Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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beinander…“

      „Eh klar – na und?“

      „Egal, hör mir zu: Ich hab' heut ein paar geschäftliche Dinge erledigt und ich brauch dich morgen unbedingt, um ein paar Sachen in die Wege zu leiten…“

      „Wo biss’n du, Luis?“, fragte Frasther, der aus dem Kauderwelsch nicht schlau wurde.

      „Na, daheim wieder, im Moment. Und wo bist du genau, wenn ich fragen darf?“

      „Mit’m Bertl bei da Chefin...“

      „Na, habe die Ehre.“

      „Der Charley is' heut überfall’n wor’n, da staunss’du, was?“

      „Charley? Du meinst 'Charley’s Kneipe'? Überfallen?“

      „Sag' ich doch, Luis.“

      „Verdammt, wer war das? Warst du drin? Ging's gegen dich? Waren’s die Russen?“, der Luis wurde augenblicklich wieder hektisch.

      „Nä, keine Russ'n, irgendwelche Bsuff, junge Rotzaffen…“

      „Bist du dir da ganz sicher, Frasther? Ich mein', dass die nix mit unseren Freunden zu tun haben?“, bohrte der Prag-Luis weiter.

      „Sicher bin ich sicher, Mann! Ham’ die Kerle ja schließlich zusammengefaltet nach allen Regeln der Kunst, der Bertl und ich! Komplette Anfänger, war'n das, Nudlaugen, sag' ich dir!“

      Das schien den Luis jetzt halbwegs zu beruhigen. „Du kommst bitte zu mir, wenn du mit saufen fertig bist, Frasther! Kannst deinen Rausch hier ausschlafen – ich brauch' dich morgen unbedingt. Und zwar in fittem Zustand!“

      „Schon klar, lass mal Luft ab, Luis…“

      „Also dann, klingel einfach, wenn du da bist, die Jacky macht dir dann auf! Bis später!“

      Und wieder dauerte es eine Weile, bis Frasther dämmerte, dass das rote Hörer-Symbol vielleicht das Zeichen für „Auflegen“ war. Derweil er telefoniert hatte, hatte der Bertl wieder zwei Schnäpse bestellt – nein, korrigierte er sich, das waren keine Schnäpse, das waren Tequilas. Die Zitrone war ein untrügliches Zeichen. Sie prosteten sich zu und leerten das Zeug runter.

      „Wo waren wir stehengeblieben, bevor diese Nervensäge angerufen hat?“

      Bertl starrte Frasther mit glasigem Blick an: „Das weiß ich jetz' auch nich' mehr… egal. Ich wusste gar nicht, das du'n Handy hast…“

      „Hat mir der Luis gegeben, damit ich immer für ihn erreichbar bin – der Blade steht auf mich, weißt?“, grinste Frasther und verstaute das Ding umständlich in der Jacke.

      „Das nimmt noch ein dickes Ende mit dem Prag-Luis, das sag' ich dir“, murmelte der Bertl in verschwörerischem Tonfall.

      „Wie meinst’n das?“

      „Na, schau ihn dir doch an – ein dünnes Ende kann's mit dem ja wohl nicht geben!“, brüllte der Bertl und prustete los. Sofort verstand Frasther den Schmäh und fiel mit dröhnendem Gewieher in das Gelächter ein.

      Etliche Bier, Schnäpse und Tschicks später baute sich auf einmal die Chefin wie der drohende Schatten eines Giganten vor ihnen auf: „So, ihr beiden, letzte Runde! Geht aufs Haus, aber dann ist Schluß für heute!“

      „Wie spät…“, gragölte* Bertl, der bereits Mühe hatte, sich auf dem Barhocker zu halten.

      „Is' doch wurscht wie spät oder musst' zuhause nach Mutti… oder so…?“, stammelte Frasther, der sich schlauerweise schon seit geraumer Zeit auf dem Tresen aufstützte, um seinen Gleichgewichtssinn ein wenig zu schonen.

      „Es ist kurz nach vier und spätestens um fünf lieg' ich in meinem Bett, also könnt ihr euch ausrechnen, wie schnell ihr fertigsaufen müsst.“ Grimmgrids Tonfall ließ keinen Widerspruch zu und so beeilten sich die beiden, nach ihren Gläsern zu greifen und eifrig auszutrinken.

      „Wie mach'ma denn das mit dem Heimfahren, magst bei mir pennen?“, erkundigte sich der Bertl. Gleichzeitig versuchte er, sich einen Tschick aus der Packung zu angeln und tat sich unheimlich schwer damit.

