fort, während er die Tastatur des Computers näher zu sich schob, „Sie kriegen natürlich nur ein Honorar, wenn Sie für eine Sendung arbeiten.“ Tippen.
„Neben dem Honorar gibt es im dritten Stock hier ein größeres Büro mit einigen Arbeitsplätzen für freie Mitarbeiter, das von einer Sekretärin betreut wird.“ Er wandte sich kurz zu Möhre:
„Dort können Sie ungestört arbeiten.“ Tippen.
„Mit diesem Arbeitsplatz ist auch eine Pauschale für private Telefongespräche verbunden.“ Tippen.
„Dann gibt es eine Pauschale für Besuche von Lokalen. Wissen Sie, Sie müssen sich ja auf dem Laufenden halten und daher gehört es zur Ausstattung dieses Arbeitsplatzes, dass Sie einschlägige Lokale besuchen, um sich neue Ideen zu holen.“ Tippen.
„Ebenso können Sie Dienstreisen abrechnen, wenn Sie Recherchen in Hamburg auf der Reeperbahn machen oder in Berlin.“ Tippen.
„Dann können Sie unseren Fuhrpark benutzen. Wenn Sie ein Auto brauchen, dann melden Sie das an.“ Tippen.
„Sie kriegen ebenso Freikarten für alle Veranstaltungen der Sender bzw. für Veranstaltungen, an denen die Sender beteiligt sind, wie Medien-Preisverleihungen und so weiter.“ Tippen.
„Sie erhalten einen Ausweis, der Sie berechtigt, Studios und Produktionsräume der Sender zu betreten, selbstverständlich auch die Kantinen.“ Tippen.
„Über die Inanspruchnahme von Sonderurlaub und anderen freien Tagen sowie Überstundenvergütung erhalten Sie auf einer dem Vertrag beiliegenden Anlage Auskunft.“ Tippen.
„Wenn Sie Wert darauf legen, können wir Sie in die ‚Liste zum Frühstück mit dem Geschäftsführer‘ aufnehmen. Sollte sonst noch etwas sein, können wir über alles reden“. Der junge Mann hatte offenbar den Befehl zum Drucken gegeben, denn der Drucker ratterte nun leise und gab ein paar Blätter aus.
Herr Möhre hatte in den letzten Minuten, wo jener Wolf Müller den Computer bedient und gesprochen hatte, die Gelegenheit genutzt, durch eine Metamorphose zu gehen. Erst hatte sich sein zusammen gesunkener Körper aufgerichtet, dann hatten sich seine Muskeln gestrafft, er würde nun schlanker und größer wirken, dann hatte er seine Vergangenheit abgestreift: Nie mehr billige Hotels und nie mehr noch billigere Studios, und als Wolf Müller beim Ausweis angelangt war, war Herr Möhre nur noch dynamische Gegenwart mit noch dynamischerer Zukunft. Selbstverständlich würde er den Vertrag unterschreiben. Aber nur, wenn die Zahlen stimmten. Er würde das kurz überschlagen und mit seinem Rechtsanwalt bereden, ob er sich nicht noch – im Falle, er würde doch aussteigen wollen – eine Summe als Abfindung ausbedingen sollte, vielleicht ein Jahresgehalt oder ähnlich. Man hatte ihm ja das Reden angeboten, und er würde das zu nutzen verstehen. Er dachte nun nicht mehr daran, dass es Schwachsinn gewesen war, sich zu öffnen. Nein, er hatte sehr viel eher Realitätssinn bewiesen.
Als ihn Wolf Müller zum Schluss fragte, was ihn am meisten überzeugt hätte, nun doch weiter zu machen, da sagte er, dass es das Angebot gewesen wäre, mit dem Geschäftsführer zu frühstücken. Da lachte Wolf Müller und sagte:
„Ja, das überzeugt die meisten.“
2 Zwischenspiel: Kölle
Ich war - wie Herr Möhre – nach meinem Umzug von Mainz nach Kölle auch auf der Suche nach einem Job bzw. nach Jobs als freie Mitarbeiterin mit Beiträgen für den Hörfunk, Vorschlägen für TV-Sendungen oder Assistenz und andererseits für Leerzeiten als Komparse und Statist bei Film und Theater. Da war ich in Kölle am Rhing durchaus richtig mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, dem R-Sender, mehreren Privatsendern im Funk- und TV-Bereich sowie großen Hallen für Talk- und Spielshows im Umland, und Filmproduktionsstätten vor allem in Hirtentornister, einem südlichen Vorort. Diese Konstellation versprach beruflich eine längere Verweildauer für mich zu werden und sollte mir privat auch Chancen bieten können.
