nur noch Augen für uns und es lag ein gewaltiges Knistern zwischen uns in der Luft.
"Sehen wir uns heute Abend?", fragte diesmal Yan.
"Gern."
"Ich komm ein Stück mit dir mitgefahren."
"Wo wohnst du denn eigentlich?", fragte ich unbekümmert.
"In der Schillerstraße."
Ich schluckte: "In der Stadt?"
"Ja, wieso?"
"Ich auch."
Yan verstummte.
Ich lachte: "Und wir haben uns nie gesehen! Das ist die Anonymität der Großstadt!"
Aber manchmal auch Auslöser für Überraschungen wie bei uns. Im weiteren Vergleich fanden wir heraus, dass Yan an dem einen Ende der Straße und ich am anderen Ende wohnte. Die Straße selbst hatte eine stolze Länge von gut zwei Kilometern, so war es kein Wunder, dass wir uns nie über den Weg gelaufen waren. Zumal ich sowieso nur in meiner Wohnung zum Schlafen war und gerade einmal drei Jahre dort wohnte, aber nicht wirklich dort lebte.
"Gehen wir wieder Eis essen?", fragte Yan.
"Das klingt verlockend!"
Wir radelten so, dass mich Yan kurz nach Hause brachte und ohne Umweg zu sich nach Hause fahren konnte. Um acht Uhr verabredeten wir uns. Ich wollte ihn mit meinem Auto abholen, stand pünktlich vor seinem Haus, in dem er wohnte. Ich hatte mich an diesem Abend besonders hübsch angezogen, trug einen wildledernen, kurzen Rock mit passendem, weit ausgeschnittene Oberteil. In der abklingenden Hitze des Tages war es genau das Richtige. Ich musste herzlich lachen, als mir Yan aus der Tür entgegenkam. Er trug eine Khakihose und dazu ein hellbraunes, kurzärmeliges Hemd.
Als er in meinem Auto saß, fragte er verunsichert: "Warum lachst du?"
Ich lachte noch einmal kurz auf: "Als ich dich gestern vor der Eisdiele sah, dachte ich, dass das, was du anhattest, gar nicht so dein Stil ist, sondern eher das, was du heute trägst. Ich hatte recht, oder?"
Yan grinste und das war Antwort genug. Wir fuhren los und parkten am Wasserturm. Nach einem kleinen Umweg kamen wir an der Eisdiele an und ich bestellt diesmal nur drei Kugeln, was Yan freundlich lästernd kommentierte. Der Abend verlief so harmonisch wie der ganze Tag und bald schon standen wir am Auto, erzählten und ich konnte es noch nicht so ganz glauben, was mir da widerfuhr. Es war zu schön, zu perfekt, um wahr zu sein. Wir verstanden unsere Gesten, unsere Worte ohne Missverständnisse. Ich lehnte mich an die Seite meines Golfes und schaute hoch zu den Sternen, die über unseren Köpfen funkelten. Der Himmel war klar und vollkommen schwarz, wie Samt, in dem Diamanten glitzerten. Ich fing langsam an zu frösteln, wollte mich aber noch nicht von Yan trennen. So versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen, aber die Gänsehaut, die meine nackten Arme und Beine überzog, war Yans Blick auch im Dunkeln nicht entgangen. Er stand plötzlich ganz nah vor mir, legte seine Arme um mich, drückte seinen Körper fest an meinen und ich legte meine Arme um seine Hüften. Er beugte seinen Kopf langsam zu meinem Gesicht herab und ich schloss meine Augen. Seine Lippen auf meinen fühlten sich unheimlich warm und weich an und Gefühle von Verliebtsein und Lust schossen durch meinen Körper. Nur nicht loslassen, dachte ich, nur nicht diesen Kuss jemals enden lassen. Genau das hatte ich mir so sehr gewünscht! Ich spürte seine Zunge, öffnete meinen Mund, genoss die leichten Berührungen, legte meine Hand auf seinen Hinterkopf und drückte ihn noch näher zu mir heran, damit ich ihn ganz spüren konnte. Außer Atem trennten wir uns schließlich, mir kam es vor, wir hätten uns zeitlos ununterbrochen geküsst. Sanft im Arm haltend schauten wir uns an. Ich konnte seine Augenfarbe im Dunkeln kaum erkennen, aber ich sah das Glänzen darin, das er wahrscheinlich auch in meinen Augen sehen konnte. Mir war nicht mehr kalt, doch der Zauber des Momentes war vorbei, wir setzten uns wortlos in mein Auto. Ich brachte ihn nach Hause und fuhr allein in meine Wohnung. Sofort legte ich mich ins Bett, drehte mich auf den Rücken, verschränkte die Arme unter meinem Kopf und ließ die vergangenen, wunderbaren Momente vor meinem inneren Auge nochmals Revue passieren. Es war gut, dass wir uns nicht noch einmal geküsst hatten. Wir hätten sonst die Nacht nicht allein verbracht und obwohl ich nichts dagegen gehabt hätte, wäre es trotzdem schade gewesen, diesen Moment schon so bald zu erleben, anstatt ihn weiter hinaus zu zögern.
