Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


Скачать книгу

gerade eine neuen Selbstgerollte mit exotischer Beimengung anzündete.

      „Ja, und zwar recht erfolgreich… und genau das ist der Punkt!”

      Garstmuths Blick wurde jetzt aufmerksam und Frasther nutzte den Moment, um mit einem Wortschwall loszulegen: „Da sind seit Kurzem ein paar Russen – oder Ukrainer, Georgier, Albaner, das weiß man nicht so genau – in der Stadt und machen dem Luis das Leben schwer. Konkurrenzdruck und so. Bedrohen seine Mädels und so weiter, du kennst das ja. Der Luis und ich haben mehr durch Zufall eine Karre hochgehen lassen, in der zwei Typen von denen saßen…”

      Hier unterbrach Garstmuth: „Die explodierte Karre auf der Stadtstraße! War ein großes Trara – ihr ward das, du und der Luis?”

      Staunen und Anerkennung mischten sich in seinen Blick, doch Frasther war immer noch im Redefluss: „Genau, wir und der Bertl, doch wie gesagt, das Ganze war mehr Zufall als Absicht. Tja, und jetzt ist ein Kopfgeld auf Hinweise ausgesetzt – also, ich mein', auf Hinweise, die dann zu mir und zum Luis führen…“

      Garstmuth schnaubte eine mächtige Rauchwolke aus und grinste über das ganze Gesicht. „Geile Geschichte! Da werd' ich auf jeden Fall mitmischen…“

      „Lass mich erst mal ausreden! Also, das wird nicht mehr lange dauern, bis denen ein Vöglein singt, wer ihre Jungs da aus dem Weg geräumt hat. Ich hab' auch selber schon 'ne zwielichtige Gestalt getroffen, die blöd herumgefragt hat. Aber wir haben vor, das Problem ein für alle Mal zu lösen. Und deshalb gehen wir mit schwerem Gerät da rein, mischen das Ganze ordentlich auf und dann hat die Geschichte ein Loch!”, schloss er triumphierend.

      Garstmuths Miene war jetzt Ausdruck der höchsten Konzentration. Man konnte beinahe hören, wie die kleinen Rädchen in seinem Proletengehirn ratterten und die soeben gehörten Fakten zusammenaddierten, um ein möglichst klares und umfassendes Bild der Situation zu gewinnen.

      „Und du sagst, der Bertl war da noch dabei – der Bsuffowetsch Bertl?”

      „Genau der”, bestätigte Frasther.

      Dann leerte er sein Bier und haute mit der Faust auf den Tresen: „Hey, Meister, noch zwei große Bier und zwei Klare, und zwar zackig!”, brüllte er den Barmann an.

      Garstmuth begann dröhnend zu lachen. „Dachte ich mir doch gleich, dass nicht mal der Bertl so deppert sein kann und sich selbst beim 'Herumhantieren' mit der Knarre in den Fuß schießt! Ich hab' gestern Nacht mit dem Krappler-Egon ein paar Schnäpse gekippt, der hat mir das erzählt!”

      Frasther grinste diabolisch und erklärte seinem Spezi, dass die Geschichte schon ihren wahren Kern habe. Der Bertl hätte sich zwar tatsächlich selber in den Fuß geschossen hatte, allerdings bei einer wilden Verfolgungsjagd, die zu einer Schießerei ausgeartet war und nicht beim „Herumhantieren“. Endgültig kamen Garstmuth die Tränen, als Frasther zu dem Teil kam, wo der Prag-Luis und er dem Schwerverletzten einfach ein Taxi gerufen hatten und getürmt waren.

      Garstmuth kriegte sich kaum noch ein: „Ein Taxi, das ist wirklich gut – der hat Schmerzen wie ein Pferd, kann gerade mal kriechen und ihr haut ihn in ein Taxi – super!” Er prustete wie ein ersaufender Köter und schnappte nach Luft. Frasther wartete, bis er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte und drückte ihm dann den Klaren in seine gewaltige Pranke.

      „Auf den Bertl und seine Schießkunst!”

      „Darauf trink' ich gern!”

      Sie schütteten die Klaren hinunter – hervorragende Qualität, die Gänsehaut kam exakt, nachdem sich der Schluck in den Eingeweiden gesetzt hatte und hielt etwa zwanzig wohlige Sekunden lang an – und zündeten sich synchron einen Tschick an.

      „Weißt du,”, begann Garstmuth dann wieder kichernd, „die Knarre vom Bertl, das ist so ‘n Spezialding mit frisiertem Lauf und angefeilter Munition, mannstoppend – der Idiot hat mehr als nur einen Schutzengel gehabt, dass es ihm nicht das ganze Bein weggerissen hat.” Er kicherte, dass ihm fast die Tränen kamen und schnaubte dabei den Rauch stoßweise aus.

