Anne Swalski

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eben war geflunkert ...

      Rep.: Wie?

      Schw.W.: Tatsache ist, dass wir Säuferspinnen die Flaschen killen, während die Sekthersteller denken, dass die Gärung in den Flaschen dafür verantwortlich ist.

      Rep.: Ach, Frau Spinne, ich habe schon Jägerlatein gehört, aber es gibt offenbar auch ein Spinnenlatein.

      Schw.W.: Haha, Sie glauben mir nicht. Haha. Wissen Sie, die Sekthersteller und Kellermeister würden es auch nicht glauben. Aber die haben Gründe dafür. Immerhin müssten sie sich den Prozess der Gärung neu überlegen …

      Rep.: Richtig.

      Schw.W.: … und zweitens müssten sie zugeben, seit Jahrhunderten von Säuferspinnen gelinkt worden zu sein. Und das wird nicht geschehen.

      Rep.: Ja. Vielleicht, äh, peinlich. Darüber müssten wir uns noch einmal gesondert unterhalten. Ja, weiter im Text, wieso haben Sie dann die Sektkellerei verlassen?

      Schw.W.: Die Leber. Der Arzt sagte, ich hätte die Chance, mich entweder tot zu saufen oder mir einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Dass ich auf die Milz weiter trinken könnte, wie ich eingewandt hatte, hat er für den größten Blödsinn des Jahrhunderts gehalten.

      Rep.: Diese Einschätzung könnte Ihnen auch hier begegnen. Aber, Sie sind dann umgezogen?

      Schw.W.: Ja, dann habe ich hier am Köller Dom eine Stelle als Schwarze Witwe angetreten. Hier bestand ein gewisser Freiraum oder eine Marktlücke für mich, wie Sie wollen.

      Rep.: Wie? Was machen Sie denn so den ganzen Tag?

      Schw.W.: Ich liege bei gutem Wetter in der Sonne und bei schlechtem suche ich mir einen Unterstand, und ab und zu reduziere ich die Anzahl von Touristen. Vor allem männliche. Was tun Schwarze Witwen sonst?

      Rep.: Ist das nicht unmoralisch?

      Schw.W.: Unmoralisch? Wieso? Es gibt genug Männer, und es kommen jeden Tag neue hinzu.

      Rep.: Nun, ich meine, selbst wenn es viele Männer gibt, so haben sie doch ein Lebensrecht.

      Schw.W.: Lebensrecht? Ja aber selbstverständlich, keine Frage. Aber ich habe auch eines. Übrigens gut, dass Sie mich daran erinnern. Ich muss jetzt unbedingt meine Pheromone versprühen. Moment. Fffffffft.

      Rep.: Frau Schwarze, äh, Frau Witwe, ich, äh, es ist irgendwie alles so verändert. Ich, weshalb bin ich hier?

      Schw.W.: Sie interviewen mich.

      Rep.: Ja? Ich finde Sie einfach toll, wissen Sie, Sie sind zauberhaft, wundervoll!

      Schw.W.: Ja? Was noch?

      Rep.: Sie haben unglaublich schöne Beine. Und Sie haben acht Stück davon. Oh mein Gott! Phantastisch. Einfach hinreißend!

      Schw.W.: Du kannst mir noch mehr sagen. Du hast noch etwas Zeit.

      Rep.: Was du willst. Die ganze Welt ist weg, es gibt nur noch dich. Und du bist so schön! Ach, niemals vorher habe ich solch eine schöne Frau gesehen. Und das Schwarz! Es steht dir so gut wie keiner. Du bist mein Himmel.

      Schw.W.: Jaja, so ist das. Erst lieb‘ ich dich, dann fress‘ ich dich.

      Rep.: Ah, ah, ja, ja, nein, nein, Hilfe, Hilfe, …

      Schw.W.: Zu spät.

      Tage später nach dem Interview haben Passanten hinter jenem Mauervorsprung am Dom Knochen gefunden und daneben ein digitales Aufnahmegerät, auf dessen Rückseite das Logo der Radiostation klebte. Man hatte diese dann benachrichtigt, und auf dem Gott sei Dank unversehrten Gerät befand sich vorstehende Aufnahme. Schnell war dann im Sender vermutet worden, dass es sich bei den Knochen um die sterblichen Überreste des inzwischen als vermisst gemeldeten Hubert K. handeln könnte. Für einen DNA-Abgleich wurde ein Haar des Reporters verwandt, das seine Frau von ihm in der Suppe gefunden hatte. Die Laboruntersuchungen haben dann eine Übereinstimmung ergeben. Keiner der Kollegen beim ‚Kardinal‘ wollte aus Pietätsgründen die Sprachaufnahme bearbeiten, so dass ich als unbeteiligte Fremde zur rechten Zeit am Platze war.

