Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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stumm, keine Regung im Milchgesichtchen.

      Mit dramatischer Geste knallte Frasther eine Münze auf die Tischplatte. „Wir fordern!”

      Vier Augenpaare richteten sich unisono auf ihn, um dann sogleich wieder zum Spiel zurückzukehren. Es stand fünf zu vier für den kleinen fetten Skater und seinen ziemlich bekifft wirkenden Hungerturm von Kumpel; die beiden spielten gegen einen ebenfalls äußerst eingerauchten Rothaarigen und dessen Kumpel, der als einziger der fünf wie jeder normale Mensch Jeans und ein Hemd trug. Vor allem gefiel Frasther seine Kappe mit dem Abzeichen eines englischen Fußballvereins, der für seine prügelnden Hooliganhorden berühmt war.

      Er steckte sich eine Kippe an und wartete gespannt auf den Ausgang des Spieles; der Rothaarige knallte aus der Verteidigung heraus den Ausgleich rein, doch dann, nach ewigem Geplänkel im Mittelfeld, bekam der kleine fette Skater den Ball ruhig in Abdrückposition und nutzte seine Chance.

      Frasther machte sich sofort an den beiden Hebeln für Mittelfeld und Angriff zu schaffen.

      „Äh, soll ich nicht lieber vorn spielen? Ich bin hinten nicht so gut…”, meldete sich sein junger Mitspieler nun erstmals zu Wort.

      „Du bringst mir nur die Bälle nach vorn, den Rest mach’ ich dann schon”, beruhigte Frasther ihn.

      Das Bürsch' blickte ihn zweifelnd an und nahm zögerlich die Hebel für Torwart und Abwehr in die Griffel.

      „Ohne Mitte, eh klar”, sagte der kleine fette Skater und blickte zu Frasther hoch, während er den ersten Ball hochbugsierte.

      „Was, ohne Mitte?”, fragte Frasther verblüfft. Er kannte natürlich diese bescheuerte neumodische Regel, wonach man mit dem Mittefeld nicht direkt aufs Tor abziehen durfte, doch er hätte sich nie gedacht, dass diese hoffnungsvollen Jungspieler hier nach dieser spielverderberischen Regel spielen würden.

      „Das ist ja langweilig dann…”, wandte der kleine fette Skater ein.

      „Was glaubst du, wozu diese fünf in der Mitte da sind, Kerl?” Frasther gestikulierte wild in Richtung Mittelfeld. „Na, sicher zum Abziehen, wie alle anderen auch! Man schießt ja auch mit dem Goalie und der Abwehr seine Tore, oder etwa nicht? Wie’s halt im richtigen Fußball auch so ist”, erklärte er laut genug, dass das auch ja alle mitkriegten.

      „Aber dann kann einer, wenn’s blöd läuft, mal ein paar Tore hintereinander mit einem einzigen Schuss machen…”, ließ der kleine fette Skater nicht locker.

      „Hör mal, wir spielen hier MIT MITTE, ist das klar? Wenn’s dir nicht passt, kannst du ja deinen Platz für einen der anderen hier freimachen, der damit nicht so’n Problem hat, hast' mich*?!”, wurde Frasther noch um eine Spur lauter. Seine Halsadern schwollen ganz leicht an.

      Das Spiel begann und schon nach den ersten beiden Bällen zeigte sich, dass die vielen tausend Trainingsstunden mehr, die er auf dem Buckel hatte, schwer zu Frasthers Vorteil waren. Er spielte elegant mit der Mitte zum Angriff, nur um den Rotzaffen zu zeigen, dass er das sehr wohl auch konnte, wenn er wollte. Dann legte er sich die Kugel vor und zog ab, noch bevor der gegnerische Torwart reagieren konnte. Den dritten Ball versenkte der kleine fette Skater, ohne mit der Wimper zu zucken, gleich nach dem Einwurf aus der Mitte heraus. Frasther revanchierte sich sofort auf die gleiche Art und Weise und ließ ein dröhnendes „Hö-hö-höö” ertönen. Minuten später war die Sache geritzt und Frasther und sein Mitspieler hatten neun zu zwei gewonnen.

      „Seitenwechsel!”, skandierte der kleine, fette Skater und legte eine Kröte auf die Tischplatte.

      „Von mir aus”, brummte Frasther.

      Diesmal dauerte das Spiel um einen gerauchten Tschick länger, doch das Ergebnis war fast dasselbe – Team Frasther gewann mit acht zu drei. Frasther führte das darauf zurück, dass es ihm gegen diese Gegner keinen rechten Spaß machte – seine spielerischen Fähigkeiten waren denen der Jungs einfach zu überlegen. Darum überließ er die Bürschchen auch wieder ihrem Schicksal, obwohl sie ihn beinahe anflehten um ein weiteres Spiel.

