Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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aus!” Sie stießen an und leerten die letzten Schlucke Whiskey mit einem Zug, dann drehte sich Zurnfried um und schwankte in den Verkaufsraum hinaus.

      „Was hältst du davon, wenn wir einen Jass* herunterreißen, Frasther? Wir suchen noch einen vierten Mann…?“, fragte Sigi vorsichtig. Frasther, der inzwischen schon in einem sehr angenehm beduselten Zustand durch die Fahrwasser des Lebens kreuzte, zündete sich einen Tschick an und verkündete: „Von mir aus! Pro Spiel Zehn, alle drei zwanzig extra, Schneider zehn; Paarung per Sau und wer anzeigt, kriegt's mit meiner Faust zu tun!”

      Sigi und Haube nickten stumm; Günther hatte ein Päckchen Karten hervorgezaubert und mischte bereits wie ein Verrückter: „Was heißt, zwanzig extra? Das kann ich nie legen, sollte ich verlieren…”

      „Dann verlier halt nicht!”, schnauzte Haube ihn an.

      „Nur Schneider extra, das muss reichen!”, fauchte Günther zurück.

      „Sind wir hier im Kindergarten, oder was?”, mischte sich Frasther erbost ein.

      „Was heißt hier eigentlich, bei drei Gewonnenen? Normalerweise reichen schon zwei…”, faselte Haube.

      „Und wenn’s eins-eins steht?”, nölte Sigi.

      „Dann kann's keine drei Gewonnenen geben, der Herr!“, schnappte der Bsuff zurück.

      „Ich bin kein Millionär, drum kann ich mir das nicht leisten, klar? Und hab' auch keine Lust drauf, von jemandem eine poliert zu kriegen, nur weil ich ihm wegen sowas Geld schulde und drum sag’ ich: Zehn pro Spiel, nix extra bei drei, Schneider zehn!”, begehrte Günther auf.

      „Ehrlich gesagt, das wäre für mich in Ordnung, denn ganz so dick hab' ich’s nun auch wieder nicht…”, warf Sigi ein.

      „Muschis, verdammt, mit Muschis muss ich hier spielen! Habt ihr’s nun ausverhandelt, gilt das?”, höhnte Frasther.

      Kurze Zeit später war das Spiel in vollem Gange; Frasther spielte mit Sigi zusammen, Haube mit Günther. Dietmar und Walter saßen am Nebentisch und laberten immer noch aneinander vorbei; sie beobachteten jedoch mit einem Auge das Spiel, das sich recht schnell zu einer ernsten Angelegenheit entwickelte. Unter lautem Kommentar wurde eine Karte nach der anderen ausgespielt, mit wilder Mimik und noch wilderer Gestik jeder Wurf diskutiert und jeder Spieler knallte sein Blatt, so er denn ein g'scheites hatte, laut klatschend auf den Tisch. Die ersten beiden Spiele gingen für Frasther und Sigi knapp verloren, das dritte gewannen sie jedoch, indem sie ihre Gegner schneiderten. Das Gezeter, das daraufhin losbrach, dauerte einige Minuten. Frasther sah sich zweimal im Verlauf dieses Streitgesprächs gezwungen, Haube mit einem eindeutigen Ausholen seiner Schlaghand „Gusch“* zu signalisieren.

      Zwischendurch steckte Zurnfried allemal wieder seinen Kopf herein, um Frasther noch ein Bier hinzustellen und sich über die vielen Idioten, die ausgerechnet jetzt tanken kommen mussten, zu beschweren. Frasther wurde immer stinkiger. Es nagte natürlich an seinem Ego, gegen zwei so verlauste Bsuff immer knapp, aber doch zu verlieren. Er hatte seinen Partner Sigi argwöhnisch beobachtet und keinen Fehler an dessen Art zu spielen entdecken können; seine eigene Spielweise stand sowieso außer Zweifel. Also musste es daran liegen, dass diese beiden einfach heute das Quäntchen mehr Glück hatten und gerade das stieß ihm besonders sauer auf. Man einigte sich dennoch auf ein weiteres Spiel.

      Doch auch beim zweiten Spiel lief es nicht gerade rund für Frasther und Sigi; die erste Runde konnten sie mit Ach und Krach gerade noch gewinnen, doch die zweite verloren sie bereits deutlich und in der dritten schafften sie es gerade eben mal, nicht im Schneider zu landen. Frasther kochte innerlich, als er seine vierzig Kröten auf den Tisch blätterte. Er beschloss, erstmal schiffen zu gehen, erhob sich wortlos und trabte in Richtung Scheißhaus davon. Nachdem er einige Liter frisch durchgeronnenes Bier abgeladen hatte, knöpfte er sich die Hose zu und trachtete, das Scheißhaus wieder zu verlassen, da öffnete sich die Türe von außen und ein übers ganze Gesicht grinsender Haube trat ein.

