Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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zu dem Ergebnis: Vielleicht.

      „Was'n los?“, fragte Adi mit Grabesstimme. Das Sprechen schien ihm schwerzufallen, Frasther beobachtete sein Gesicht und gewann den Eindruck, dass das Formulieren der einzelnen Worte seine ganze Konzentration beanspruchte. Die Schnepfe blickte verunsichert zwischen Frasther und Adi hin und her.

      „Äh… der hat dem Buben eine aufg'legt…“, stammelte sie. Im Hintergrund war ein leises Stöhnen zu hören, als das Bürschchen sich langsam wieder aufrappelte.

      „Du tust mir also meine Gäste verhauen, du“, wandte sich Adi mit seiner tiefen, kehligen Stimme an Frasther. Der wunderte sich, wie munter und fröhlich Adi dreinblickte; die wachen, schelmischen blitzenden Augen passten gar nicht zum Rest des Kerls. Er schien ganz gelassen.

      „Wenn deine Gäste so ausgemachte Trotteln sind wie der da, dann ja!“, stand Frasther mannhaft zu seiner Tat.

      „Prinzipiell ist mir das wurscht, aber seid doch so nett und geht das nächste Mal nach draußen zum Spielen, in Ordnung? 'könnt ja gern wieder hereinkommen, wenn ihr fertig seid, aber hier im Lokal kann ich das nicht durchgehen lassen, klar?“

      Adi holte schnaubend Luft und stemmte seine gewaltigen Tatzen in die Seiten. Er stand Frasther, nur durch den Schanktresen getrennt, direkt gegenüber und warf einen Mordsschatten.

      „Is' doch viel g'scheiter, wenn ich ihm hier eine schnalz', denn wenn ich mit dem nach draußen geh', kommt er garantiert nicht mehr hier rein“, legte Frasther seine Sicht der Dinge dar.

      „Du bist einer von der schwierigen Sorte, was? Nochmal: Was ihr beiden miteinander macht, ist mir vollkommen schnurz, nur – ihr dürft es nicht hier im Lokal machen, hast du das jetzt kapiert!?!“, langsam wurde Adi laut.

      Da mischte sich einer der anwesenden Halbweltler, ein Prolet mit plumper, massiver Figur, Stirnglatze, halblangem Kraushaar, Seehundschnauzer und einem dicken Goldkettchen auf der behaarten Brust, in die Unterhaltung ein: „Jetzt mal langsam, Adi. Wenn er das nicht gemacht hätte, dann hätt’ ich einem dieser beiden Lulus* eine aufg'legt – verdammtes Studentenpack, hat sich hier was zum Rauchen gesucht.“

      „Der hat mich angegriffen, als ich gerade einen Schluck Bier nehmen wollte – da hört sich bei mir der Spaß auf!“, hob Frasther zusätzlich sein Recht auf Selbstverteidigung hervor.

      „Soso, was zum Rauchen…“, grollte Adi aus tiefster Kehle und strafte die beiden Studenten mit vernichtenden Blicken ab. Diese machten sich mit eingezogenen Köpfen auf den Rückzug und schlichen dem Ausgang zu.

      Der Prolet nickte verständnisvoll. „Keine Manieren mehr, die Jugend von heute. Tja, was sie vom Vater nicht hineingewatscht bekommen, müssen sie dann halt auf dem Lebensweg auf die harte Tour lernen, wie gerade eben. Aber zum Glück gibt’s ja genug verständnisvolle Mitmenschen, die den Kindern beim Erwachsenwerden helfen, so wie du gerade eben!“ Er lachte dröhnend und blickte strahlend den beiden Studenten nach, die eiligst zum Ausgang hinausschlüpften.

      Doch Adi schien noch nicht überzeugt. Seine mächtigen, haarigen Pratzen landeten auf der Theke, zwischen Frasther und dem Kerl, der sich eben eingemischt hatte, und sein Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. „Stimmt des, Ottl? Die haben dich um was zum Rauchen ang'haut*?“

      „Wenn ich's dir doch sag', Adi. Hab' ihnen eben erklärt, dass sie hier falsch sind; da haben sie sich beraten und dann kam er dazwischen. Ich wollt' sie grad am Schlafittl packen…“

      „Hier drin pack' nur ich jemanden am Schlafittl, das weißt du genau. 's nächste Mal, wenn sowas is', dann holst mich dazu und ich regel' das, klar?“, schnarrte Adi. Dann wandte er sich an Frasther: „Und das gilt auch für dich. Wenn dich einer sekkiert*, dann hau' ich ihn schon raus, da brauchst' keine Brille. Und jetzt Schwamm drüber.“

      „Verstanden, Schef!“ Frasther deutete ein Salutieren an.

      „Alles klar, Adi“, nickte auch der Prolet.

