Anne Swalski

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Otto irritiert, er konnte dem Produktionsleiter intellektuell nicht folgen.

      „Ja, ich habe gehört, dass die etwas rüdere Methoden anwenden als wir, die kidnappen Hausfrauen aus den Supermärkten, machen hanebüchene Versprechungen, was die alles für die Teilnahme an der Sendung kriegen würden, Oberbetten, Teppiche, schlimmer als bei einer Butterfahrt. Natürlich halten die ihre Versprechungen nicht ein, und die Leute sind sauer.“

      „Ah, ja, verstehe!“ verstand Otto. Der Produktionsleiter fuhr fort:

      „Natürlich machen wir sowas nicht wie die Käsköpp, das kommt nicht in Frage.“ Einen Moment war zwischen beiden Stille.

      „Chef“, gab Otto zu bedenken, „wir bieten aber nichts an. Vielleicht könnte man …“ Wieder Stille zwischen den beiden.

      „Gut“, hörte Otto dann, „fahrt nach Aachen zurück in einen weniger guten Stadtteil, holt das Megaphon raus und bietet Hot Dogs an.“

      „Hot Dogs?“

      „Ja, das geht noch so gerade, ich schreibe die Auslagen auf die Handkasse.“

      Otto war erleichtert. So reisten er und Karl wieder nach Deutschland ein. In Aachen wählten sie die Richtung, wo die hohen Wohnblöcke standen und fuhren in eine entsprechende Straße ein. Sie stoppten, und Karl, der Beifahrer, nahm das Megaphon und stellte sich auf die Straße.

      „Der ‚Köller TV-Talk‘ lädt Sie ein! Der ‚Köller TV-Talk‘ lädt Sie ein. Es gibt Hot Dogs für eine Sendung. Hot Dogs für ‚Verbotene Laber‘ mit Vico Stricher, ‚Verbotene Laber‘.“ Die wenigen Deutschen zwischen den Fremdländischen verschwanden wie auf Knopfdruck spurlos. Die, welche unserer Sprache nicht mächtig waren, standen kurz, sahen verständnislos auf den TV-Bus, und dann gingen auch sie weiter.

      ‚Ob die Meisjeländer auch schon hier gewesen waren?‘ dachte Karl. Er hub erneut an:

      „Hot Dogs für ‚Verbotene Laber‘!“ Nichts rührte sich. Karl sah auf die Uhr, keine zwei Stunden mehr bis zur Sendung. Es würde knapp. Für ein paar Hot Dogs schien heute keiner mehr etwas tun zu wollen. Otto telefonierte wieder mit dem Produktionsleiter.

      „Nehmt Spießbraten!“, zischte dieser in Ottos Ohr, „und lasst mich in Ruhe! Ich habe noch anderes zu tun. Die Sendung!“ Und so hörte man wieder Karl ins Megaphon brüllen:

      „Spießbraten für ‚Verbotene Laber‘! Spießbraten für ‚Verbotene Laber‘!“

      „Sag, auf’m Brötchen! Mit Zwiebeln auf’m Brötchen!“ rief Otto seinem Kollegen zu.

      „Auf’m Brötchen! Auf’m Brötchen!“ tönte es aus dem Megaphon. Immer noch rührte sich nichts. Noch nicht einmal Spießbraten! Den armen Deutschen musste es gut gehen. Hier, wo auch Zuhälter die Stütze kriegen – klar, solange sie nicht erkannt werden – war auch mit Spießbraten nichts zu reißen. Die Uhr tickte. Sie fuhren einige Straßen weiter. Dasselbe Spiel. Wieder nichts. Nur noch eineinhalb Stunden bis zur Sendung. Otto malträtierte das Handy. Der Chef war nicht zu kriegen. Verschollen. Aber er hatte etwas ausrichten lassen: Entweder sie kommen mit Zuschauern/innen, oder sie sind tot.

      „Entweder wir kommen mit Zuschauern/innen, oder wir sind tot!“ echote Otto an Karl.

      „Versuch’s mit Lachsbrötchen!“

      „Vergiss es!“ winkte Karl ab. Seit die Lebensmittel-Billigketten Lachs so preiswert en gros abgaben, war diese Delikatesse auch nicht mehr das, was sie mal war. Der Zeitdruck wuchs. Fahrer und Beifahrer sahen sich an. Des Letzteren Unterkiefer bewegte sich hin und her; die Stirn wurde heiß. Dann brüllte er ins Megaphon:

      „Meine Damen und Herren, Kaviar für eine Sendung! Kaviar und Sekt für ‚Verbotene Laber‘, das hat es noch nie gegeben, Kaviar zum Empfang und Sekt zum Abgesang, kommen Sie, meine Damen und Herren, Sekt und Kaviar! Was sage ich, Krim-Sekt und Kaviar, so schwarz wie die Nacht!“ Erschöpft ließ Karl das Megaphon sinken. Der Chef würde ihnen das vom Lohn abziehen.

