Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


Скачать книгу

zu den Franzmännern einfiel war, dass die ihnen trotz all ihrer Macken immer noch lieber am Arsch waren, als die Amerikaner am Gesicht, denn immerhin waren sie ja Europäer.

      „Ham’ die nicht auch Atombomben?”, lallte Frasther.

      „Ganze Bunker voll davon, die Franzfotzen”, grölte Garstmuth zurück. Dann wechselten sie auf den Balkan und orderten Slivovitz.

      Die große Stunde des Barkeepers hatte geschlagen: Neben dem Slivo brachte er noch eine Flasche durchsichtiges Zeugs ohne Etikett. „Kroatischer Rakija, hat ein Vetter von mir selbst gebrannt! Den müsst ihr probieren – geht auf's Haus!”, gab er sich die Ehre.

      Der Sprit sah aus wie Wasser, vollkommen klar und durchsichtig; aber wenn man ihn trank, semmelte er rein, dass die Schwarte krachte. Frasther fand den Geschmack ganz hervorragend, obwohl er bereits in einem Zustand war, der ihm die Beurteilung nicht eben erleichterte. Trotzdem spürte er noch, wie sich nach dem Setzen des Schluckes eine wohlige Wärme von seinen Gedärmen aus durch den ganzen Körper hindurch ausbreitete. Stolz vernahm der Barmann die Lobeshymnen, die seine beiden bereits arg angesäuselten Gäste auf seinen edelsten Tropfen sangen. Dann ging es weiter in den Osten und Frasther und Garstmuth labten sich an der hochprozentigsten Wodkasorte, die der freundliche Wirt auf die Schnelle hatte auftreiben können.

      Frasther steckte sich noch eine Kippe an und stellte fest, dass er bereits Mühe hatte, mit der Flamme die Spitze des Tschicks zu treffen. Dabei war es doch erst früh in der Nacht, wunderte er sich.

      „Wir sollten mal langsam weiterziehen, was?”, fragte Garstmuth, der offenbar bemerkt hatte, dass Frasther in Gedanken war.

      „Ich bin gerade am Überlegen, Mann – können wir diesen Watschlav irgendwo auftreiben, was denkst du? Wir sollten nämlich auch noch für den Luis seine Katzen abkassieren, da hat er mich drum gebeten.”

      Garstmuth kratzte sich am Sack und überlegte kurz.

      „Katzen abkassieren? Klingt spaßig. Ja, ich denk’ schon, das wir den Watschlav auftreiben können, ich weiß ja, wo er wohnt… Bin schon gespannt auf den Prag-Luis, ob die Qualle noch fetter geworden ist, seit ich ihn das letzte Mal geseh'n hab'.”

      „Sag mal, wieso hängt der Watschlav eigentlich nicht hier drin ab, der Schuppen heißt doch 'Balkan-Stube', oder? Wäre doch genau das richtige Umfeld, wenn der Knabe sowieso aus dem Ostblock kommt…”

      „Täusch dich da bloß nicht! Das ist wie bei den Bayern und den Preußen, nur schlimmer. Eines kannst du mir glauben, Alter, bei denen ist das untereinander wesentlich komplizierter als bei uns. Wenn der hier aufkreuzen würde, wäre das höchstwahrscheinlich der letzte Auftritt seines Lebens.” Wie zur Erklärung zog Garstmuth pfiffig eine Augenbraue hoch. „Und abgesehen davon gehört Polen, glaub' ich, gar nicht zum Balkan, aber da bin ich mir nicht sicher.”

      Frasther war das einerlei; Balkan, Ostblock, wo war da der Unterschied? Er übernahm die bereits beträchtliche Zeche, dann wankten sie zum Jeep. Garstmuth hatte keine eigene Karre. Die verdammten Bullen hatten ihm schon fünfmal den Schein geknipst, viermal wegen Trunkenheit und einmal, weil er seine Karre angeblich „als Waffe eingesetzt hatte”, wie der Beamtenjargon das so nett umschrieb. In Wirklichkeit hatte er nur versucht, die Polizeisperre zu umfahren und dabei versehentlich zwei Bullen auf die Hörner genommen – von böser Absicht konnte also keine Rede sein. Verknackt hatten sie ihn trotzdem, auch weil er zu der Zeit ohnehin ohne Führerschein unterwegs gewesen war. Ohne Führerschein hatten sie ihn sowieso schon oft erwischt, was ihn unter anderem auch schon in den Knast gebracht hatte, weil er die Strafen nicht bezahlen konnte. Seine Chancen, in diesem Leben noch mal auf legalem Weg an eine Lenkerberechtigung zu kommen, waren wirklich äußerst bescheiden. Irgendwann hatte er so gründlich die Schnauze voll von dem ganzen Theater gehabt, dass er sich gar kein Auto mehr gekauft hatte. Das hielt ihn zwar nicht davon ab, weiterhin gelegentlich zu fahren, wenn es sich mal als notwendig erwies, doch in der Regel versuchte er, das zu vermeiden.