      Dann schlurfte Adi wieder davon. Als er sich umdrehte, sah Frasther sein Kreuz, das mehr mit dem eines spanischen Kampfstieres, als mit dem eines normalen Menschen gemein zu haben schien. Er konnte sich gut vorstellen, dass Adi einen nicht zu unterschätzenden Gegner abgeben würde. Mit seinen Pranken und diesem Knochenbau hatte er sicher schon einige gestande Knastrologen wie rotznasige Schulbuben aus seinem Lokal hinausgewatscht.

      Frasther zündete sich einen Tschick an und hielt dem Kerl, der sich ins Gespräch eingemischt hatte, ebenfalls die Packung hin. Dieser griff bereitwillig zu und wuselte sich einen Glimmstängel heraus, während er mit der anderen Hand die fette alte Barschnepfe herbeiwinkte und zwei Rüscherl orderte.

      „Ich bin der Ottl“, stellte er sich vor und prostete Frasther zu. Dieser nahm sein Rüscherl, prostete zurück und sagte: „Frasther!“

      Nachdem beide einen kräftigen Schluck genommen hatten, begann Frasther den Kerl in ein Gespräch zu verwickeln: „Hoff', du bist mir nicht barsch, weil ich dir den Typen weggeputzt habe.“

      Ottl winkte ab: „Keine Sorge, schöner als du hätt' ich ihm auch keine auflegen können“, grinste er. „Freche Saubande, kommen hier rein, um sich was zum Kiffen zu suchen; was denken die sich eigentlich?““

      Damit spielte er auf den Umstand an, dass der Genuss von Cannabisprodukten in Alkoholiker-kreisen nicht gern gesehen war – ein Lernprozess, der den beiden jungen Burschen von eben offenbar noch bevor stand.

      „Studenten halt, was willst' dir von diesen Hirnwichsern erwarten?“, brummte Frasther. Ottl lachte zynisch, sofort begann der Schmäh zu rennen. Frasther zahlte die nächsten Rüscherl, während er sich mit seinen neuen Kumpel zuerst über Banalitäten wie Herkunft, Alter und Werdegang, dann über eventuelle gemeinsame Bekannte und schließlich über die jeweiligen Knasterfahrungen unterhielt. Ottl kam aus der Bodybuilder-Szene und hatte jahrelang davon gelebt, extrem harten Stoff an wandelnde Muskelberge zu verticken. Das erklärte auch, warum Frasther ihn nicht kannte – er war seit seiner Jugendzeit nicht mehr in einem Fitnessstudio gewesen. Wozu auch, er hielt sich ja durch regelmäßige Prügeleien fit.

      Als man nach dem siebten oder achten Rüscherl langsam in eine redselige Stimmung kam, wurde Frasther klar, dass er hier gefunden hatte, wonach er gesucht hatte. Ganz ohne nachzubohren bekam er vom beschwipsten und daher sehr vertrauensseligen Ottl einige interessante Geschichten zu hören. Da wären zwei Typen auf offener Straße massakriert worden, ob er noch nichts davon gehört hätte? Als Frasther verneinte, erzählte Ottl ihm in epischer Breite so ziemlich alles, was er zu wissen schien: Offenbar gäbe es da ein paar Eindringlinge, die sich hier in der Stadt breit machen und im Weiberfleischhandel mitmischen wollten. Er habe läuten gehört, dass es zwar nicht viele Kerle seien, die aber dafür aus irgendeiner ehemaligen Sowjet-Republik stammen würden. Und somit wären sie natürlich mit Vorsicht zu genießen, denn man wisse ja, dass die Russen allesamt wilde Hund' seien. Darum habe er – der Ottl – auch großen Respekt vor dem- oder denjenigen, die diesen beiden Typen auf der Stadtstraße das Licht ausgeblasen hätten. Wenn die da mal nur nicht den schlafenden Bären aufgeweckt hätten, meinte er und nickte ernst.

      „Ich dachte immer, die Russen sind eher bei Schutzgeld und diesem chemischen Drogenmist aktiv“, legte Frasther einen Köder aus.

      „Normalerweise schon, aber für Schutz brauchst du mehr als nur 'n paar Kerle und Giftpanscherei rentiert sich kaum mehr, seit jeder Junkie sich sein eigenes Süppchen zuhause kocht. Das mit dem Weibern könnte ganz einfach für sie laufen, sie müssen nur die Konkurrenz aus dem Revier vertreiben, dann können sie ihre eigene Ware aus dem Osten auf die Straßen lassen. Hübschere Weiber, die mehr Gockel machen und nicht so verdammt verwöhnt sind wie unsere Nutten hier.“

      Da war in der Tat was dran, musste Frasther sich eingestehen. Der Ottl verfügte über einen sehr wachen Verstand, wie es schien.

      „Glaubst' nicht, dass die jetzt aufstecken, wenn sie schon zwei Mann verloren haben?“, fragte er über die Rauchwolke eines frisch angezündeten Tschicks hinweg.

      Der Ottl schüttelte langsam den Kopf: „Aufstecken? Die Ostblock-Mafia? Nee, nee, mein Lieber, die stecken nicht