      Beim ‚Kardinal‘ habe ich bei dieser Gelegenheit Sirius Kusch kennen gelernt, den Leiter der beiden Nachmittagsserien ‚Forschungsspitzen‘ und die regionale Sendung ‚Aktuelles aus der Stadt‘, wobei der Beitrag in letzterer laufen sollte. Herr Kusch war mit meinem Vortext einverstanden, und ich konnte das Interview noch am selben Tag im Studio schneiden und den Text aufsprechen. Als der Beitrag über den Sender ging, war des Reporters Witwe – dann auch in Schwarz – persönlich in der Redaktion dabei. Es kamen danach per E-Mail und telefonisch einige süffisante Kritiken von Hörerinnen herein, die Herrn Kusch nachhaltig irritierten, und wie er seinen Kollegen mitteilte, mied er fortan den Dom.

      Das Thema übrigens, dass die Säuferspinnen angeblich seit Jahrhunderten die Kellermeister berumpsten, habe ich förmlich als Vorschlag bei Herrn Kusch für die Serie ‚Forschungsspitzen‘ eingereicht. In Absprache mit dem Chefredakteur, so sagte er, wollte er ihn allerdings nicht aufgreifen. Zu heiß, so seine Absage.

      4 Ein Königreich für einen Zuschauer

      Wir Menschen sind soziale Wesen, es liegt in unserer Natur, das Verhalten unserer Nachbarn zu kopieren, wir hätten gern auch so ein Bäumchen im Vorgarten wie er und das gleiche elegante Auto wenn es geht. Aber vor allem lachen wir, wenn er lacht. Und das machen sich – raffiniert – die Fernsehleute in dem Filmstädtchen Hirtentornister zunutze. Man möchte nämlich sicher sein, das die Produkte – Shows aller Art – bei den Fernsehzuschauern/innen gut ankommen, da man sich nicht immer darauf verlassen kann, dass es von selbst geht. Also werden die Shows in größeren Hallen vor Publikum ausgetragen und so auf die Bildschirme in den Wohnzimmern überspielt. In den USA werden übrigens kostengünstigere Varianten eingesetzt: Die in den Studios täglich gedrehten Shows werden von einem Band mit Gelächter und Händeklatschen begleitet. Mit diesem Service wird es für die Zuschauern/innen auch einfacher zu erkennen, wann eine Passage ein Joke gewesen sein sollte und wann das Klatschen signalisierte, dass es sich hier eben um eine qualitativ höherwertige Aussage gehandelt hatte.

      Wie mir Kollegen vom Köller TV-Talk berichteten, gab es anfangs in Kölle – d.h. für die Spielhallen in Hirtentornister - keine Schwierigkeiten, an Zuschauer/innen zu kommen: Rentner/innen und Arbeitslose, Schüler/innen und Studenten/innen sowie Hausfrauen waren heiß darauf, live im Studio eine Sendung zu erleben. Aber der Bedarf an Zuschauern/innen wuchs; schon konkurrierten mehrere Sender mit ähnlichen Shows. Und wie die Gewohnheit zuweilen der Todesstoß für die Liebe ist, so kriegten auch die Zuschauer/innen als Wiederholungstäter die Langeweile zu Gast, und so entstand die groteske Situation, dass je mehr Zuschauer/innen benötigt wurden, desto weniger stellten sich zur Verfügung.

      Man sah immer häufiger den Bus vom ‚Köller TV-Talk‘ in der Gegend herum fahren und Zuschauer/innen einzeln in den Straßen auflesen. Während man vor nicht allzu langer Zeit für die Sendung ‚Verbotene Laber‘ mit Vico Stricher noch mit einer Straße auskam, die man nur einmal rauf und einmal runter fahren musste, um den Bus zu füllen, so sah man den Bus jetzt stundenlang vor der Sendung durch die Gegend kutschieren und nach Zuschauern/innen fahnden. Die Umgebung von Kölle reichte nicht mehr aus, man musste weitere Kreise ziehen.

      Irgendwann beschlossen Otto und Karl, Fahrer und Beifahrer des Sammel-Busses, als sie gerade erfolglos in Aachen herum gefahren waren, über die Grenze ins Meisjeland überzusetzen, da unsere Nachbarn – sprachbegabt wie sie sind - abends auch gern unsere Sendungen sehen. Leider schienen dort die Verhältnisse noch schlimmer zu sein. Schon, als die Leute die großen Blech-Lettern ‚TV‘ sahen, stoben sie in alle Richtungen davon. Irgendetwas musste da passiert sein. Die beiden Kollegen stiegen extra aus und guckten, ob mit dem Bus etwas war. Aber sie konnten nichts Auffälliges entdecken. So telefonierte Otto per Handy mit der Verwaltung und ließ sich mit dem Produktionsleiter verbinden.

      „Wir finden keine Zuschauer/innen und sind daher ins Meisjeland rein gefahren. Nur, irgendetwas ist hier nicht in Ordnung, die Leute hauen alle ab, wenn sie uns sehen. Unser Bus ist aber völlig in Ordnung.“ Da der Produktionsleiter schwieg,