wie ein Honigkuchen.
Jetzt reagierten die Leute auf seine Erscheinung, lasen das Schild, bemerkten den Rucksack mit Teddy und schüttelten bedauernd den Kopf: „Wir sind voll, wir fahren nach Berlin, wir wollen nach Bayern“ waren die gängigsten Bemerkungen, die er hörte. Er lächelte freundlich und bedankte sich trotz der Absagen.
Ein kleines Kind stürmte geradewegs auf den Rucksack zu und rief: „Teddy-Bär.“Die Dreijährige wollte wohl den Teddy mitnehmen, aber der Vater nicht den dazugehörigen Menschen. Schließlich entschied die Mutter, nachdem Felix ihr gesagt hatte, dass seine Freunde schon vor ihm auf dem Weg nach Finnland seien und dass der Letzte eine Runde Bier bezahlen müsse, dass sie den Rücksitz frei machen würde für ihn und er bis Hamburg mitfahren könne. Anschließend saß er mit der kleinen Anna auf der Rückbank und spielte mit ihr und dem Teddy.
„Ich bin der Brumm-Bär“, sagte er mit tiefer Stimme, „und suche Honig. Hast Du Honig dabei?“
Die kleine Anna schüttelte mit dem Kopf, holte aber einen Schokoladenkeks hervor und streckte ihn ihm strahlend entgegen.
Die Fahrt zur Raststätte Hamburg verlief ganz harmonisch, nur der Abschied von Anna und dem Teddy war tränenreich und mit viel Geschrei verbunden, bis die Eltern ihr einen noch viel größeren Teddy versprachen, den sie am Ziel ihrer Reise für sie kaufen würden.
Nach einem herzlichen Dankeschön stand Felix wieder im Freien und versuchte sein Glück auf ́s Neue bei den Raststätten-Besuchern. Er hatte Glück. Ein Vertreter für Einbauküchen aus Gütersloh war auf dem Weg in die dänische Hauptstadt und Felix erkannte das Autozeichen: GT für Gütersloh. Felix fragte ihn, ob er auch aus Gütersloh käme und als der Mann das bestätigte, war das Eis gebrochen. In Gütersloh wären sie wahrscheinlich nie ins Gespräch gekommen, aber schon 300 Kilometer fern der Heimatstadt fühlte der Mann sich irgendwie verpflichtet, dem Landsmann zu helfen.
Mit dem Mercedes-Kombi voller Musterkoffer ging es flott voran, an Lübeck vorbei über die Fehmarnsund-Brücke nach Puttgarden. Sie unterhielten sich angeregt über ihre Heimatstadt und schließlich fanden sie überraschenderweise sogar ein paar Gemeinsamkeiten. Der Sohn des Verkäufers ging auf die gleiche Schule, der Felix gerade den Rücken gekehrt hatte, war allerdings einige Jahre jünger und stand noch ganz am Anfang seiner Schulkarriere. Aber der Vater kannte von der Elternsprechstunde schon einige Lehrer, die auch Felix unterrichtet hatten und so war genügend Gesprächsstoff vorhanden, um die Fahrt bis zur Hafenstadt Puttgarden zu füllen.
Dann ging es auf die Fähre über den Fehmarnbelt nach Rödbyhavn in Dänemark. Der freundliche Küchenvertreter bezahlte sogar die Überfahrt mit dem Schiff, denn die war inklusive für zwei Personen pro Auto. Nach einer Stunde Schiffschaukeln fuhren sie aus dem Bauch des Schiffes auf dänischen Boden und zeigten den Grenzbeamten ihre Pässe.
„Was ist der Grund ihres Besuches in Dänemark?“, fragte der Uniformierte den Fahrer.
„Geschäftlich“, antwortete dieser, „wir besuchen die Kunden unserer Firma und stellen ihnen unsere neuen Design-Küchen vor.“
Damit war der Beamte zufrieden und wünschte ihnen eine gute Fahrt. Er hatte angenommen, dass Felix auch zur Firma gehörte und nicht weiter nachgefragt. Wieder Glück für Felix, denn Rucksackreisende mussten meistens an der Grenze ihre Barschaft vorlegen und beweisen, dass sie sich einen Aufenthalt im teuren Skandinavien auch leisten konnten.
Felix hatte 500 D-Mark in seinem Gürtel und 100 in seinem Portemonnaie, außerdem noch 100 dänische Kronen, 100 schwedische Kronen und 100 finnische Mark. Damit waren für eine Tramp-Reise durch Skandinavien etwa drei Wochen zu finanzieren. Felix hatte aber drei Monate Zeit und keine festen Pläne. Einziges Ziel war Turku, die Hafenstadt im Südwesten von Finnland. Dort wollte er mit seinen Freunden das Rockmusikfestival auf der Insel Ruissalo besuchen, direkt neben dem Campingplatz an der Ostseeküste.
Rock ́n Roll, Sex und Drogen waren die Schlagwörter der rebellischen Studentenbewegung der 68er Jahre gewesen und im Laufe der Zeit hatte ein Großteil der Jugend diese Ideen übernommen.
