Bianca Wörter

Wandlerin zwischen den Welten


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und morgendliche Luftfeuchtigkeit an, es wird wieder sehr heiß werden. Ich musste noch einkaufen. Vielleicht ein paar Äpfel, die aß ich an den heißen Tagen am liebsten. Dann Cornflakes mit Milch. Der Einkauf war sehr stressig - wo kamen die ganzen Menschen her, sollten sie nicht im Urlaub in Spanien oder sonst wo sein? Endlich fand ich mich am Strand ein, biss herzhaft in einen Granny Smith, ließ meinen Blick über das noch nicht aufgewühlte Wasser schweifen, genoss die Ruhe, bevor das Geschrei der kleinen und großen, besonders von den ganz großen Kindern begann. Einige der ganz großen Kinder befanden sich schon im seichten Wasser, jetzt war es noch möglich Wasserball zu spielen.

      Nachdem mein Apfel aufgegessen war, legte ich mich auf den Rücken, zündete mir eine Zigarette an und blickte in den blauen Himmel. Ich rekelte mich ein wenig hin und her, bis ich eine geeignete Liegestellung gefunden hatte und fühlte mich pudelwohl. Es war noch etwas kühl und eine leichte Gänsehaut überlief meine Haut, wenn sich eine Windböe in meine Richtung verirrte. Doch dies hörte bald auf, weil sich die Luft zunehmend erwärmte. Der Vormittag verging mit Sonnenbaden, Menschen beobachten und ab und zu am Wasser entlang zu laufen. Ich staunte immer wieder, wie schnell sich der Strand füllte, wie viele Familien sich hierher begaben, wie viele Kinder mit Pommes, Eis oder beidem in der Hand herumrannten, die heulten und schrien, weil sie etwas nicht bekamen, oder weil sie etwas bekamen, das sie nicht wollten, wie viele Eltern schimpften, weil die kleinen Plagegeister gleich nach dem Essen ins Wasser wollten, aber erst noch eine halbe Stunde verdauen sollten, wie viele Eltern meckerten, weil die Kleinen nichts essen wollten, weil sie eben nicht noch eine halbe Stunde warten wollten, bis sie ins Wasser durften, wie viele Eltern innerlich grinsten, weil die lieben Kleinen nicht aus dem Wasser wollten - "Aber ich frier doch noch gar nicht!" - und doch schon ganz blaue Lippen hatten und mit den Zähnen klapperten.

      Es war herrlich, all die Menschen zu beobachten, einen kleinen Einblick in die Familien und Partnerschaften zu erhaschen. Manchmal lernte man sie kennen oder aber man hörte die verschiedenen Vornamen und Begrüßungsfloskeln.

      Von irgendwoher rief jemand: "Guten Tag, Herr Meier. Sind sie auch hier?"

      'Blöde Frage! Das sieht man doch!', denkt sich dann Herr Meier.

      Aber Herr Meier grüßt artig zurück: "Oh, hallo, Herr Müller. Ja, man hält es bei diesem Wetter doch nur am Wasser aus. Wie geht es ihrer Frau?"

      Und so weiter und so fort. Ich konnte als Kind, wenn ich Zeit und Lust hatte, wenn ich ein solches Gespräch mithörte, fast immer genau voraussagen, was der andere fragte oder erwiderte, zumindest die einleitenden Floskeln.

      "Hallo, wie geht's?"

      "Gut, und dir? "

      "Auch gut, danke."

      Und schon kommt das Gespräch ins Stocken, man sucht nach weiteren Nettigkeiten, kennt die Regeln des Small Talks nicht und mit der Zeit wird es immer schwerer, sodass dann die Verabschiedung erfolgt: "So, man sieht sich", oder "Bis bald."

      Ich hatte einmal auf diese einleitende Frage einfach geantwortet: "Leider schlecht."

      Was folgte darauf?

      Kein Bedauerndes: "Oh, das tut mir leid. Kann ich helfen? Wo drückt der Schuh?"

      Nein, es kam ein ernüchterndes: "Das wird schon wieder. Tschüss."

      Seit ich meine Eltern kurz hintereinander vor mehreren Jahren verloren hatte, war ich als Einzelkind plötzlich ohne Familie. Meine Onkel und Tanten kannte ich nicht sonderlich, da diese recht weit weg von mir wohnten.

      Dadurch entwickelte ich mich zu einem ziemlichen Einzelgänger, war deswegen nicht verbittert, aber hatte einfach das Gefühl, dass die Menschen immer gefühlloser anderen gegenüber wurden. Manchmal war ich entsetzlich alleine. Besonders im Winter. Jetzt im Sommer konnte ich viel unternehmen, ich hielt mich gerne draußen auf, wanderte, fuhr Fahrrad, genoss die Natur. Die Winter vegetierte ich vor mich hin und im Sommer lebte ich wieder auf. Nach einem ausgedehnten Spaziergang am Wasser ging ich kurz in die kühlen Fluten und spülte meine ernsten Gedanken aus dem Kopf. Ich legte mich zum Trocknen in die Sonne und genoss das leichte Ziehen der Haut, als die Wassertropfen darauf langsam verdunsteten.

