Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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die Tussi war auch das Erste, das er bei seinem erneuten Aufwachen wahrnahm; kreischend und zeternd rupfte sie das schwelende Federbett von ihm herunter und plärrte hysterisch nach der Feuerwehr. Erst jetzt, als er wieder munter war, fiel ihm auf, dass ihm eigentlich schon die ganze Zeit über verflucht warm gewesen war – er hatte sich in seinem Halbschlaf nur ständig gefragt, woher und warum. Als er die dicken schwarzen Rauchschwaden einatmete und das angekokelte Teil erblickte, von dem der Gestank schmorender Daunen ausging, wurde ihm schlagartig klar, dass er mit dem glimmenden Tschick in der Hand eingeschlafen war.

      „Hör auf, so rumzuplärren, verdammt!”, herrschte er das Weib an. Dann schnappte er sich das Kissen und erstickte damit das Feuer. „Siehst du, ist doch überhaupt nichts passiert. Kein Grund, so einen Aufstand zu machen.”

      „Der Luis bringt mich um, wenn er das sieht…”, Mona tappte zum Fenster und riss es weit auf, damit sich Gestank und Rauch verziehen konnten.

      „Um die Qualle musst du dir keine Sorgen machen, dem erklär' ich das schon! Und überhaupt hat der Fettsack genug Kohle, um sich ein neues Scheißlaken zu kaufen. Wo steckt der denn eigentlich, isser schon wach?”

      Durch sein beruhigendes Zureden kam die verschreckte Nutte schnell wieder von ihrer Hysterie herunter. „Äh, sieht so aus, als ob der gar nicht im Haus ist, die Kaffeemaschine war schon an…”

      „Was, der is' schon weg?”, staunte Frasther.

      „Naja, es ist mitten am Nachmittag…”, zuckte die Tussi mit den Schultern.

      Frasther schüttelte den Kopf. „Da wir erst als es hell wurde ins Bett sind, ist es jetzt Morgen, und nicht Nachmittag – aber das verstehst du nicht. Gibt’s Kaffee?”

      Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab, sondern marschierte stracks davon in Richtung Küche. Auf dem Korridor von Prag-Luis geräumiger, aber verflucht kitschig eingerichteter Hütte erschnupperte er auch schon den leckeren Duft des aromatischen Bohnengetränks. Mona watschelte laut plappernd hinter ihm her; Frasther nahm nicht mal ansatzweise wahr, was sie ihm erzählte. Immerhin hatte sie sowas wie ein kleines Frühstück hergerichtet; ein Korb mit frisch aufgebackenen Brötchen stand auf dem Tisch, dazu Butter, Marmelade, ein bisschen Wurst und Käse.

      Auch ein Handy lag neben dem Frühstück auf dem Tisch – ganz dunkel erinnerte Frasther sich, dass der Luis ihm so ein neumodisches Dings in die Hand gedrückt hatte, als sie in der Morgendämmerung nach Hause gekommen waren. Etwas ratlos starrte er das Ding an. Als Mona seinen Blick sah, erklärte sie ihm kurz, wie man das Gerät ein- und ausschaltete und wie man einen Anruf tätigte, beziehungsweise entgegennahm. Es war ohnehin nur eine Nummer gespeichert, nämlich die vom Luis, also könne er nicht viel falsch machen, meinte Mona. Frasther folgte ihren Ausführungen mit einem Viertel seiner Aufmerksamkeit und machte sich über das Frühstück her.

      Da Mona offenbar einsah, dass ihn sein neues Spielzeug nicht besonders interessierte, wechselte sie das Thema. „Sag mal, du wirst das doch dem Luis wirklich erklären, dass das mit dem Federbett nicht meine Schuld war…?”, fragte sie ihn, als Frasther ein Wurstbrötchen, das er soeben gierig verschlungen hatte, mit einem ordentlichen Schluck Kaffee runterspülte.

      „Jetzt scheiß dich nicht an wegen diesem Federbett! Ich hab' gesagt, ich mach' das, also mach' ich das”, brachte Frasther mampfend hervor.

      „Bloß, dass du's nicht vergisst. Der Luis steht sehr auf sein Interieur, hat garantiert keine Freude mit der Sauerei da oben…“, achselzuckend biss sie in ihr Croissant.

      „Interieur? Was soll das heißen – meinst' etwa diesen neumodischen Kunst-Mist, den er hier überall hat?”

      Die Tussi sah ihn mit großem Blick an: „Dieser 'Kunstmist', das sind alles ganz teure Designobjekte, allein die Küche hier hat sicher soviel gekostet wie eine Zweizimmerwohnung…”

      „Sieht trotzdem scheiße aus.“ Kopfschüttelnd betrachtete Frasther die riesigen weißen Bilder mit nur wenigen, wirr angeordneten bunten Linien, während er sich noch eine Tasse Kaffee einschenkte. Er schnappte sich ein weiteres der frisch aufgebackenen Brötchen und säbelte es auseinander, dass die Krümel nur so davonflogen.