      Hinter einer Gardine entstand eine unmerkliche Bewegung. Ottos Augen scannten bei ruhendem Kopf einen Winkel von 300 Grad ab. Überall gingen die Gardinen!

      „Leg nach, Karl, leg nach!“ beschwörte Otto seinen Kollegen. Karl, hochrot, stöhnte. Er schob seinen Unterkiefer vor und nickte, dann rief er:

      „Oberbetten und Teppiche, Teppiche und Oberbetten! Meine Damen und Herren, der ‚Köller TV-Talk‘ lädt Sie ein. Teppiche und Oberbetten! Uau! Meine Damen und Herren, kommen Sie, solange noch Platz im Bus ist!“

      Während Karl mit dem letzten Rest von Verstand das Blaue vom Himmel herunter gelogen hatte, gerieten alle Hauseingänge im Umkreis von einem Kilometer Luftlinie in harsche Bewegung. Auf einmal – die beiden Männer wussten einfach nicht wie – war der Bus umringt von Leuten, die unbedingt alle zur Sendung nach Kölle wollten, weil es dort immer so interessant wäre. Man musste sogar einige Mütter mit Kleinkindern zurück halten, weil Kinder im Studio zur Geruchsbelästigung neigen. Es war nicht zu fassen: Der Bus wurde rammelvoll.

      „Wo können wir denn die Oberbetten auf der Rückfahrt mitnehmen? Im Bus ist doch kein Eckchen mehr frei!“ fragte eine Frau, der es offenbar nicht recht war, dass so viele eingestiegen waren.

      „Auf dem Dach“, erwiderte Karl, seine Augen blickten starr vor sich, „auf dem Dach.“

      Ihm zitterten noch die Hände, als er neben Otto Platz genommen hatte. Er schob seinen linken Arm hinter den Rücken seines Kumpels und lehnte den Kopf an seine Schulter. Mochten die Leute denken, sie würden von zwei Schwulen gefahren, das war ihm egal. Otto, der Fahrer, gab Gas. Sie würden es noch schaffen.

      „Ich kann nicht mehr!“ sagte Karl, „ich bin nur ein ganz einfacher Beifahrer, Otto, ich bin kein Schlepper.“

      „Der Chef wird uns lynchen!“

      „Ja“, nickte Karl, „das wird er!“ Aber das war ihm jetzt egal, das war später.

      5 Zwischenspiel: Frühe Bots

      Die verehrten Lesenden wird es interessieren, wie die Geschichte mit Otto und Karl weiter gegangen ist. Tatsächlich hat ein Termin bei der Casting-Agentur Rhing-Gold Lösungen gebracht. Nachdem das Otto-Karl-Problem geschildert war, hat der Mitarbeiter Wolf Müller sofort empfohlen, dass man das Pferd von der anderen Seite auf zäunen sollte. Die Fernsehmacher verstanden nicht.

      „Na ja“, so Herr Müller, „eine Teilnahme an einer Sendung als Zuschauer/in kann mit einem Theater- oder Opernbesuch verglichen werden. Er muss Eintrittsgeld kosten.“

      „Ja, aber das Problem bei dieser Sendung ist doch, dass die Leute für ihre Teilnahme sogar etwas haben wollen, wie Federbetten etc.!“ widersprachen die Fernsehleute.

      „Ganz falsch, ganz falsch!“ erwiderte der Mann von der Agentur, „Sie müssen für die Teilnahme Geld nehmen. Verbreiten Sie über Ihren Internet-Auftritt, dass sich Zuschauer/innen melden können, wenn Sie die Sendung live erleben möchten, und setzen Sie dafür ein Eintrittsgeld fest, meinetwegen so viel wie für einen Kinobesuch. Denn nur, wenn etwas kostet, ist es gut und wertvoll. Wenn etwas nichts kostet, ist es nichts wert. Die Leute werden bezahlen, glauben Sie mir. Das Publikum vor Ort wird dann natürlich ein anderes sein, als das vor den Bildschirmen, das ist klar. Wir machen Ihnen gern ein Angebot für die Gestaltung der neuen Linie im Internet.“ Die Fernsehleute waren erst einmal baff und schwiegen eine Weile. Dann gab jemand zu bedenken, dass das nicht so schnell gehen würde und fragte, was man denn in der Zwischenzeit machen könnte. Aber auch das schien für Herrn Wolf kein großes Problem zu sein, denn er antwortete prompt:

      „Sie kennen doch alle Alfred Hitchcocks Film ‚Die Vögel‘; er konnte sie damals schon mit einer bestimmten Technik vervielfältigen. Machen Sie es doch genau wie er: Sie sollten ein paar Komparsen/innen und Mitarbeiter/innen in den Zuschauerraum platzieren, wo dann die digitale Kamera mit einer entsprechenden Software ausgestattet von diesen einigen wenigen Leuten mehrfach Kopien herstellt, eine größere Fläche des Saales