Valuta Tomas

Restart


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sein. Sie will ihm zeigen, dass sie wieder zu Hause ist, auch wenn ihr Gehirn noch nicht zu hundert Prozent geladen ist. Warum kann sie ihren Körper aber nicht weiter bewegen? Wieso starrt Ryan sie genauso an, wie eine ihrer ekelhaften Porzellanpuppen? Was soll das??

      Eden kämpft weiter und bemerkt, dass ihre Blockade ziemlich schnell Risse bekommt und dann in sich zusammenfällt. Erleichtert nähert sie sich Ryan und küsst ihn zurückhaltend. Wie erwartet, geht er erfreut darauf ein.

      Einige Zeit später hat Eden die Worte des Arztes im Kopf. Bettruhe hat er ihr verordnet. Bettruhe‼ Ruhe und nicht einen stöhnenden und keuchenden Mann über sich, der sich daran erfreut, dass er in seinem Ehebett endlich wieder mit seiner Ehefrau schlafen kann. Rücksicht scheint er keine zu kennen. Sie sollte keinem Stress ausgesetzt werden. Aber das hier, ist purer Stress für sie! Stress für ihren Körper, weil ihr vor Ekel immer wieder eine Gänsehaut über den Körper fegt. Stress für ihren Kopf, weil er sich gegen dieses langweilige pumpen bis ins letzte wehrt.

      Ryan bekommt das alles aber gar nicht mit! Er ist zu sehr mit sich beschäftigt, als dass ihm auffällt, dass seine Frau unter ihm gedanklich gar nicht bei ihm ist. Ihr Körper ist da, aber ihre Gedanken sind woanders.

      Während er wie ein Kochlöffel im Brei in ihr herumstochert, liegt sie wie eine steife Puppe unter ihm und starrt den Kleiderschrank neben sich an. Sie empfindet nichts dabei! Rein gar nichts! Es erregt sie nicht und sie hat nicht einen Funken Spaß an dem Sex mit ihrem Ehemann. Wie könnte sie auch? Sie wurde vor Wochen fast getötet, trägt eine Stahlplatte im Kopf und weiß weder etwas von sich, noch von ihrem Leben. Stahlplatte! Vorsichtig führt Eden eine Hand an die linke Kopfseite. Sie könnte ihre Haare verfluchen, dass diese noch nicht schneller gewachsen sind. Diese Stoppel passen ihr gar nicht. Die linke Kopfseite ist fast bis zur Hälfte abrasiert. Das steht keiner Frau. Sie muss unbedingt zum Friseur, um modisch irgendetwas mit der anderen Kopfseite zu machen, was die rasierte Hälfte wenigstens etwas ausgleicht, oder ansehnlich wirken lässt. So kann sie jedenfalls nicht auf die Straße! Da sieht jedes gerupfte Huhn besser aus, als sie.

      Fast zitternd führt sie die Finger an ihre Haut und spürt die Narbe. Eine zehnmal zehn Zentimeter große Narbe ziert ihren Kopf. Als sie diese das erste Mal im Spiegel sah, erschrak sie fast zu Tode. Sie malte sich selber aus, dass dieser Teil der Haut, aufgeschnitten und wie ein Blatt umgeklappt wurde, um besser an den zerstörten Schädel heranzukommen. Die Ärzte erklärten ihr, dass das Gehirn selber keinen Schaden davon getragen hätte. Die Kugel hätte den Knochen lediglich gestreift. Dennoch wäre es so irreparabel gewesen, dass sie keine andere Möglichkeit sahen, als ihr eine Stahlplatte einzusetzen. Super, jetzt hat sie es auf dem Flughafen von San Francisco bei den Sicherheitsmaßnahmen erheblich schwerer. Nun gut, da muss sie durch. Sie kann froh sein, dass sie lebt.

      »Ich liebe dich so unglaublich!«, hört Eden Ryan neben sich schwer atmen. Stimmt, da war ja was. Sie blickt zu ihm und verarbeitet den Anblick, wie er atmend und erschlafft neben ihr liegt. Ihm ist die Erschöpfung ins Gesicht gemeißelt. Schön, wenigstens hatte er Spaß.

      Sie streichelt ihm am Kopf, tastet mit der anderen Hand an ihrem eigenen weiter entlang und denkt darüber nach, wie die beiden vor ihrem Unfall Sex hatten. Sie war mit Sicherheit aktiver, als jetzt! Aber wie genau lief es immer ab? Hat sie sich eventuell sogar die eine oder andere Puppe neben das Bett gestellt, damit sie noch mehr Freude an dieser ganzen Sache hatte?

      Bei dem Gedanken fängt sie zu lachen an. Ryan findet an der Gesamtsituation nichts witzig und schaut sie dementsprechend fragend an. Sie sieht es und schüttelt flüchtig den Kopf. Das würde zu ihrem früheren Ich passen. Dass sie sich tatsächlich eine ihrer Puppen neben das Bett auf das Nachtschränkchen stellt, damit eine ihrer Babys ihrer Mami beim Sex zusehen kann. Wie krank war sie bloß vor dem Attentat?

      Am nächsten Morgen steht Eden vor dem geöffneten Kleiderschrank und rümpft die Nase.

      »Ryan‼«, brüllt sie lauthals und greift in den Schrank.