      Nachdem die Tussi schon zwei Tschicks geraucht und ihm die ganze Zeit beim Schlingen zugesehen hatte, war Frasther dann endlich fertig damit sich vollzustopfen. Schwer atmend und zufrieden seufzend lehnte er sich zurück.

      „Alle Achtung, du hast jetzt allein ein knappes halbes Kilo Wurst und Aufstrich gefuttert, von den acht Brötchen und den vier Eiern gar nicht zu sprechen…”

      Frasther unterbrach ihre Erzählung mit einem tiefen, dumpf rollenden, lang anhaltenden und dröhnenden Rülpser. „Sei so gut und bring mir ein Bier aus dem Kühlschrank, ja?” In der Tat war er so vollgefressen, dass er sich das Bier unmöglich allein von dort holen hätte können. Sie trabte zum Kühlschrank und reichte ihm eine Dose dänischen Importbieres.

      „Holla, der gute Luis hat hier ja ganz feine Schätze gelagert?!?”, rief er erfreut aus.

      „Was machen wir jetzt eigentlich, warten wir bis der Luis zurückkommt? Wieso geht er überhaupt ohne seinen Bodyguard weg?”, fragte Mona, der offenbar langweilig wurde.

      Frasther riss bedächtig das Bier auf und erfreute sich am Zischen. Die Dose war angenehm kalt, genau die richtige Temperatur für ein Bier – und gerade beim Frühstücksbier war eine angenehme Temperatur äußerst wichtig.

      „Was du machst, weiß ich nicht, aber ich werd' jetzt dann mal duschen gehen und danach hab' ich einiges zu erledigen”, sagte er und nahm genussvoll einen Schluck Bier. „Und überhaupt bin ich kein Bodyguard, sondern ein Gorilla, klar?”

      Mona schaute ihn erneut mit großen Augen an. „Und was, bitte, ist der Unterschied zwischen einem Bodyguard und einem Gorilla?”

      Frasther war richtiggehend erstaunt über das niedrige Wissensniveau, das sich ihm hier eröffnete. Kein Wunder, dass das Mädel bei dem Mangel an Allgemeinbildung auf dem Strich gelandet war. Also erklärte er ihr geduldig: „Ein Bodyguard ist ein Typ, der sich dazwischenwirft, wenn jemand auf seinen Boss losgeht. Ein Gorilla hingegen ist jemand, der es gar nicht erst so weit kommen lässt, klar?” Zufrieden mit dieser Definition nahm er einen weiteren tiefen, genussvollen Schluck Bier.

      „Ach, so ist das…“, schüttelte Mona seufzend den Kopf und begann, die Reste vom Frühstück wegzuräumen.

      Dann zog sich Frasther mit seiner Bierdose erstmal ins Bad zurück. Nachdem er unter der Dusche das Bier fertiggetrunken hatte, rubbelte er sich ab und machte sich anschließend vor dem Spiegel daran, seine Blessuren in Augenschein zu nehmen. Er fand schön über den Körper verteilt etliche blaue Flecken – wobei ihm nur der an seinem Rippenbogen ein wenig Sorgen machte – Schrammen an seiner Schlagfaust und zwei üble Beulen auf dem Kopf. Inzwischen war Mona im Bad aufgetaucht und sah ihm dabei zu, wie er sich umständlich vor dem Spiegel drehte und verrenkte. Dann wurde es ihr zu bunt und sie ging zum Badschrank, kramte einige Salben und Pflaster heraus und machte sich an ihm zu schaffen.

      „Ich hab’s mir schon in der Nacht gedacht, das sieht teilweise wirklich schlimm aus, tut sicher weh, wenn du erstmal wieder nüchtern bist. Wo hast du denn das abbekommen?”

      „Es waren ein paar strenge Tage.”

      Sie reinigte die offenen Stellen mit einem Waschlappen, den sie in medizinischen Alkohol getunkt hatte und versorgte die Blessuren mit Salben und kleinen Pflastern, gegen die Frasther zwar anfangs protestierte, sie dann aber gewähren ließ.

      Kurze Zeit später saßen sie in einem Taxi, das Kurs auf den Teil der Stadt genommen hatte, in dem Frasther seinen Jeep stehen gelassen hatte. Mona hatte ihn erneut an das verdammte Handy vom Luis erinnert und ihn mit ihrem Gekeife genötigt, das Ding einzustecken – der Luis hatte ihr eingeschärft, dafür zu sorgen, dass Frasther das Teil auch wirklich in betriebsbereitem Zustand an sich nahm. Etwa auf halben Weg begehrte sie dann auszusteigen. Frasther bedeutete ihr großzügig, das Geld fürs Taxi stecken zu lassen und gab ihr zum Abschied einen Klaps auf den Hintern.

      Beim Jeep angekommen, gab er dem