

      »Ich habe meine Schwester gebeten, sich für Ramona auszugeben, nachdem du mich unberührt hast abblitzen lassen.«

      Ich versuchte, mich nicht künstlich aufzuregen und nickte die Antwort nur ab. Zuletzt war ich nur froh darüber, dass er kein Spion oder gar ein Stalker war.

      Im Kopf machte ich also einen grünen Haken hinter Ramona!

      »Wie alt bist du?«

      »Dreiundzwanzig.« Er wirkte unverkrampft und ging bravourös mit meiner Vernehmung um.

      Schade, dachte ich, er ist ja noch ein Kind! »Was machst du beruflich?«

      »Ich bin im dritten Jahr meines Medizinstudiums.«

      Oh, er war also ein angehender Arzt. Kurz überrechnete ich die Jahre, die er in etwa benötigen würde, um seinen Facharzt in der Tasche zu haben. Dabei wäre es weitaus interessanter gewesen, von was im Fall der Fälle er gedachte, die Miete für das Zimmer zu bezahlen.

      »Na, ich bekomme Unterhalt von meinen einkommensstarken Eltern. Und außerdem jobbe ich abends als Barkeeper.«

      Barkeeper erzeugten in mir überwiegend ein unangenehmes Gefühl. Nicht, dass ich viele kennen würde (ich ging nicht aus in Bars), aber ihr Ruf eilte ihnen nun einmal voraus.

      »Hast du eine Freundin?« Ich musste das fragen, denn ich wollte mich darauf einrichten, wer künftig innerhalb meiner Privatsphäre verkehren würde. »Oder bevorzugst du mehr noch wechselnde Partner?« Okay, okay, ertappt, das interessierte mich auch ganz persönlich. Und er schien das auch zu bemerken. Deshalb fügte ich hintendran: »Ich bestehe nämlich darauf, dass es hier so ruhig und stressfrei wie möglich zugeht und will nicht das Gefühl haben, mein Leben wäre eine einzige Party«, auch wenn sich das für ihn sterbenslangweilig anhörte.

      Er schmunzelte. Ein wenig verlegen sah er dabei aus, was in mir erneut das Gefühl auslöste, ich wäre seine Erziehungsberechtigte.

      »Ich habe keine Zeit für eine Freundin. Ich lebe für die Arbeit.« Er wies mich darauf hin, dass er in seiner Freizeit zumeist schlief und dass ich erstaunt wäre, wie selten ich ihn zu Gesicht bekäme. Das beruhigte mich einigermaßen.

      Dann beschloss ich, mich nicht weiter wie eine alte Glucke aufzuführen. Letztendlich hatte ich nicht vor, Philipp zu erziehen, sondern einen Mitbewohner zu finden, der zu mir passte. Es fiel mir auch nicht länger schwer, mich auf ihn einzulassen, denn die Chemie zwischen uns stimmte.

      Ich erlöste ihn und klärte ihn dafür über die Wohnsituation auf. Eigentlich gab es fast gar keine Bedingungen. »Mein Schlafzimmer ist tabu. Es gibt keine Haushaltskasse – jeder sorgt für sich. Den Kühlschrank unterteilen wir. Es gibt keinen Putzplan, denn jeder ist für sich verantwortlich.« Mehr wollte mir zunächst nicht einfallen.

      »Heißt das etwa, ich bekomme das Zimmer?« Es schien ihm jede Bedingung recht zu sein, wenn er dafür nur dieses Zimmer bekäme.

      »Tja, ich schätze schon.« Ich war selbst von mir überrascht, denn es war ein viel zu spontaner Entschluss. Ich fürchtete, dass ich diesen eines Tages bereuen könnte, aber im Moment fühlte es sich schlichtweg richtig an.

      Er war sprachlos. Hatte es doch anfänglich nicht danach ausgesehen, dass ich, die spröde Klosterfrau, aufgeschlossen genug für neue Wege sein könnte.

      »W-w-wann darf ich einziehen?«, stammelte er vor Begeisterung, wirkte so, als müsste er sich beherrschen, mir nicht um den Hals zu fallen. Es bestärkte mich darin, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

      »Zum ersten Juli.« Das war in einer Woche. »Inzwischen mache ich den Mietvertrag fertig und sorge dafür, dass alles geregelt ist.«

      ***

      Genervt schleuderte ich die beiden Taschen mit den Lebensmitteln auf die Ablagefläche der Küche. Es schepperte einmal kräftig, und ich hoffte, dass die Einweckgläser heil geblieben waren. Gleichzeitig klingelte unermüdlich das Telefon. Es hatte bereits geklingelt, als ich zur Tür hereingekommen war. Ich blieb hart und ging nicht dran, denn im Moment hatte ich nur ein einziges Ziel: die tiefgefrorene Pizza Funghi in den Ofen zu schieben und dann mir in den Mund. Nichts und niemand könnte mich jetzt davon abhalten!

      Während die Pizza im Ofen endlich aufbuk, sortierte ich alle anderen Lebensmittel ein. Nur den Streukäse, den ich später zusätzlich auf die Pizza geben würde, ließ ich auf der Ablage liegen. Ich inspizierte den Kühlschrank von oben bis unten. Sollte ich besser kleine Namensschilder vorn an den Gittereinsätzen anbringen,