Hans-Jürgen Setzer

Der meergrüne Tod


Скачать книгу

bewegte sich in Richtung Tür und verschwand.

      Alle schauten betroffen und ein wenig hilflos. Einige zuckten mit den Schultern.

      Die Westküste entdecken

      „Sag mal, hast du mal was von ‚Kloster Kylemore Abbey’ gehört?“, fragte Sophie.

      „Nein, was soll das sein?“ Leon schaute Sophie mit großen Augen an.

      „Das erste Highlight unserer Irlandreise. Es wurde von einem Paar im Stil eines Schlosses gebaut und ist heute ein Benediktinerinnenkloster mit einem Mädchenpensionat.“

      „Okay, da müssen wir dann natürlich hin“, witzelte Leon.

      Sophie gab ihm einen Boxhieb auf den Oberarm und lachte. „Wie du weißt, erobern wir ja die ganze irische Westküste und nicht nur das Irish Pub mit dem Freibier. Ich freue mich so darauf und bin froh, dass wir auf eine Woche verlängert haben. Irland muss traumhaft sein. Die letzten Tage habe ich viel darüber gelesen.“ In Sophies Stimme war deutlich die Begeisterung zu spüren.

      „Für mich ist das alles noch ganz weit weg. Die letzten Tage war ich mit äußerst schrecklichen Themen befasst. Aber du hast recht, wir sollten uns jetzt mal so langsam darauf einstimmen und abschalten. In acht Tagen geht es schließlich los.“ Dabei war in Leons Stimme fast ein spürbarer Hauch von Panik.

      „Genau, bald geht es endlich los“, sagte sie freudig erregt.

      „O Mann, eine ganze Woche für uns. Ich bin echt gespannt, wie das wird.“ Er nahm Sophie in den Arm und schaute mit in die Reiseprospekte. Leon war ein wenig unsicher, wie das ausgehen würde. Das drückte auch seine Stimme aus. Er hatte sich mindestens eine halbe Ewigkeit nicht mehr so intensiv auf eine Beziehung eingelassen.

      Sophie jedoch sprudelte vor Begeisterung. „Hör mal: Bahnfahrt nach Limerick und Stadtbesichtigung. Limericks kenne ich aus dem Englischunterricht, toll. Danach Besuch einer Burg und eines Parks. Nach dem Lunch in einem Pub in Doolin, anschließend Fahrt zu den Cliffs of Moher.“

      „Was ist das denn?“, fragte Leon.

      „Das sind die spektakulärsten Steilklippen an der Atlantikküste. Sieht toll auf den Fotos aus. Aber es kommt noch besser: Weiterfahrt zum Blackhead in das Burren-Gebiet und zur Bucht von Galway, dort Übernachtung im Dreisternehotel und am nächsten Tag Rückreise nach Dublin.“

      „Und was ist daran jetzt das Besondere? Sorry, ich habe keine Ahnung von Irland. Ich weiß nur, wie ein Kilkenny schmeckt.“

      „Dort steht ein Dolmen. Ist das nicht toll?“ Sophie sprang auf und tanzte vor Freude.

      „Dolmen, ist das die Abkürzung für einen Übersetzungsautomaten irisch-deutsch?“, fragte Leon nichtsahnend frech grinsend.

      „Schau mal hier das Foto. Ein Dolmen ist ein aus großen Steinblöcken errichtetes Bauwerk. Es diente als Grabstätte und ist aus mehreren, aufrecht stehenden Steinen erbaut, die meist eine oder mehrere Deckenplatten tragen. Du kennst das bestimmt aus Filmen. Das sind echte Kraftorte voller Magie. Manche fahren nur deshalb dorthin.“

      „Aha, Magie, hm. Du überraschst mich immer mehr. Was du so alles weißt. Am Ende bin ich mit einer Hexe zusammen.“ Leon fragte sich, ob der Urlaub wirklich nach seinem Geschmack werden würde.

      „Sei nicht so negativ. Eine kleine Erdung wird sicher auch dir nicht schaden.“ Sie grinste. „Wir werden bestimmt viel Spaß haben. Die grüne Insel. Wir beide. Und jede Menge tolle Sachen zum Anschauen. Das wird ganz sicher eine sehr abwechslungsreiche Reise. Das wirst du sehen. Danke dafür.“ Sophie gab Leon einen langen leidenschaftlichen Kuss.

      „Okay, du hast mich überzeugt. Es wird toll, denn, wenn wir zwei zusammen unterwegs sind, kann es nur fantastisch werden. Egal wie, wo und bei welchem Wetter.“

      „Das hast du schön gesagt, Leon. Du bist süß.“

      „Du bist süßer.“ Er nahm sie erneut in den Arm.

