Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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ihm ein Blick auf die Tankanzeige.

      „Was hat er denn da für Kunst bei sich rumsteh'n, ist das wirklich so extrem?”

      „Ich sag’ dir, der Luis hat so einen blöden Weiß-Tick; ich war ja schon in seiner Bude, der hat da überall weiße nackte Statuen und riesige, weiße Gemälde, auf denen außer dem Weiß nur ein paar wenige, bunte Linien und Kringel zu sehen sind. Totaler Mist halt, wie ich schon sagte. Keine Ahnung, was die Dinger so gekostet haben, sehen aber teuer aus. Er trägt auch fast immer weiße Anzüge…”

      „Doch nicht etwa auch weiße Socken?”, fragte Garstmuth erschrocken nach.

      „Hmm, wär' mir nicht aufgefallen – aber ich schwör’ dir, da acht' ich das nächste Mal drauf. Wenn der Kerl wirklich weiße Socken trägt, dann hau' ich ihm dermaßen eine rein…” Mit diesen Worten kamen sie an der Tanksäule zu stehen und stiegen aus. Frasther führte den Tankrüssel in den Schlund des Jeeps ein und Garstmuth ging schon mal vor, um sich mit Essen und Getränken für eine längere Fahrt auszustatten.

      Wenige Minuten war Frasther mit seinen Gedanken allein. Als er den Jeep fertig aufgetankt hatte und ebenfalls den Verkaufsraum der Tankstelle betrat, war Garstmuth bereits mit zwei Sechserträgern ausgestattet. In der freien Hand hielt er ein gewaltiges Sandwich und schlang selbiges mit riesigen Bissen in sich hinein.

      *FRESSEN* durchzuckte es Frasther.

      Er orderte ein Lachs- und ein Schinkensandwich, sowie eine Currywurst mit ordentlich Soße und bezahlte den Fraß zusammen mit der Tankfüllung.

      „He, für mich auch noch eine Curry und eine Ladung Fritten!”, verlangte Garstmuth, der sein Monstersandwich schon bis auf die letzten drei Bissen niedergerungen hatte, laut mampfend nach mehr. Draußen tuckerte dröhnend ein schweres Geländemotorrad heran. Frasther zahlte Garstmuths Zeug auch noch mit und bestellte seinerseits noch eine Ladung Fritten zur Currywurst dazu. Das Motorrad draußen gaste laut mehrere Male auf.

      „Entschuldigung, aber könnten Sie vielleicht den Jeep schnell wegfahren, bevor Sie essen? Der da draußen will tanken…”

      „Aber der hat doch noch drei Säulen frei! Und so wie der rumgast, hat er auch noch mehr als genug Sprit, um schnell rüberzufahren!“, begehrte Frasther auf.

      „Schon, aber das ist ein Stammkunde, der tankt immer an dieser Säule…”

      „Mir wurscht, da steht jetzt mein Jeep und der bewegt sich dort erst weg, wenn ich gegessen habe! Und da ich schon bezahlt habe, geh' ich hier nicht weg, bevor wir unsere Wurscht verdrückt und unsere Fritten gefuttert haben, klar?”, wurde Frasther laut.

      „Mein Herr, mir persönlich ist das ja egal, aber der Schurl kann sehr ungehalten werden…”, versuchte es die Verkäuferin erneut, doch Fraster unterbrach sie, indem er mit herrischer Geste auf die brutzelnden Pommes Frites deutete.

      „Lass ihn nur ungehalten werden, Mädel, ich sorg' schon dafür, dass er dann wieder Haltung annimmt!“, brummte Garstmuth wohlwollend.

      Die Verkäuferin, der wohl nichts Gutes schwante, machte sich schleunigst daran, ihren erwartungsvoll grinsenden Kunden das Essen auszuhändigen. Gerade als die beiden auf dem ersten Bissen der Mahlzeit herumkauten, flog die Tür auf und ein Hüne im Blaumann und mit massiven Fellhölzlern an den Tretern erschien mit hochrotem Kopf auf der Bildfläche, einen Motocross-Sturzhelm in der Hand. „Wem gehört dieser Scheißjeep?”, brüllte er.

      „Lass den mir, Alter!”, raunte Garstmuth in verschwörerischem Tonfall. Frasther wollte im Moment eh nur in Ruhe seine Wurst und seine Fritten verdrücken, daher nickte er nur stumm mit dem Kopf und grinste in diebischer Vorfreude zu dem Vieh von einem grantigen Proleten in der Tür hinüber. Garstmuth hatte einen formidablem Stil bei solchen Auftritten, also lehnte Frasther sich entspannt zurück und genoss das Schauspiel.

      „Der gehört mir!”, sagte der Mutl forsch und trat dem Schurl mit übertrieben lässigem Schritt entgegen, genüsslich Fritten in sich hineinstopfend. „Was dagegen?”