      Frasther saß, am Tresen aufgestützt, auf seinem Barhocker und beobachtete die Chefin, wie sie hinter der Theke aufräumte, putzte und wischte. Dabei gab er sich ganz dem schummerigen Duselgefühl in seinem Kopf und der leichten Linksrotation seiner Optik hin. Er sinnierte über Bertls Frage nach. „Der Luis hat gemeint, wir soll'n bei ihm auftauchen, wenn wir hier fertig sind…“

      „Ahso? Ich auch? Was will er denn von mir, der Klops?“

      „Keine Ahnung, aber der hat sicher noch was zum Trinken im Kühlschrank…“

      „Glaubs’ du, der Blade is' happy wenn wir da jetzt noch beide reinschneien?“

      „Mir doch wurscht, ob der happy is'… er wollte, dass ich noch vorbeikomm', also komm' ich noch vorbei. Und weil ich dein Schofff… dein Fahrer bin, wirst du wohl oder übel mitkommen müssen.“

      So verabschiedeten sie sich von der Chefin und torkelten mit schwerem Seegang aus dem 'Chicago Café', Bertls schrottiger Japsenkarre entgegen. Der Bertl hatte es mit den ganzen Promille im Schädel nicht mehr so ganz im Aug', mit den Krücken zu laufen und wäre ohne Frasthers Hilfe einige Male arg auf der Fresse gelandet. Doch als sie in der Karre saßen und in Richtung von Prag-Luis' Villa fuhren, begannen sie im Überschwang des Alkohols, laut und ausgelassen schmutzige Lieder zu singen.

      9 – Geschäftstermin

      Irgendwann erwachte Frasther. Das Erste, das ihm auffiel war, dass alles um ihn herum ziemlich weiß zu sein schien. Gemurmel und Geflacker – da war also eine Glotze. Schummeriges Licht, leises Geschnarche. Das Geschnarche kam von einem Kerl mit Gipsbein – aha, der Bertl. So langsam begann Frasthers Gehirn wieder zu arbeiten. Der edlen Couch nach zu urteilen, auf der sie beide lagen, befanden sie sich in des Prag-Luis' Gemächern. Nur wie er hierher gekommen war, daran konnte er sich nicht erinnern. Naja, das würde dann schon über kurz oder lang wieder kommen.

      Frasther streckte sich, gähnte herzhaft und begann, sich langsam hochzurappeln. Wie es schien, hatte er in einer zusammengekrümmten Position geschlafen, denn sein Nacken fühlte sich ein wenig verspannt an und schmerzte. Er seufzte, setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Schiffen musste er dringend, stellte er fest, er hatte bereits einen richtigen Wasserharten in der Hose. Er sah sich nach seiner Jacke um, denn da müssten die Tschick drin sein. Die Jacke war nirgends zu sehen, aber auf dem Tisch lag noch ein halbvoller Pack, der Sorte nach Bertls Glimmstängel. Er schnappte sich einen, zündete ihn an und sog genüsslich den Rauch ein.

      Der Bertl grunzte kurz im Schlaf, als die Nikotinwolke ihren Duft entfaltete. Friedlich sah er aus, wie er so im Alk-Koma dalag, der Glatzkopf mit dem rattenartigen Schnauzer. Nur blöd, dass Bertl offenbar billige Polyesterhemden trug, denn das Ding war von den Achselhöhlen ausgehend fast vollkommen durchgeschwitzt. Der Knabe würde in seinem eigenen Saft schmorend erwachen, grinste Frasther und trabte davon.

      Er fand das Scheißhaus; da der Tschick bereits seine verdauungsfördernde Wirkung tat, beschloss er, gleich eine anständige Sitzung abzuhalten. Ärgerlich nur, dass der Prag-Luis auf seinem Scheißhaus keine Motormagazine herumliegen hatte, in denen man während der Thronzeremonie ein wenig blättern konnte. Mit den ganzen Kultur-Drecksblättern, die hier herumlagen, konnte Frasther rein gar nichts anfangen – was tat der Luis mit einem Spielplan der Oper, bei allen Geiern?

      Und auch hier wieder ein dämliches Bild an der Wand: Rechteckig, sehr schmal und hoch, weiß mit lediglich vier bunten Klecksen unten, von denen ausgehend sich haarfeine, ebenfalls bunte Linien schnurgerade über das ganze Bild zogen. Ganz unten links, winzig klein, eine unleserliche Unterschrift. Er kniff die Augen zusammen, konnte das Gekritzel jedoch nicht entziffern.

      Ha, dachte er sich, jeder verdammte Volksschüler, der fähig war ein Lineal zu halten, konnte dieses sogenannte Bild nachzeichnen. Er schüttelte den Kopf, saugte an seinem Tschick und entspannte die Schließmuskulatur.

      Als