      So fuhr Frasther in Schlangenlinien durch die Stadt, während Garstmuth einen Spliff zum Fenster hinaus rauchte und ihn mit derben Späßen unterhielt. Bald hatten sie mehrere Gaststätten, die als potentieller Aufenthaltsort Watschlavs in Frage kamen, erfolglos abgegrast. Sie waren dann sogar bei ihm zuhause vorbeigefahren, einem halbverfallenen Steinbau am Rande des alten Industrieviertels, doch keine Spur von Watschlav.

      Unterwegs hatte Garstmuth Frasther ein bisschen was über diesen Mann erzählt und inzwischen war er Frasther unbekannterweise schon recht vertraut und auch recht sympathisch geworden. Der Mutl hatte ihn vor einigen Monaten auf einer Monstertruck-Veranstaltung kennengelernt. Dort hatte Garstmuth einen Skinhead, der ihm sein Bier weggesoffen hatte, übel verprügelt. Daraufhin war eine ganze Horde kahlgeschorener Adolfisten über ihn hergefallen. Er hatte einige Veilchen gepflanzt und Nasenbeine zertrümmert, doch die Übermacht war schlicht zu groß gewesen – bis auf einmal ein mächtiger Kerl sich mit gewaltigen Hieben einen Weg durch die Glatzenhorde gebahnt hatte. So hatten sie sich kennengelernt. Seither waren sie des Öfteren zusammen unterwegs gewesen, vor Kurzem hatten sie sogar eine kleine Urlaubsreise miteinander gemacht – zwei Wochen, fünf Hauptstädte im Ostblock, nur die angesagtesten Puffs. Schön wäre es gewesen, schwelgte Garstmuth mit leuchtenden Augen in Erinnerungen, was Frasther gut nachempfinden konnte.

      Da sie beide keinen Bock mehr hatten, weiterhin nach Watschlav zu suchen, wurde beschlossen, erstmal den Auftrag vom Prag-Luis zu erledigen; danach beabsichtigte Frasther, zum Schwabbel in die Villa zu fahren und ihm das neue Mannschaftsmitglied vorzustellen. Er legte den Gang ein und jagte den Jeep in die Nacht hinein. Kurze Zeit später passierte er die ersten Arbeitsplätze, wie der Luis die bevorzugten Bordsteinkanten seiner Mädels zu nennen pflegte. Gähnende Leere, keine Schnepfe weit und breit. Er fuhr weiter, ohne Garstmuth seine aufkommenden Zweifel mitzuteilen. Doch beim zweiten Gestänge, auf der langen Allee die zur Statdstraße führte, stand zum Glück die kaugummikauende Rothaarige, über deren Arbeitsmoral sich der Luis letzte Nacht so aufgeregt hatte.

      „Wo ist denn der Luis, hat er’s jetzt nicht mehr nötig, selber hier aufzukreuzen?”, begrüßte sie ihn, als er das Fenster des Jeeps heruntergelassen hatte.

      Er streckte die Hand nach der Kohle aus und sagte: „Der Luis hat wichtige Dinge zu erledigen, deshalb greifen wir ihm ein wenig unter die Arme. Aber mach dir keine Sorgen, der kommt heut Nacht schon auch noch vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Also, brav zurück an die Arbeit…”

      „Wer ist denn der süße Kerl da neben dir? Sieht ja riesig aus, kann sich die Qualle denn so viele Gorillas leisten?”, fragte die Zicke weiter, während sie Frasther einen anständigen Batzen Kohle in die Hand drückte.

      „Kümmer dich lieber um deinen Job und überlass uns unser'n Kram!”

      „Man wird ja noch fragen dürfen…”

      „Hast ja auch eine Antwort gekriegt, oder? Und jetzt müssen wir weiter. Wenn der Luis vorbeikommt, sag ihm, ich mach' die Runde und bin dann bei ihm zuhause!” Er kurbelte das Fenster hoch, ohne auf eine Antwort zu warten und brauste los.

      Garstmuth stieß einen Pfiff aus. „Das war ein schöner Batzen Kohle, den dir die Tante da ausgehändigt hat – wieviele Weiber kassieren wir jetzt ab?”

      „Ich weiß nicht genau, ich war ja auch erst einmal dabei. Aber ich schätze, der Luis wird so fünfzehn, zwanzig Hühner rumstehn haben. Ich hab's dir ja gesagt, der Knabe lebt in Saus und Braus. Hat auch überall so mistiges Kunstzeugs rumstehen in seiner Bude, ‘ne Menge Bilder an den Wänden, die teuer, aber scheiße aussehen – der weiß gar nicht mehr wohin mit der Kohle.”

      „Na, das trifft sich doch gut, dann kann er uns erstmal ordentlich was für unsere Dienste abdrücken! Unsereiner weiß dann schon wohin mit dem Schotter…”

      „Klar doch, genau so soll’s auch laufen. Nur stell dir das nicht so einfach vor, wie vor ein paar Jahren, als uns der Schlawinski gebucht hatte – diesmal wird das nicht so ruhig ablaufen wie damals, hab' ich das Gefühl.” Frasther sprach’s und fuhr von der Straße ab auf eine Tankstelle zu.

      „Kerle aus dem wilden Osten, soso. Na, die kochen auch nur mit Wasser, wirst schon