An der Casting-Agentur Rhing-Gold kam man vor allem im Anfangsstadium eigentlich nicht vorbei. Ich war dort schon im Vorfeld aktiv geworden, wo mich eine Kollegin von dem eben vorgestellten Herrn Wolf, eine Frau Kratzfuß, übernommen hatte. Leider war ihr Name Programm für mich, denn Leute wie ich müssen ständig antichambrieren. Sie schien aber durchaus für mich ein positiver Faktor zu werden, denn sie hatte mir gleich die ersten Anlaufstellen diktiert und Tipps mit Hintergrundinformationen gegeben, so z.B. zu dem privaten ‚Radio Kardinal‘, der mein bevorzugter Arbeitgeber werden sollte. Der ‚Kardinal‘ war der größte Radiosender am Ort und von einem Chefredakteur geleitet, der ständig durch die Flure schlich und sich überall einmischte.
Frau Kratzfuß, auch mit Kontakten zur Wohnungswirtschaft, hatte mir sogar die Adresse einer Wohnungsgesellschaft genannt, über die ich – allen Unkenrufen wegen Wohnungsmangel zum Trotz - relativ unproblematisch eine Souterrain-Wohnung in einer Wohnanlage auf der sogenannten ‚Schäl Sick‘ der Stadt mieten konnte. Dort angekommen, war ich überrascht, die Häuserblocks auf grünen Rasenflächen mit altem Baumbestand vorzufinden. In dem Haus, wo sich meine Mietwohnung befand, lagen ungewöhnlicherweise vor jeder Wohnungstür in den langen Gängen mindestens zehn Paar Schuhe. Na, dachte ich, das Reinigungspersonal freut sich sicher, oder es putzt einfach rund. Ich aber war fürs erste zufrieden, denn es kam in dieser neuen Stadt viel Kennenlernarbeit auf mich zu, auf die ich mich fokussieren musste.
Meinen ersten Einsatz hatte ich beim ‚Kardinal‘. Gleich nach meiner telefonischen Vorstellung als freie Mitarbeiterin wurde ich mit einem mysteriösen Fall betraut; es ging dabei um die Fertigstellung eines Beitrag über den Umzug einer Schwarzen Witwe – ich musste lächeln, genau diesen hatte ich ja auch gerade hinter mir.
3 Die Schwarze Witwe
Der Chefredakteur übergab mir einen Datenträger mit einem Interview, das ein Reporter des ‚Kardinal‘ ein paar Tage zuvor geführt hatte. Jener Mitarbeiter hat Wind davon bekommen, dass sich am Dom eine ‚Schwarze Witwe‘ nieder gelassen hatte. Wie sich später mit Hilfe der Sekretärin rekonstruieren ließ, hat er Kontakt mit dem Neuzugang wegen eines Interviews aufgenommen und gleich Zeitpunkt und Ort festlegen können: Selber Tag in der Abenddämmerung hinter einem Mauervorsprung auf der Nord-Ost-Seite des Doms, da, wo sich ein kleiner Friedhof befindet. Er hat sich wohl dort zur verabredeten Zeit mit seinem Recorder eingefunden und das Interview durchgeführt. Ich hörte dann im Studio die Aufnahme ab:
Rep.: Frau Spinne, ich habe gehört, dass Sie eine sogenannte ‚Schwarze Witwe‘ sind. Immerhin tragen Sie Schwarz, oder trauern Sie derzeit?
Schw.W.: Oh, das schwarze Gewand täuscht – erstens war ich nicht immer Schwarze Witwe und zweitens als solche ist mir jede Trauer fremd.
Rep.: Ja? Warum?
Schw.W.: Du lieber Himmel! Die Jungs sind verrückt auf Schwarz. Was soll ich da trauern?
Rep.: Ja, äh, Sie sind noch nicht lange hier am Dom. Wieso haben Sie sich gerade hier nieder gelassen?
Schw.W.: Die Bedingungen hier sind nicht schlecht. Ich musste zwar meinen Beruf wechseln, aber ich gehöre zu jener Gattung Spinne, die sich gut anpassen kann. Wenn ich im Juni in einer Gegend bin, wo es nur Mai-Käfer gibt, dann gehe ich halt einen Monat zurück.
Rep.: Aha. Und wo waren Sie vorher, und was haben Sie gemacht?
Schw.W.: Ich komme aus dem Rheingau und war dort Säuferspinne.
Rep.: Haha, am Dom zu Kölle hat sich eine Säuferspinne aus dem Rheingau nieder gelassen! Frau Spinne, das müssen Sie mir näher erläutern.
Schw.W.: Ja, ich habe mich mit weiteren Säuferspinnen von Sekt ernährt – im fünften Untergeschoss einer nicht unbekannten Sektkellerei. Spinnen sind in Sektkellereien allgemein gut gelitten.
Rep.: Ach, wieso?
Schw.W.: Platzt eine Sektflasche, muss der Kellermeister keine Putzfrau mit Eimer und Feudel schicken. Nein, wir erledigen das. Wir Säuferspinnen ‚putzen‘ das Zeug weg, sozusagen.
Rep.: