Thomas Riedel

Tamora - Im Sumpf des Lasters


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und zuckte leicht zusammen. Es musste sich noch jemand in der Wohnung aufhalten.

      Auch Violett hob den Kopf. Sie erhob sich und verließ kurz das Wohnzimmer. »Ist nur Cora. Sie hat gerade jemanden zu Besuch. Davon habe ich nichts gewusst. Aber sie wird uns nicht stören, keine Sorge«, erklärte Violett als sie zurückkam und es sich wieder auf dem großen Sofa bequem machte.

      »Cora?« Tamora warf Violett einen fragenden Blick zu.

      «Sie wohnt im Augenblick bei mir, nachdem sie sich länger in Frankreich aufgehalten hat … Nun ja, wir kennen uns von früher, … gemeinsame Zeiten auf dem Strich eben. Ich habe ihr vorübergehend ein Zimmer abgetreten.« Sie nahm sich eine frische Zigarette. »Ich hatte ihr verboten jemanden hier zu empfangen, aber offensichtlich kann sie nicht hören. Für mich ist das ein absolutes Tabu! Aber ich kann da jetzt schlecht reingehen und den Typen rauswerfen, oder?« Sie ließ ihr sanftes, weiches Lachen zu hören. »Nun schau nicht so entgeistert und versuch es zu vergessen.«

      »Alles gut«, erwiderte Tamora. »Ich habe damit nur nicht gerechnet.«

      »Ich muss dich um Entschuldigung bitten«, sagte Violett und zündete sich ihre Zigarette an. »Wenn mir Cora etwas davon gesagt hätte, dann wäre ich mit dir woanders hingegangen … in ein Café oder so. Jetzt hoffe ich mal, du reagierst nicht so, wie die Frauen von denen ich vorhin gesprochen habe. Ich sage dir, du wirst es gar nicht weiter bemerken. Die Wände sind nicht so dünn wie anderswo.«

      Tamora atmete tief durch. Wohin bin ich geraten? Kann ich das alles gegenüber meinem Freund verantworten?, ging es ihr durch den Kopf, doch dann lächelte sie in sich hinein. Aber andererseits hat es auch etwas.

      Violett erhob sich und ging leichtfüßig zum Bücherbord hinüber. Mit drei Romanen kam sie zurück und legte sie auf den Tisch.

      »In deinen Romanen bist du sehr viel offener, wie ich finde«, schmunzelte Violett und betrachtete Tamora, die völlig überrascht auf die Cover ihrer Bücher sah. »Ja, ich habe mich mit dir beschäftigt und war natürlich neugierig darauf, was du schreibst.« Sie inhalierte einen Zug und blies den Rauch zur Decke. »Übrigens schreibst du sehr BDSM-lastig, wie ich finde.« Sie lächelte sie herausfordernd an. »Ist das alles Fantasie oder lebst du es auch aus?«

      Tamora reagierte verwirrt. Mit dieser Gesprächswendung hatte sie nicht gerechnet. »Fantasie«, gestand sie zögernd. »Ich … mein Freund … na ja …«

      »Schon gut«, lenkte Violett schmunzelnd ein. »Aber ich vergesse es nicht und komme ganz sicher noch einmal darauf zurück … Du weißt ja, dass du mir auch einige Antworten schuldest … und mich interessieren besonders die lesbischen Anteile in deinen Geschichten.«

      Tamora spürte wie ihr das Blut in die Wangen schoss und in den Ohren rauschte.

      »Das muss dir doch nicht peinlich sein«, nahm Violett ihren Vorstoß zurück und strich sich, wie zufällig mit einer Hand sanft über ihre Strümpfe. »Aber verdammt, du bist der erste Mensch, mit dem ich mich mal ganz normal und vernünftig unterhalten kann … Übrigens ist das etwas, was ich echt vermisse.« Sie aschte ab. »Ich will ehrlich sein. Mit den meisten Mädchen auf der Straße ist allgemein nicht viel los. Die sind froh, wenn sie ihr Soll beisammen haben, und damit hat es sich. Die lesen ganz sicher kein Buch oder die Tageszeitung. Geschweige denn, dass sie sich überhaupt für irgendetwas interessieren, was ihren Kopf anstrengt. Mit denen kann man sich intellektuell nicht duellieren. In deren Hirn fehlt quasi der auslösende Schlagbolzen! … Aber gut, … ja, ich gebe zu, sie sind dafür in der Überzahl!«

      Tamora musste lachen. »Mir scheint auch, dass du eine echte Ausnahme bist. Du siehst umwerfend aus, hast was im Kopf und weißt genau, was du willst«, erwiderte sie nach einigen Sekunden, in denen sie von Violetts erneutem Streicheln der Beine abgelenkt wurde.

      »Als Ausnahme würde ich mich nun nicht gerade bezeichnen, aber ich bedanke mich für dein Kompliment.« Sie erhob sich und griff nach der Kanne auf dem Stövchen. »Möchtest du noch etwas Tee?«

      »Ja, danke gern«, erwiderte Tamora lächelnd.