      „Übt noch ‘n paar Jahre, dann spielen wir wieder mal”, brummelte er und ließ sie stehen. Mit dem Bier in der Hand stakste er durch das Lokal; aus den Augenwinkeln heraus erspähte er kurz Garstmuth, dem von dieser Kleinen immer noch das Ohr abgekaut wurde. Naja, so wie die beiden inzwischen grinsten, würde sie ihm heute sicher auch noch was anderes abkauen. Er stellte sich am Flipperkasten auf, parkte sein Bier auf der dafür vorgesehenen Ablage und begann, ein wenig herumzuflippern.

      Eine Viertelstunde und einige investierte Kröten später war er fuchsteufelswild; dieser Mistkasten hatte einige kaputte Federn, was das Spielen nicht gerade leichter machte – und Frasther war sowieso nicht gerade der beste Verlierer. Mit einem mächtigen Tritt brachte er das Ding zum tilten und schwor sich zum x-ten Mal in seinem Leben, nie wieder Kohle in so einen Dreckskasten reinzustecken. Schnaubend ergriff er sein Bier und leerte es mit einem großen Schluck. Dann drehte er um und latschte zur Bar hinüber, um Nachschub zu holen. Garstmuth war verschwunden.

      Gut, überlegte er, dann ist er mit der Kleinen auf das Scheißhaus, das heißt, dass wir sie nachher nicht mitschleppen müssen. Ein Vorteil.

      Inzwischen hatte der DJ auf Rainbow umgeschaltet, „Man on the silver mountain” dröhnte durch die Bude. Er steckte sich einen Tschick an und blies eine dicke Rauchwolke in das schummrige Barlicht. Der viele Alkohol, den er heute bereits wieder zu sich genommen hatte, versetzte ihn nun in einen angenehm benebelten Zustand; gemütlich an der Bar hängend, kam er ins Grübeln und dachte an den nächsten Tag.

      Den Bumsti im Häfn besuchen, gut, das war eine Sache. Und dann erstmal abwarten und schauen, ob dieser Assl auch wirklich Wort hielt und alles wie vereinbart klappen würde. Er persönlich hielt ja nicht viel von bewaffneten Auseinandersetzungen – Knarren waren was für Weicheier, Männer, die etwas auf sich hielten, regelten ihre Probleme mit den Fäusten – und doch hatten sich die verfluchten Bleispritzen schon gelegentlich als nützlich erwiesen.

      Krachend kam eine Holztür in den Raum geflogen, die Splitter stieben nur so in der Gegend herum. Frasther blickte verwundert, aber nicht besonders überrascht auf und drückte seinen Tschick aus. Es schien sich um die Scheißhaustür zu handeln.

      Durch die Tür kam jetzt ein Prolet hereingetorkelt, ein Stammgast im 'Sherriff’s Arrest', wie unschwer an den Cowboystiefeln und dem lächerlichen Hut zu erkennen war. Der Kerl hatte den Rückwärtsgang eingelegt und wirkte besoffen. Doch als er hintüber fiel, konnte man deutlich sehen, dass er nicht durch übermäßigen Alkoholkonsum, sondern vielmehr durch einen mächtigen Bock*, den er übernommen und der eine riesige Platzwunde an seiner Unterlippe verursacht hatte, ins Trudeln gekommen war.

      Jetzt ging das übliche Getue los: Die Weiber kreischten hysterisch auf, die Musik hörte auf zu spielen, hektisches Stimmengewirr erhob sich, ein paar Typen rannten planlos durcheinander und suchten mit blutunterlaufenen Blicken jemanden, dem sie in die Goschn hauen konnten. Vom Scheißhaus her kam derweil lautes Gebrüll von zwei, drei Kerlen und noch lauteres Gezeter von etwa ebenso vielen Weibern. Dann ertönten Kampfgeräusche, ein paar Pracker, Gefluche, Gerumpel, noch ein paar Pracker.

      „Du Drecksau! Krepier!!!”, erfüllte Garstmuths Bass, zornig wie Donnergrollen, auf einmal die Kneipe. Ein weiterer Schlag klatschte, das Geräusch von geballten Fingerknöcheln, die mit massiver Wucht auf ein Nasenbein oder einen ähnlichen Knochen trafen.

      „Woouuuhh…”, wimmerte eine männliche Stimme. „Aaah! Hiilfää!”, kreischte eine weibliche Stimme. Seelenruhig erhob sich Frasther von seinem Barhocker.

      Vom Scheißhaus her rumpelte es erneut und ein weiterer Knabe in Cowboy-Outfit kam hervorgekrochen. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – der Kerl versuchte auf allen Vieren, im blitzartigen Krabbelgang wie ein zu groß geratener Mistkäfer, Garstmuth zu entkommen, der den Burschen an einem Zipfel seines Hemdes festhielt..

      „Hiergeblieben, du perverse Drecksau!”, brüllte er und verpasste ihm einem mächtigen Tritt in den Arsch, ohne jedoch den Hemdzipfel loszulassen. Japsend brach der Kerl nieder und versuchte nun, sich schlängelnd und robbend irgendwie von Garstmuth