Ich war verliebt!
An Schlaf war jetzt überhaupt nicht zu denken, ständig drehte mich im Bett hin und her und konnte mich von dem wunderbaren Geschehen der letzten Stunde nicht trennen. Ob es Yan genauso erging? Ich stand schließlich auf, schenkte mir ein Gläschen Wein ein, zündete eine Zigarette an, öffnete das Küchenfenster und genoss die kühle Luft, die hereinströmte. Nachdem ich das Glas geleert und eine weitere Zigarette geraucht hatte, fühlte ich mich etwas ruhiger, legte mich wieder ins Bett und schlief bald ein.
Der Sommer schien Tag für Tag heißer zu werden. Das Wasser am See wurde leider auch immer wärmer, sodass wir am nächsten Tag kaum noch Abkühlung fanden. Wir lagen ziemlich müde im Schatten und wollten uns gar nicht bewegen. Ich war an diesem Morgen schon sehr früh wach und hatte meine Wohnung durchgelüftet. Da war es noch angenehm gewesen. Auch am frühen Morgen war es am See noch herrlich. Yan hatte mich zuhause abgeholt und wir waren gemeinsam geradelt, hatten uns unterhalten, gelacht, geflirtet. Wir ließen uns an unserem 'Stammplatz' nieder und fingen an, unser Blut in uns zum Kochen zu bringen. Unbewusst, aber deswegen nicht ineffektiv.
Den ganzen Morgen gab es bei uns ein spielerisches Berühren beim Schwimmen, leichtes Streicheln beim Tauchen, dann das Eincremen des Rücken des anderen, das kurze Anfassen des Armes beim Erzählen, dann die Erinnerung des Kusses am vergangenen Abend, die Erinnerung an das Verlangen in der einsamen Nacht, die heiße Schwüle des Sommertages. Ich hatte ein echtes Verlangen nach seinem Körper, seiner Nähe.
Und wir brüteten in der Hitze vor uns hin.
Ich drückte ärgerlich meine Zigarette aus - bei dieser Hitze schmeckten sie nicht. Ich gönnte mir lieber viele Vitamine in Form von Äpfeln und Müsliriegeln mit getrockneten Früchten.
Gegen Abend war es von den Temperaturen her wieder herrlich am See zu liegen, doch die Schnaken waren an diesem Abend noch aufdringlicher. Es kam ein frischer Wind auf und wir merkten zu spät, dass ein Gewitter aufzog. Erst, als der Wind heftiger wurde und ein grollendes Donnern an unsere Ohren drang, beschlossen wir unsere Siebensachen einzupacken.
Lachend stürmten wir zu unseren Fahrrädern und traten kräftig in die Pedale. Das Gewitter zog zum Glück an uns vorüber, doch der lang ersehnte Regen nicht!
Wir fuhren in eine richtige Regenfront hinein auf einem Feldweg entlang gerade noch zwei Kilometer von der Stadt entfernt und waren ohne Schutz dem Platzregen ausgesetzt. Es kühlte zunehmend ab und ich begann zu frösteln, obwohl mein Körper noch erhitzt war durch die Sonne und die Bewegung auf dem Fahrrad. Plötzlich entdeckte Yan eine kleine Scheune. Wir radelten schnell hin und stellten uns pitschnass dort unter. Ich versuchte die kleine Eingangstür in dem Scheunentor zu öffnen und stellte erstaunt fest, dass diese nicht abgeschlossen war. Ein kurzer Blick - die Scheune war leer. Schnell zog ich Yan hinein, unsere Räder nahmen wir sicherheitshalber mit. Ich lachte und war auf einmal doch ziemlich unsicher. Wir waren ganz allein in einer dunklen Scheune, allein.
Jetzt war unsere Zeit angebrochen - wir berührten uns, umschlungen uns, mein Atem ging schneller, mein Herz schlug so laut, dass ich dachte, Yan müsste es hören. Auf Zehenspitzen stehend umarmte ich Yan am Hals, drückte meine Lippen auf seine, die sich bereitwillig öffneten. Sein Atem ging genauso schnell wie meiner und während unseres innigen Kusses gingen unsere Hände auf Wanderschaft. Ich streichelte seinen Rücken, genoss die Wärme seiner Hand auf meinem Rücken, meinem Po. Ich rückte ein wenig von ihm ab, streichelte seine Brust, wollte seine Haut spüren und begann ihm das Hemd aus seiner Hose zu ziehen, doch Yan rückte von mir ab.
Er sagte heiser: "Nein, Alena. Ich möchte nicht hier sein, wenn ich mein Verlangen nach dir nicht mehr zügeln kann."
Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
'Das ist doch echt romantisch hier!', dachte ich.
Die Scheune war in Dämmerlicht getaucht, viele undichte Stellen ließen den