Rockmusik war ein wilder Aufschrei der Jugend gegen die Zwänge, die die Gesellschaft und ihre Eltern ihnen auferlegten, freie Liebe war ein Ideal, dass nach der Erfindung der Pille begeistert gefeiert wurde und bei den Drogen lag nicht Alkohol, sondern Marihuana weit vorne. Der amerikanische Psychologe Timothy Leary experimentierte mit seinen Studenten mit LSD und forderte einen freien Zugang zu psychedelischen Drogen. „Turn on, tune in, drop out“ war sein Slogan, der von den Studenten aufgenommen wurde. Allerdings warnte er auch vor der Verwendung von LSD bei Personen, die labil oder depressiv seien, da dann die Wirkung der Droge zu einem „Horrortrip“ führen könne mit unkalkulierbaren Folgen. 1972 wurde er von den US-Behörden verhaftet und ein Richter verurteilte ihn zu 30 Jahren Gefängnis. Später konnte er mit Hilfe von Freunden flüchten und führte ein unstetes Leben in vielen Ländern der Erde, bis er von der afghanischen Regierung an die USA ausgeliefert wurde und wieder drei Jahre ins Gefängnis musste.
Von den Verhältnissen in den USA wusste Felix nicht viel, aber das Schlagwort „freie Liebe“ gefiel ihm gut, Rockmusik war bei ihm und seinen Freunden angesagt und Drogen wollte er schon lange mal probieren. Auf dem Rockfestival wollte er seine ersten Drogenerfahrungen machen, dort würden sicher Leute sein, die so etwas verkauften.
Kopenhagen.
Als der Küchenvertreter und sein Begleiter in Kopenhagen ankamen, war es noch hell, die Sonne ging erst um 21.57 Uhr unter. Der Mann kannte sich von früheren Besuchen schon aus und steuerte sein gebuchtes Luxus-Hotel in der Innenstadt an, während Felix den Stadtplan studierte. Das Hotel lag direkt am Wasser und machte einen imposanten Eindruck, so etwas konnte man sich nur auf Firmenkosten leisten.
Der Mercedes hielt vor dem Hotel und Felix holte seinen Rucksack mit aufgeschnalltem Schlafsack aus dem Kofferraum. Er bedankte sich bei seinem Fahrer und zum Abschied drückte der ihm noch einen 50 Kronen-Schein in die Hand und meinte, dafür könne er sicher ein Bett in einem Schlafsaal eines Rucksack-Hotels bekommen, die es rund um den Bahnhof besonders zahlreich gab. Dann trennten sich ihre Wege, der eine fuhr in die Tiefgarage des Hotels, der andere ging zu Fuß Richtung Hauptbahnhof.
Über die Bernstorffsgade kam er direkt zum Tivoli, dem berühmten Vergnügungspark von Kopenhagen. Gegenüber lag der historische Hauptbahnhof aus roten Backsteinen. Felix ging hinein. Es war gerade ein Zug aus Hamburg angekommen und er sah einige Rucksackreisende durch die Bahnhofshalle gehen. Ein Pärchen war ihm auf Anhieb sympathisch und er fragte die Beiden, ob sie ein Hostel kennen würden.
„Ja klar, da wollen wir auch hin“, sagte der junge Mann, „dann komm mal mit!“
Die Beiden hatten einen Stadtplan, auf dem sie das Hostel eingezeichnet hatten. Es war gar nicht weit und bald standen sie am Check-in des Hostels. Es gab Schlafsäle für 8 und 12 Leute, für Männer, für Frauen und gemischt. Das Pärchen entschied sich für einen gemischten Schlafsaal mit 8 doppelstöckigen Betten. Der Männerschlafsaal war voll und so wurde Felix ebenfalls in den gemischten Schlafsaal gebucht. Sie bekamen frische Bettwäsche in die Hand gedrückt und dann gingen sie auf die Suche nach Raum sechs.
Der Schlafsaal erinnerte Felix an eine Jugendherberge, nur das hier die Mädchen nicht nur heimlich zu Besuch waren, sondern ganz offiziell. Nur die Toiletten und Duschen waren nach Geschlechtern getrennt.
Jeder Gast hatte einen Schrank, wo er seine Habseligkeiten einschließen konnte. Als Felix alles verstaut hatte, holte er seine restlichen Butterbrote hervor und einen kleinen Tauchsieder mit Becher. Den drückte er in eine Steckdose und als das Wasser heiß war, legte er einen Pfefferminzteebeutel hinein und genoss nach fünf Minuten Warten das heiße Getränk. Dabei zog er in Gedanken eine Tagesbilanz.
Der erste Tag war gut gelaufen, fand er. Er hatte Kopenhagen erreicht, eine günstige Unterkunft auf Anhieb gefunden und sogar schon nette Altersgenossen kennengelernt. So konnte es weiter gehen.
„Wir wollen noch ein Bier trinken“, sagte das Mädchen von dem Typen, „kommst Du mit?“
„Na