      Jetzt kam Frasther wieder auf das eigentliche Thema zurück: „Also, du hast eh schon geschrien, dass du dabei bist, stimmt's, Langer?”

      „Na, glaubst du, das lass' ich mir entgehen?”, dröhnte Garstmuth.

      Frasther grinste; er hatte auch nichts anderes von seinem alten Haberer* erwartet.

      „Und du glaubst, es reicht wenn wir zu dritt dort antanzen? Ich mein', mit wie vielen Leuten haben wir's zu tun?”, erkundigte sich Garstmuth, dessen scharfer Verstand bereits die Situation zu analysieren begann.

      „Tja, das wissen wir eben nicht so genau; eigentlich wissen wir auch noch nicht mal, wo wir die Kerle überhaupt finden können. Aber das sollte doch wohl drin sein, dass wir das rauskriegen, wenn wir ‘ne Nacht lang unsere alten Kontakte abklappern“, spielte Frasther mit offenen Karten.

      „Kennen wir denn Keinen, der frisch aus dem Häfn* kommt? Die wissen doch immer alles.“

      „Das ist ja die geniale Idee!“, freute sich Frasther. „Klar kenn' ich da wen – und du kennst ihn auch!“

      „Ahso?“, stutzte Garstmuth.

      „Jetzt rate mal, wer mir vor einigen Tagen einen Brief aus dem Knast geschrieben hat!“, triumphierte Frasther.

      „Hmm, kenn 'ne ganze Menge Kerle, die im Moment brummen. Aber ich glaub' nicht, dass einer von denen schreiben kann!“ Garstmuth lachte dröhnend.

      „Der Bumsti, Mann! Der Bumsti sitzt und hat sich bei mir ausgejammert, wie scheiße das dort ist…“

      „Auweia, der Bumsti“, unterbrach Garstmuth. „Na, das kann ich mir gut vorstellen, dass es die halbe Portion da drin nicht leicht hat“, er nickte, wie um seine Aussage zu bekräftigen, und trommelte mit dem Feuerzeug auf dem Tresen herum.

      „Wir gehen ihn besuchen, Mann, du und ich. Bringen ihm ein paar Stangen Tschick mit und so, dem armen Schwein. Und fragen ihn aus, wenn wir schon mal dabei sind – der Bumsti weiß sicher was!„

      „Eh klar“, pflichtete Garstmuth bei. „Davon lebt die Ratte ja, immer zu wissen, was abgeht… aber besuchen gehen können wir ihn um die Uhrzeit nicht mehr, Alter.“

      „Schon klar, schon klar. Das machen wir dann morgen – oder so. Aber inzwischen können wir immer noch so losgehen und schauen…“

      „Von mir aus können wir gleich heut Nacht um die Häuser ziehen, ich hab' eh nix anderes vor“, meinte Garstmuth. „Und ich hätt’ da auch noch einen idealen Mann, der uns verstärken könnte. Der macht auch hundertprozentig mit, da bin ich mir fast sicher.”

      „Was heißt hundertprozentig, aber du bist dir nur fast sicher?”

      „Der Kerl heißt Watschlav und glaub mir, Frasther: Wenn du ihn erstmal kennengelernt hast, wirst du froh sein, dass wir ihn dabei haben. Übrigens ist Watschlav Pole, glaub' ich, oder Bulgare oder sowas – nun, zumindest kann er mal die Sprache des Feindes verstehen, das ist schon mal ein Vorteil für uns!”

      „Können Polen Russisch?“, war sich Frasther da nicht so ganz sicher.

      „Ach, ist doch alles das selbe Kauderwelsch, da drüben…“, machte Garstmuth eine wegwerfende Handbewegung und prostete Frasther zu. Dieser stieß an, dass die Gläser klingelten und beide tranken einen großen, leckeren Schluck des edlen Gebräus.

      Die Sache war besiegelt: Garstmuth war dabei. Das war ein beruhigender Gedanke. Frasther war zutiefst zufrieden – jetzt konnte nicht mehr viel schiefgehen. Und da er gerade so gute Laune hatte, lud er Garstmuth noch auf einige Drinks quer durch die Welt ein: Sie begannen in Amiland mit Whiskey und pflichteten sich gegenseitig bei, dass dieses Getränk und der V8 die einzigen vernünftigen Dinge seien, was die Amis je zustande gebracht hatten. Dann schlürften sie einen Cuba Libre und huldigten Che Guevara, der schon ein wilder Hund gewesen war – nur schade, dass ihn der Scheiß-CIA zur Strecke gebracht hatte. Dann soffen sie einen Sambuca und waren sich nicht einig darüber, wo denn der wohl herkam. Frasther