      »Wie schmeckt er dir? «, wollte Violett wissen.

      »Gut.«

      »Ist diesmal ein anderer, eine Wildkirschen-Mischung. Ich habe immer so an die vierzig Sorten im Haus«, erklärte Violett und drehte sich einmal langsam um ihre Achse, bevor sie wieder auf dem Sofa Platz nahm. »Du musst mich nicht immer so verstohlen anschauen. Sag doch einfach, dass ich dir gefalle.«

      Tamora brachte kein Wort heraus. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Sie nickte leicht. Violett hatte es auf spielerische Weise geschafft den Bann zu brechen. Gleichzeitig hatte sie sie damit ganz aus dem Konzept gebracht. Hinzu kam, dass sie gedanklich immer wieder im Nebenzimmer war und bei dem, was dort gerade geschah. Sie ertappte sich dabei, wie sie es sich im Detail ausmalte. Um sich abzulenken und das Gespräch in eine andere Bahn zu lenken, nahm sie einen Schluck Tee. »Der schmeckt wirklich gut«

      Violett grinste sie frech an, legte ihre langen, schlanken Beine ladylike gegeneinander und ließ das Etuikleid dabei – wie zufällig – etwas nach oben rutschten. Sie bohrte aber nicht weiter, und Tamora war froh, dass sie ihr Ausweichen für den Augenblick akzeptierte. »Tee macht langsam munter, hält dafür aber länger an. Die Beduinen, … wenn die früher unterwegs waren, die haben sich förmlich damit vollgepumpt. Danach konnten sie Stunde um Stunde mit dem Kamel durch die Wüste ziehen. Und da sage mal einer, es sei nur Tee.«

      »Ja, darüber habe ich auch schon mal gelesen«, lachte Tamora erleichtert und warf einen demonstrativen Blick auf ihre Armbanduhr, um nicht schon wieder Violetts Beine anzustarren. »Wow, ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit verflogen ist. Ich bin schon über zwei Stunden hier.«

      Violett zog jetzt gemütlich ihre Füße aufs Sofa, ließ ihre Hände über die Strümpfe gleiten und zeigte sich erstaunt. »Ja, und?«

      »Kann ich hier mal auf das stille Örtchen?«, erkundigte sich Tamora.

      »Aber sicher, gleich neben der Wohnungstür«, schmunzelte Violett. »Kannst du gar nicht verfehlen.«

      »Danke.«

      *

      Tamora erhob sich, huschte aus dem Salon und betrat den großzügig angelegten Flur, der direkt auf die Wohnungstür zulief und zu beiden Seiten verzweigte. Auf der linken war er von einer Art Vorhang verdeckt.

      Im selben Augenblick, als sie die Tür zum Wohnzimmer hinter sich schloss, musste dort eine andere aufgegangen sein. Aus den Augenwinkeln sah sie flüchtig den Schatten eines Mannes, der, als er sie wahrnahm, sofort in den dunklen Hintergrund zurücksprang und ihr seinen Rücken zudrehte.

      Sie hatte nicht viel gesehen, schließlich war sie selbst darum bemüht nicht erkannt zu werden. Mit wild pochendem Herzen, suchte sie die Toilette auf. So muss man sich also als Freier fühlen, wenn man heimlich vorgehen muss, dachte sie lächelnd. Na ja, das habe ich ja Gott-sei-dank nicht nötig. Wenn man mich hier sieht, wird wohl niemand auf den abstrusen Gedanken kommen, dass ich aus sexueller Intention heraus eine Prostituierte besuche – zumal in ihrer Wohnung. Der Gedanke daran erheiterte sie so sehr, dass sie fast in lautes Gelächter ausgebrochen wäre. Doch sie bekam sich noch rechtzeitig in den Griff.

      Der Freier musste sich noch im Flur aufhalten. Denn plötzlich konnte sie eine fremde weibliche Stimme hören. Das muss diese Cora sein. Sie scheint den Kunden sehr gut zu kennen.

      »Ich würde mich freuen, wenn du bald wieder bei mir vorbeischaust«, ermunterte sie den Mann, bekam aber keine Antwort.

      Sicher ist der noch zu erschrocken, dachte Tamora spöttisch. Vielleicht sollte ich einfach in den Flur gehen und ihm sagen, dass ich keine Hure bin. Doch ehe sie das umsetzen konnte, hörte sie auch schon die Wohnungstür ins Schloss fallen und im Flur trat Stille ein. Jetzt muss ich mich aber sputen, schoss es ihr durch den Kopf. Ich muss heute unbedingt noch die Druckfahne durchgehen. Sie dachte daran, wie schwer es oft für sie war, Beruf und Freund unter einen Hut zu bringen, zumal sie ihren Job zu Hause am Schreibtisch machte und nur zu oft vom ihm gestört wurde. Wie