      Als ich mir eine Zigarette angezündet hatte, fiel mir mein Traum von der vergangenen Nacht wieder ein. Ich träumte von Yan. Aber diesmal war es ein guter Traum gewesen. Ich erinnerte mich an eine Szene aus dem Traum: Ich ging in der Stadt spazieren und sah auf einmal Yan vor mir stehen.

      Ich sagte nur kurz verblüfft: "Du schon wieder?"

      Und auch dieser Traum erfüllte sich nun, denn Yan stand plötzlich vor mir. Ich betrachtete ihn mir genauer, er sah nämlich richtig gut aus. Er hatte eine sympathische Ausstrahlung und hell leuchtende, grüne Augen.

      "Hallo, Yan", begrüßte ich ihn freundlich, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, dass ich ihn am vorherigen Tag so unfreundlich hatte gehen lassen.

      Er war mir vielleicht nur wenig sympathisch vorgekommen, weil ich ihn noch als meinen 'Rollstuhlmörder' aus meinem Traum im Kopf hatte. Sichtlich erleichtert, dass ich nicht wieder so abweisend war, ließ sich Yan neben mir nieder.

      "Hallo, Alena. Ich hatte gestern Angst, dass du mich als zu aufdringlich abschreiben würdest."

      Aber nein: "Das war mein erster Gedanke."

      "Und jetzt?"

      "Ich sehe keinen Grund, warum wir uns nicht miteinander unterhalten sollten."

      Er hatte wirklich ein bezauberndes Lächeln - warum fiel mir das erst jetzt auf?

      Er hatte kurzes, braunes Haar, das an vielen Stellen durch die Sonne aufgehellt war und herrliche Lichtkontraste tanzten darauf. So langsam kam in mir der Drang durch, mich von meiner besten Seite zeigen zu wollen. Ich zog an meiner Zigarette und schaute Yan an, er ließ gerade seinen Blick über das Wasser gleiten, so wie ich am Tag zuvor.

      'Gut, dann habe ich noch Zeit ihn ein wenig zu mustern', dachte ich frech.

      Plötzlich drehte er seinen Kopf wieder zu mir und sah mich direkt an. Das war der Moment, als mein Herz auf einmal schneller zu schlagen begann und ich mich zwang meinen Blick langsam von ihm abzuwenden anstatt schnell und wie ertappt. Ich spürte, dass er mich nun auch genauer ansah, als ich den Strand nach irgendetwas Wichtigem absuchte. Was er wohl mit seinen Augen sah? Langes, dunkelblondes Haar, das mir bis in den Rücken reichte, dunkelgrüne Augen, eine kecke, nach oben gerichtete Nase - das war meine Außenansicht. Ich war eine hübsche Durchschnittsfrau, die ein betörendes Lächeln auf ihr Gesicht zaubern konnte. Manchmal konnte ich hinreizend, aber auch mal ganz schön reif aussehen, je nachdem, wie ich mich kleidete. Ich suchte Yans Blick. Er sah mir in die Augen, mein Herz setzte ein paar Takte aus und versuchte diesen Fehler mit ein paar schnelleren Schlägen wieder wettzumachen.

      "Ich möchte dir sagen, dass ich nicht hier bin, um mit dir wieder über diesen verrückten Traum zu sprechen, denn wir wissen sowieso nicht, was das war und ob es wieder geschehen wird und ich bin der Meinung, dass wir nichts daran ändern könnten. Vielleicht sollten wir das einfach als Anlass nehmen, dass wir uns kennen gelernt haben", fing Yan an.

      Natürlich – grinste ich. Das hatte ich mir fast gedacht, und obwohl ich am Tag zuvor etwas abgeneigt gewesen war, so wollte ich mir diese Chance an diesem neuen Tag nicht mehr entgehen lassen.

      Ich holte eine Flasche Wasser aus meinem Rucksack heraus und bot Yan einen Schluck an, den er gerne entgegen nahm. Das Eis war durch diese kleine Geste erst einmal gebrochen. Wir unterhielten uns allgemein über die Jobs, die wir ausübten, über das Wetter, über Filme, die wir zuletzt gesehen hatten und viele weitere Themen, die man austauscht, wenn man sich kennen lernt. So erfuhr ich auch, dass er keine Freundin hatte und dass mein Interesse, so schlussfolgerte ich, bei ihm echte Chancen haben könnte. Dann schlug ich vor, dass wir eine Runde ins Wasser gehen sollten, was wir auch taten. Nach dem erfrischenden Bad spazierten wir ein wenig am Wasser herum und lachten viel. Es kam mir in diesen Augenblicken so vor, als ob ich die Hauptperson in einem Kitsch-Roman wäre, aber wie das Leben spielt, geschehen tatsächlich solche Storys. Es war kein Wunder, dass er mich, nachdem ich verzweifelt versuchte die Sonnencreme auch auf meinem Rücken zu verteilen, ohne große Worte aus dieser verzweifelten