Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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aber edel aus, die Visitenkarte, richtig nobel.”

      „Mal sehen, ob wir das auch gleich finden dort”, brummelte der Luis.

      Sie fuhren auf die Autobahn und der Luis drehte das Autoradio lauter. Frasther stöhnte – der Kerl hatte natürlich einen Radiosender drin! Nix mit Hardrock – er hätte aus seinem Jeep mindestens eine Kassette mitnehmen sollen, denn das war ja von vornherein klar gewesen, dass der Luis keinen anständigen Sound in der Karre haben würde. Was soll’s, dachte er bei sich, immerhin hab' ich ja wenigstens genug Bier.

      Als sie endlich, knapp zwei Stunden Fahrzeit später, das verdammte Antiquitätengeschäft gefunden hatten, leerte Frasther gerade die dritte Dose und fühlte sich bereits wieder rundherum wohl.

      „Verfluchter Mist, man kann da gar nicht ranfahren…”, schimpfte der Prag-Luis los.

      Das Geschäft schien sich in einer kleinen, verkehrsberuhigten Zone zu befinden, von der Straße deutlich durch ein Kopfsteinpflaster abgetrennt.

      „Doch, klar kannst, steht ja auf dem Schild – „Für Ladetätigkeiten erlaubt“ – höhö!”, scherzte Frasther.

      „Zwischen sieben und elf Uhr vormittags, verdammt!”, schnaubte der Luis und manövrierte den Benz in eine viel zu kleine Parklücke, die jedoch der Fußgängerzone am nächsten lag. Dann zwängte er sich laut ächzend und fluchend aus der Karre – dass er die Tür nicht allzuweit öffnen konnte, weil das daneben geparkte Auto im Weg stand, erschwerte ihm die Sache ungemein.

      Auf der Beifahrerseite entstieg Frasther langsam dem Benz, warf die geleerten Bierdosen achtlos in Richtung eines Mülleimers und trottete hinter dem Luis einher, der mit hektischen Schritten auf den Antiquitätenladen zusteuerte.

      Lautes Klingeln einer über der Tür angebrachten Glocke begleitete sie, als sie den Laden betraten.

      Drin herrschte gedämpfte Atmosphäre; schwere Teppiche und bedrückend alt wirkende Gemälde in mächtigen Rahmen hingen an den Wänden, der Boden war mit schweren Läufern ausgelegt und der ganze Raum mit alten Kästen und Kommoden aus dunklem Holz verstellt; edel wirkende Teile mit teils pompösen Verzierungen. Ein schrecklich konservativ gekleidetes Weibsbild mit riesiger Hornbrille stand verloren zwischen den riesigen Möbelstücken herum und rang sich gelangweilt ein Lächeln ab: „Kann ich Ihnen behilflich sein?”

      Wenn sie sich nicht bewegt hätte, hätte man sie glatt für ein Stück des Inventars halten können.

      „Ja… guten Tag, ich suche Herrn Assl. Mein Name ist Stritzinger, ich hab’ einen Termin…”

      Jetzt hatte die Verkäuferin auch den umher schlendernden Frasther bemerkt, der sich zwar Möbel besah, aber von seinem äußeren Erscheinungsbild her so gar nicht in diesen Laden passen wollte, und bedachte ihn mit einem befremdeten Blick. „Mein Assistent…”, versuchte der Prag-Luis sich in einer Erklärung, wurde jedoch sehr schnell leise. Es war für jeden Volldeppen offensichtlich, dass Frasther sicher vieles, aber garantiert kein Assistent war. Dementsprechend machte die Eule große Augen.

      „Nun, ich fürchte, Sie kommen zu einem schlechten Zeitpunkt – Herr Assl ist bei Tisch…”, piepste sie, den Blick immer zwischen Frasther und dem Luis hin- und herwandern lassend.

      „Bei Tisch? Wann wird er denn wieder hier im Geschäft sein?”

      „Ich fürchte, erst so in etwa einer Stunde, gegen vier – Herr Assl pflegt, sein Mittagsmahl erst spät einzunehmen und sich dafür Zeit zu lassen. ”

      Der Luis legte die Stirn in Falten und verdrehte die Augen – sein Nachdenk-Blick.

      „Nun, Frau…”

      „Grümplsheimer-Botungo”, stellte die Schnepfe sich vor. Dem Luis’ seine Augenbrauen schnellten in die Höhe. „Wie auch immer, richten Sie bitte Herrn Assl aus – äh, dass ich hier war und dass ich kurz nach vier nochmal vorbeischauen werde, okay?”

      „Das werde ich ihm gerne bestellen”, entgegnete Frau Grümplsheimer-Botungo und strahlte den Luis an.