      „Nimm's dir nicht zu Herzen, das nächste Mal gewinnt ihr wieder – wenn ihr besser spielt!”, sein Grinsen wurde noch breiter und er setzte an, sich an Frasther vorbei in Richtung Pissoir zu schieben. Doch Frasthers mächtige Pranke, die sich um sein Genick schloss, verhinderte dies. Haube fiepte in Panik auf wie ein Meerschweinchen. Er bekam gerade noch mit, wie sich seine Fresse plötzlich ruckartig auf den Spiegel des Aliberts, der über dem Handwaschbecken hing, zubewegte. Dann knackte es, klirrend ging der billige Spiegel zu Bruch. Haubes vom Saufen grobporige Haut mit den vielen geschwollenen Äderchen drin platzte auf wie eine überreife Blutwurst. Frasther ließ das Genick des Bsuff wieder los und sah befriedigt, dass dem Mistkerl das blöde Grinsen vergangen war, als dieser zu Boden ging. Infolge des hohen Alkoholgehaltes blutete er wie eine Sau, etliche feine Splitter des Spiegels hatten sich in seine Gesichtshaut gebohrt. Da würde der Scheißer eine Beschäftigung haben, wenn er wieder aufwachte, dachte Frasther befriedigt.

      Es wollte sich sowieso vom Acker machen – Zurnfried hatte keine Zeit, um mit ihm zu saufen und die anderen nieveaulosen Hohlköpfe interessierten ihn einen Dreck. Also verabschiedete er sich und fragte in die Runde, ob wohl jemand in Richtung Vorstadt führe, entweder in Richtung 'Charley's Beiz' oder gleich in sein Viertel.

      Dietmar bot an, ihn bis zum 'Charley's' mitzunehmen.

      „Wo bleibt denn der Haube so lange, verdammt? Aufm Scheißhaus eingeschlafen?”, fragte Sigi mit verwundertem Blick in Richtung Scheißhaustür.

      „Der hält ein kleines Nickerchen und denkt darüber nach, ob es schlau ist, einem ehrlichen Verlierer eine blöde Goschn anzuhängen”. informierte Frasther ihn.

      „Ah, so. Na, dann müss'ma halt an Dreier spielen“, sagte Sigi nur.

      8 – Überfall

      Während der Fahrt zum 'Charley's' informierte Dietmar ihn über die neuesten Entwicklungen in der Regionalliga, was Frasther einen Scheiß interessierte. Doch für die knappe halbe Stunde Fahrzeit, die mit einem Taxi ein kleines Vermögen verschlungen hätte, erlaubte er dem frustrierten Druckereiarbeiter, ihn mit seinen Ideen bezüglich Aufstellung, Taktik und Einkaufspolitik zu langweilen. Schließlich überraschte Dietmar ihn aber doch noch, indem er seinen schepprigen, alten Alfa mit einer eleganten Neunziger direkt vor dem Eingang zum Lokal zum Stehen brachte.

      Es war schon ein Stück nach Mitternacht, schien nicht mehr viel los zu sein; neben dem Auto des Wirts stand nur ein einziger, heruntergekommener Blechhaufen auf dem Parkplatz. Frasther war sich jedoch sicher, dass er Charley noch zu einem Bierchen oder zwei überreden könnte und so öffnete er frohen Mutes die Kneipentür.

      Da kam ihm ein Prolet in hohem Bogen rückwärts entgegengeflogen. Von drinnen war ein Krachen und Gebrüll zu hören. Hier stimmte etwas nicht – Frasthers Nervensystem schaltete in Windeseile in den Kampfmodus um. Trotz des vielen Whiskeys waren seine Reflexe voll da und so fing er den jungen Kerl geschickt ab und ließ ihn sanft zu Boden. Der Typ blieb liegen und machte keinen Rührer mehr. Eine kurze Analyse der zerschlagenen Schnauze des Knaben vermittelte Frasther die Gewissheit, dass der Kerl wahrscheinlich schon K. o. gewesen war, als er im freien Flug in Richtung Ausgang unterwegs gewesen war. Er spürte Adrenalin und Testosteron durch seinen Körper dampfen. Geduckt und im Zickzack stürmte er vorwärts und erkundete dabei die Umgebung: Charley, der Wirt, lag zusammengesackt über dem Tresen – höchstwahrscheinlich bewusstlos gehauen. Das ging schon mal gar nicht, dachte Frasther grimmig. Außer dem Jungen an der Tür und Charley lag noch ein Bewusstloser herum, um den die Trümmer eines Barhockers verteilt lagen.

      Sonst schien niemand mehr im Lokal zu sein, bis auf einen Pulk von drei Personen, die vor der Tür zum Scheißhaus in ein wildes Gerangel verwickelt waren. Frasther sah einen Kerl mit Gipshaxe, der sich mit einer Krücke in der Hand verbissen gegen zwei Angreifer zur Wehr setzte. Die Typen waren noch jünger, Mitte bis Ende zwanzig vielleicht, mit schwarzen Lederjacken und gammligen Jeans, versandelte Möchtegernrocker also. Und der Kerl, der wie ein Berserker seine Krücke schwang und sich die beiden damit vom Leib hielt, war der Bertl.

      Frasther machte einige flinke Schritte, schnappte sich unterwegs einen Stuhl und drehte sich dabei im Laufschritt um