      „Fahr den weg, aber sofort!!!”, herrschte der Kerl ihn mit hochrotem Kopf an. Er schien wirklich in äußerster Rage zu sein, sämtliche Adern an seinem Hals und auch die auf seiner Stirn traten hervor; man konnte richtig sehen, wie der Typ kochte. Er mochte etwa Frasthers Größe haben und wirkte ganz ordentlich durchtrainiert, wie sich das für einen Motocrosser gehörte. Eine interessante Konstellation, dachte sich Frasther, ein Gegner, kein Opfer.

      „Wegfahren? Ich bin am Essen!”, sagte Garstmuth und ein spöttisches Lächeln zog sich über seine Lippen. Demonstrativ schob er sich eine weiteres Stück Wurst zwischen die Zähne. Da stürmte der Schurl auch schon auf ihn zu, den Motocrosshelm zum Schlag erhoben.

      Schwerer Fehler, dachte Frasther sich noch. Garstmuth machte einen schnellen Schritt auf den Kerl zu und ließ seine Endfaust, ansatzlos aus der Schulter heraus geschlagen, mitten in der blöden Visage des Kerls ihr Ziel finden. Dieser Trottel hatte nicht mal auf seine Deckung geachtet. Mit lautem Plastik-Geschepper landete der Helm, der Schurls nunmehr kraftlosen Händen entglitten war, auf dem Boden. Sein Besitzer wurde richtiggehend aus seinen Hölzlern gehoben, dermaßen heftig war die Energie des Schlages gewesen, der soeben in seiner Fresse explodiert war. Das Klatschen und Knirschen beim Einschlag machte auch einem Schwerhörigen klar, dass da wohl einige Behandlungen beim Kieferchirurgen anstanden. Zu seinem Glück bekam der Schurl das nicht mehr mit – er war bereits weg vom Fenster, lange bevor er auf dem Boden aufschlug.

      Niemals im Sturmangriff auf einen Mann mit überlegener Reichweite zurennen, dachte sich Frasther enttäuscht und schüttelte den Kopf. Hätte ein guter Kampf werden können, aber der Motocrosser verfügte über miserable Ringintelligenz.

      „Höhö-höö!”, freute sich Garstmuth und rieb sich die Knöchel. „Ob der den Abdruck der heiligen Schrift in der Fresse hat, wenn er aufwacht?” Er präsentierte seine Schlagfaust mit dem KRPR drauf.

      „Ich hätte die Buchstaben damals spiegelverkehrt machen sollen, damit man’s dann besser lesen kann”, philosophierte Frasther, der sich bereits über Garstmuths Fritten hergemacht hatte. Sie überließen es der Verkäuferin und einem eiligst herbeigeeilten, nicht besonders helle wirkenden Hilfs-Tankwart, sich um den reglos daliegenden Schurl zu kümmern und vertilgten genüsslich den Rest ihres Essens.

      „Siehst du, war doch gar nicht so schlimm, der Schurl!”, merkte Frasther mit Seitenblick auf die Verkäuferin noch fröhlich an, als sie die Tankstelle verließen. Danach fuhren sie, jeder eine Dose Bier in der Hand und einen Tschick in der Pappn, gemütlich die restliche Kontrolltour ab. So hatten sie es zumindest geplant, doch schon beim übernächsten Huhn, das sie abkassieren wollten, mussten sie unnatürlich lange drauf warten, bis die Schnepfe wieder an ihrem Standplatz auftauchte. Sie überbrückten die Zeit mit einigen niveaulosen Scherzen, bis endlich eine mittelprächtige Fernost-Limo hielt. Es stieg eine Tussi aus, an deren Gesicht sich Frasther auch noch dunkel erinnern konnte. Nur, sie wirkte ziemlich aufgeregt – als sie Frasther in seinem Jeep entdeckte, schleuderte sie ihm in hohem Bogen ihre Handtasche entgegen.

      „Nanu, was ist denn mit der los?”, staunte Garstmuth nicht schlecht.

      Frasther fuhr mit Standgas langsam auf sie zu und ließ die Scheibe herunter.

      „Was ist denn in dich gefahren?”, fragte er schroff.

      „Ach, der Luis ist ja gar nicht bei dir – wo steckt denn dieses Arschloch, verdammt?”, fauchte sie ihn an.

      „Der hat geschäftlich zu tun und deshalb übernehme ich das hier für ihn und ich will jetzt wissen was diese Spinnerei soll!”, schnauzte Frasther zurück.

      „Sag der fetten Sau, wenn er schon groß abkassieren will, dann soll er gefälligst auch was dafür tun. Ich lass' mich weder bedrohen, noch abwerben und schon gar nicht lass’ ich mich im Preis drücken, nur weil dieser Idiot seine Konkurrenz nicht im Griff hat!”

      Frasther und Garstmuth blickten sich kurz an.

      „Heißt im Klartext?”, fragte Frasther weiter.

      „Heißt im Klartext, dass