      »Ich arbeite wirklich beim FBI? Kannst du mir mal sagen, mit was ich die Verbrecher erwischen soll?«, flucht sie und hält ihm ein luftiges Sommerkleid entgegen.

      »Mit roten Rosen und grünen Blättern, oder was??«, schimpft sie über den Geschmack ihrer alten Persönlichkeit. Wie kann man nur solch konservative Kleidung tragen?? Wenn sie es sich anziehen würde, wäre es sicherlich bis zum Hals verschlossen, damit ja bloß niemand ihr Dekolleté sieht. Ein bisschen Haut muss man doch zeigen und mit ihrer Figur kann sie es ja offensichtlich auch noch. Weshalb hat sie dann aber so ein Outfit auf den Bügeln hängen?? Für so etwas gibt man tatsächlich Geld aus?

      »Nein Schatz«, trällert Ryan und öffnet eine weitere Schranktür.

      »Das ist deine berufliche Kleidung.« Eden tritt an seine Seite, blickt skeptisch um die Schranktür und spürt, wie ihr Herz vor Freude zu hüpfen beginnt. Sie grinst bis zu den Ohren und nickt wortlos.

      »Das sieht doch tausend Mal besser aus und ist das erste Vernünftige, was ich hier in diesem Haus sehe«, lacht sie und lässt ihre Augen über sämtliche Hosenanzüge gleiten. Schwarze Anzüge und weiße Blusen. Ein paar schwarze Lederjacken, die ihren Geschmack perfekt treffen. Jetzt muss sie nur noch soweit gesund werden, damit sie diese Kleidung auch tragen kann. Sie wird mit Sicherheit nicht mit roten Rosen auf die Straße gehen. Da kann sie sich ja gleich selber eine Kugel in den Kopf jagen. Kugel! Kugel? Kugel und Waffe?

      Schlagartig schwirrt nur noch ein einziger Gedanke durch Edens Kopf. Flüchtig blickt sie sich im Schlafzimmer um. Mit sicheren Schritten geht sie an den Nachttisch, an ihrer Seite des Ehebettes. Ehebett, welch grauenvoller Gedanke.

      Hecktisch reißt sie die kleine Schublade auf. Sofort beginnt ihr Herz erneut vor Freude zu hüpfen. Sie hat Schwierigkeiten, dieses in ihrem Brustkorb halten zu können. Respektvoll, ehrfürchtig und zitternd führt sie ihre Hand in die Schublade. Sie spürt kalten Stahl. Erleichtert atmet sie aus, schließt ihre Augen und macht eine Handbewegung. Langsam öffnet sie die Augen und sieht eine 6" Rettinger STI Kaliber 9 mm in ihrer Hand. Eden hält die Waffe kräftiger, betrachtet sie und greift ohne zu zögern an den Schlitten. Sie zieht ihn zurück, lädt, entsichert und könnte vor Freude explodieren. Wenigstens beweist ihr altes Ich dahingehend einen guten Geschmack. Diese Waffe schmiegt sich an sie, als wenn sie Eden willkommen heißen will. Sie passt sich perfekt ihrer Hand an. Sie ist so kraftvoll, dass Eden ihre Wirksamkeit und Energie durch das kalte Material spüren kann. Zwar ist sie mit dem geschätzten 1-Kilogramm Gewicht recht schwer, aber das stört sie keineswegs. Sie merkt nur, dass eine Welle von unglaublichem Stolz über sie hinwegfegt. Wie ein Tornado der öfters in Florida sein Unwesen treibt.

      »Ich mag es überhaupt nicht, dass du die Waffe zu Hause hast und das weißt du!«, drängt sich Ryan schimpfend in Edens überschwängliche Freude. Sie presst den Kiefer zusammen, weil ihr diese Unterbrechung keineswegs passt. Sie hebt lediglich ihre Hand.

      »Du musst sie ja auch nicht anfassen. Ist schließlich meine Waffe«, giftet Eden und sieht dabei zu, wie Ryan die Gesichtsfarbe entweicht. Entsetzt starrt er auf die Waffe, die mit dem Lauf genau auf seinen Kopf gerichtet ist. Er schluckt schwer und blickt Eden erschrocken an.

      »Was ist?«, zischt sie gespielt. Hektisch und ängstlich wandern Ryans Augen zwischen der Waffe und seiner Frau hin und her. Er kann offensichtlich diesen Augenblick weder fassen noch verarbeiten.

      »Habe ich dir noch nie zuvor meine Waffe vor die Nase gehalten?«, feixt sie und sichert die Pistole mit einer kleinen Fingerbewegung. Wie gerne würde sie, anstatt ihren Daumen, den Zeigefinder bewegen? Nur ganz kurz. Dann wäre sie diese dauerhafte Grinse-Visage los.

      Ryan schüttelt panisch den Kopf und sieht dabei zu, wie Eden die Waffe in die Schublade zurücklegt, sie noch flüchtig voller Stolz betrachtet und das Schränkchen schließt.

      »Frühstück? Ich habe Hunger!«, reißt sie ihren Ehemann in eine normale Stimmung zurück und rupft sich einen Morgenmantel aus dem Kleiderschrank.

      Nach dem gemeinsamen, aber nervenden harmonischen Frühstück, geht Eden in das Schlafzimmer zurück und sucht verzweifelt etwas, was sie anziehen kann. Ihr sind die ganzen Outfits ihres alten Ichs einfach zu wider.