      „Nein, du“, sagte sie.

      Sie küssten sich und die Zweifel waren auch für Leon fürs Erste begraben.

      „Bist du eigentlich mit deiner Geschichte über Drogen und ADHS weitergekommen?“, fragte Sophie ganz beiläufig, während sie kuschelnd im Bett lagen.

      „Ich hänge gerade so ein bisschen, wenn ich ehrlich bin. Ein toller Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe ist ins Stocken gekommen, bevor es richtig losging und der erste wichtige Informant, ein Schüler und ADHS-Erkrankter, blockt leider auch. Du hast recht, ich könnte gleich nachher mal meine Mailbox checken. Ich hatte eine Aktion im Internet gestartet. Vielleicht gibt es ja dort schon Rückmeldungen.“ Leon wurde nun ganz unruhig, driftete mit seinen Gedanken ab in Richtung seiner Story und wälzte sich hin und her.

      „Geh ruhig und schau nach, mich stört es nicht“, sagte Sophie verständnisvoll, weil sie merkte, wie Leon sich quälte.

      „Danke, Schatz, du bist echt lieb.“

      „Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn einen etwas so beschäftigt.“ Sophie lächelte.

      Leon checkte sein Email-Konto. „Das klingt ja spannend.“

      „Was gibt’s denn?“, fragte Sophie interessiert.

      „Da behauptet eine Lea, die Selbsthilfegruppen, Foren und Internetseiten würden durch die Pharmaindustrie beeinflusst und unterwandert werden. Das wäre natürlich eine Superstory, wenn ich hier etwas beweisen könnte.“ Leon bekam ganz große Augen und einen Schub neuer Motivation, weiter zu recherchieren.

      „Ja, klar, das denke ich mir, dass hier manipuliert wird“, sagte Sophie und stand nach einem kurzen Recken und Strecken aus dem Bett auf. „Die sichern sich bestimmt genügend ab. Geld steckt ja genug dahinter.“

      „Wie könnte man aus erster Hand an Informationen herankommen? Das wird ja kein Mensch freiwillig zugeben, fürchte ich jedenfalls“, sagte er.

      „Da könntest du recht haben. Was hast du nun vor?“

      „Ich muss mal intensiv nachdenken.“ Leon nahm eine Position ein, die der Figur des Denkers sehr ähnelte.

      „Dann setz dich doch mal mit dieser Lea zusammen. Sie wird ja ihren Grund haben, dich anzuschreiben.“ Sophie massierte Leon den Nacken und veränderte so die Skulptur des Denkers in die des massierten Denkers. Das Bild amüsierte sie ein wenig.

      „Ja, das stimmt, antworten muss ich ihr sowieso. Ich versuche, mich mit ihr zu treffen.“ Leon war nun wieder zuversichtlich, endlich weiterzukommen. Er schrieb eine Antwortmail und bat um ein Treffen.

      Sie legten sich wieder ins Bett und da an Schlaf sowieso nicht mehr zu denken war, fanden sie andere Beschäftigungsmöglichkeiten für den Rest der Nacht.

      Wem hilft die Selbsthilfegruppe eigentlich wirklich?

      Die Emailverfasserin mit Namen Lea ließ nicht lange auf sich warten. Am nächsten Morgen war die Antwort bereits in Leons Mailbox eingetrudelt:

      Wir müssen uns an einem sicheren Ort treffen. Die Informationen sind wirklich sehr delikat. Ich schlage ein Treffen auf dem Hauptfriedhof in Koblenz vor, morgen 15:00 Uhr. Ich werde am Grab von Karl Baedeker warten. Treffen uns dort. Lea.

      „Ein Treffen auf dem Friedhof? Klingt ein wenig makaber und abgefahren. Vielleicht hat sie zu viele Spionagefilme gesehen. Bin ja mal gespannt, was mich dort erwartet.“ Er antwortete rasch und bestätigte den Termin.

      „Pass auf dich auf, Leon“, sagte Sophie. „Hauptfriedhof. Was ist das denn für eine seltsame Tussi?“ Sie schüttelte den Kopf.

      „Mach dir keine Sorgen, Süße. Ich bin ja schon groß. Werde wohl keinen Polizeischutz dafür benötigen, so hoffe ich jedenfalls. Obwohl, wenn es eine junge, süße Polizistin wäre …“ Leon gab ihr einen Kuss. „Sag mal, wusstest du, dass der Koblenzer Hauptfriedhof der drittgrößte Waldfriedhof Deutschlands ist und viele