      „Frasther, komm…”, bellte der Luis, schon wieder auf dem Weg zum Ausgang. Frasther hatte einen Schrank voller alter Waffen gefunden, stand fasziniert davor und bewunderte die Hellebarden, Vorderlader und Bajonette, die darin ausgestellt waren. Nun riss er sich von diesem Anblick los und marschierte gelangweilt dem Luis hinterher.

      „In dem Fall gehen wir was trinken, bis der Knabe wieder auftaucht!”, schnaubte der Luis, als sie wieder draußen waren. Es schien ihm gar nicht zu gefallen, dass die Geschichte nicht so anlief, wie er sich das vorgestellt hatte. Sie fanden einige Gehminuten weiter ein gemütlich wirkendes Café und setzten sich hinein; Frasther bestellte sich das obligatorische Bier, der Luis orderte einen Cappuccino. Dann maulte er eine geschlagene Stunde lang herum – wer geht schon um zwei erst zum Mittagessen und kommt dann erst um vier zurück? Was ist denn das für ein Geschäftsmann, der sich die besten Öffnungszeiten über zum Futtern verdrückt? Und überhaupt war es verantwortungslos, so jemanden wie diese Frau Dings oder wie sie hieß, allein mit dem ganzen teuren Inventar in diesem riesigen Geschäft zu lassen…

      Frasther rauchte ein paar Tschicks, trank ein weiteres Bier und ließ den Luis in Ruhe schimpfen. Irgendwann, als er gerade dabei war, ihm zu erklären, weshalb Immobilien heutzutage ein viel besseres Geschäft waren als Antiquitäten, warf Frasther einen Blick auf die Uhr.

      „Ich unterbrech' dich nicht gern, Luis, aber es ist gleich mal vier; meinst du nicht, wir sollten langsam wieder zum Geschäft zurückgehen?”

      „Ach, so schnell ist die Zeit vergangen? Tja, nun gut.”

      Er wandte sich um, brüllte: „Zahlen!”, und steckte sich eine weitere Kippe an.

      Kurze Zeit später betraten sie wieder das Geschäft. Da niemand zu sehen war, latschte der Luis geradewegs nach hinten durch. Die langweilige Schnepfe kam hinter einem großen hölzernen Sekretär hervorgetrottet und sah sie mit großen Augen an: „Herr Assl ist leider noch nicht zurückgekommen.”

      Doch in diesem Moment klingelte die verdammt laute Türglocke aufs Neue. „Emma, ich bin wieder da!” Der Luis grinste. Wolf-Räudiger Assl war ein Kerl Mitte fünfzig, nicht ganz so fett wie der Prag-Luis, aber doch über einen beachtlichen Bauchumfang verfügend. Er trug einen dunkelblauen Anzug aus feinem, maßgeschneiderten Tuch, der seinem Stande angemessen schien; ein buschiger Schnauzer, der in einen mächtigen Backenbart überging, zierte sein Gesicht. Kein Zweifel: Ein Mann von Format.

      Er kam sofort auf den Prag-Luis zu und streckte ihm seine fleischige Pranke entgegen: „Guten Tag, mein Name ist Assl, ich bin der Inhaber. Was kann ich für Sie tun?”

      Assl vergaß nicht, seine Hand ebenfalls Frasther hinzustrecken und ihn mit einem feundlichen Nicken zu bedenken. Sein Händedruck war kräftig, aber nicht übertrieben stark.

      „Stritzinger, Luis. Das ist Herr – äh – das ist Frasther, mein äh, Mitarbeiter…”, zappelte der Luis nervös herum. Assl grinste amüsiert, er schien gleich in etwa kapiert zu haben, wofür Frasther wirklich zuständig war.

      „Unser gemeinsamer Geschäftspartner, Herr Keuling, hat mir empfohlen, mich an Sie zu wenden; ich suche ein paar sehr spezielle Stücke…”

      „Oh, der Herrbert, ja wie gehts dem alten Haudegen denn immer so? Na, das ist aber eine angenehme Überraschung! Ich schlage vor, wir gehen in mein Büro und besprechen das Ganze in bequemer Atmosphäre! Darf ich Ihnen etwas anbieten – Tee, Kaffee oder vielleicht etwas Gediegenes?” Assl brachte seinen Text vor, als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Dabei machte er eine einladende Geste in Richtung einer schweren, dunklen Bürotür.

      Der Luis trabte bereitwillig voran: „Ein Kaffee wär' nicht schlecht, vielleicht ein Glas Wasser dazu…”

      „Kann ich ein gediegenes Bier bekommen?”, dröhnte Frasthers raue Stimme dazwischen.

      „Bier haben wir, so fürchte ich fast, keines mehr da, aber vielleicht tut ein guter Whiskey-Soda auch seinen Zweck?”

      „Ich