Hans-Georg Schumann

Der kleine Teufel


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Sie die Polizei rufen, weil Sie glauben, ein Monster gesehen zu haben?«

      »Na, hören Sie mal«, rief der Geschäftsführer erbost, »Ich weiß doch, was ich sehe!«

      »Offenbar nicht« erwiderte der Polizist mit lauter Stimme, »Oder können Sie mir ihr gefährliches Wesen mal zeigen?«

      Der Geschäftsführer schluckte. Dann nahm er allen Mut zusammen und nickte. »Kommen Sie mit!« Und er fasste den Polizisten am Ärmel.

      Beide verschwanden hinter einem Regal. Diesmal dauerte es fast eine Viertelstunde, ehe sie wieder an der Kasse angekommen waren.

      »Nichts zu finden«, wetterte der Polizist. Und der Geschäftsführer zuckte mit den Schultern.

      »Machen wir dem Spuk ein Ende«, sagte der Polizist. »Ich werde jetzt gehen. Und Sie kommen morgen aufs Revier.« Dabei zeigte er auf den Geschäftsführer.

      Der Polizist schaute alle Anwesenden noch einmal grimmig an. Und verließ dann eilig die Drogerie.

      Kaum war der Mann verschwunden, drehte sich der Geschäftsführer zu Anna um: »Daran sind nur Sie schuld! Wer hat uns denn diese Geschichte mit dem Monster eingebrockt? Da hab ich mir sogar eingebildet ...«

      Anna witterte erneuten Ärger. Dabei hatte sie schon gehofft, ohne großes Aufsehen endlich wieder nach Hause zu kommen.

      »Sie haben es wirklich gesehen«, betonte sie und sah den Geschäftsführer an. »Ach, was«, schrie der, »Nur Ihretwegen hatten wir die Polizei im Haus! Das ist Geschäftsschädigung!«

      »Ich möchte jetzt zahlen«, sagte Anna langsam, »und dann gehen.«

      »Nein, Sie bleiben hier!«, brüllte der Geschäftsführer. Er fasste Anna am Arm und versuchte sie, von der Kasse wegzuziehen. Anna wehrte sich nicht und folgte ihm in sein Büro.

      »Setzen Sie sich da hin!«, herrschte er sie an. Entmutigt ließ Anna sich auf einen Stuhl fallen.

      »OK«, sagte sie, »Und was jetzt?«

      »Jetzt?« Der Mann sah sie ratlos an. »Jetzt, jetzt«, stammelte er, »Verdammt noch mal! Jetzt weiß ich nicht mehr weiter.«

      »Dann lassen Sie mich gehen«, bat Anna.

      »Na gut«, willigte der Geschäftsführer ein.

      Anna eilte zur Kasse und legte das verlangte Geld für die Windeln hin. Dann war sie draußen.

      »Puh«, atmete sie laut auf. Und sputete sich nach Hause zu kommen.

      Dort eingetroffen, ließ sie sich sie kraftlos in ihren Sessel fallen. Dann begann sie zu weinen. Sie fühlte sich gedemütigt. Vor all den Leuten! Dann dieser Geschäftsführer. Wäre sie doch bloß nie in diesen Scheißladen gegangen.

      Sie richtete sich auf, wischte die Tränen aus dem Gesicht.

      »Egal« sagte sie laut, »Das hätte mir wohl in jedem Laden passieren können. Schuld war doch dieses Mon...«

      Sie stutzte und drehte sich um. Ihre Augen suchten nach dem kleinen Teufel. Dass sie darauf nicht sofort gekommen war: Dieses verflixte Biest!

      Als sie den kleinen Kerl nicht sehen konnte, stand sie auf. Ging in die Küche und sah sich dort um.

      Er wird doch nicht wieder im Bad sein?, dachte sie.

      »Nein«, hörte sie seine Stimme. Der kleine Teufel kam gerade durch die Tür hereingeflogen und landete auf dem Herd.

      »Wo warst du denn?« fragte Anna.

      »Nirgends«, antwortete der kleine Teufel, »oder irgendwo.«

      Anna schwieg dazu und versuchte sich wieder zu beruhigen.

      »Na ja«, sagte sie dann, während sie sich einen Espresso zubereitete, »ich habe jedenfalls einiges erlebt.«

      »Und das willst du mir erzählen?«, fragte der kleine Teufel. Anna nickte.

      »Ich will's aber gar nicht wissen«, grinste der kleine Teufel.

      Anna ging vor ihm in die Hocke und sah ihn an. »Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder dich interessiert es nicht. Oder du weißt es schon. Welcher Grund ist es?«

      »Einer von beiden«, sagte der kleine Teufel.

      »Welcher von beiden?«, wiederholte Anna ihre Frage.

      »Oder beide«, lachte der kleine Teufel.

      »Ich werde dir jetzt erzählen, was passiert ist«, sagte Anna langsam, »Und du hörst mir zu!«

      Der kleine Teufel antwortete nicht, sondern sah sie nur schweigend an.

      »In der Drogerie ist mir ein riesiges Ungetüm begegnet. Wenn ich dich anschaue und es mir genau überlege, hatte es Ähnlichkeit mit einem aufgeblasenen Teufel.«

      »Ich habe gar keine Lust, dir zuzuhören«, sagte der kleine Teufel.

      Aber Anna sprach unbeirrt weiter: »Weißt du, was ich denke? Das warst du.«

      Dann schimpfte sie los: »Und du hast versprochen, hier zu bleiben. Trotzdem bist du einfach hinter mir her, hast mir einen gehörigen Schrecken eingejagt und mich vor allen Leuten gedemütigt.«

      »Das stimmt«, sagte der kleine Teufel, »Ich wollte dich besuchen. Und es war doch lustig.«

      »Der Schreck war ja nicht das Schlimmste«, klagte Anna, »sondern wie die Leute mich behandelt haben.«

      »Damit habe ich nichts zu tun«, sagte der kleine Teufel, »Da war ich nicht dabei.«

      »Ach ja?« rief Anna, »Und wie ist das Ganze entstanden? Die Leute glaubten, ich spinne, weil du mir als Riesenaffe begegnet bist.«

      Der kleine Teufel nickte grinsend.

      »Und du hattest mir versprochen ...«, wollte Anna sagen.

      Doch dass er ein Versprechen hielt, das konnte sie ja nicht erwarten. Auf was aber konnte sie sich denn überhaupt bei diesem verdammten Teufel verlassen?

      7. Gut und böse

      Der Wecker klingelte. Anna wurde wach und streckte sich. Sie sprang aus dem Bett, ging ins Bad, stellte sich unter die Dusche und schlüpfte, ohne sich abzutrocknen, in ihre Kleider.

      Sie setzte Wasser auf und wartete, bis es kochte. Dann brühte sie sich eine große Tasse schwarzen Tee und schlürfte ihn bedächtig in kleinen Schlucken. Anschließend aß sie gemütlich eine Schale Müsli.

      Währenddessen lag der kleine Teufel in ihrem Sessel, in eine Windel gepackt, die ihm eigentlich zu groß war, und schlief weiter.

      Anna streifte Schuhe und Jacke über, zog die Wohnungstür hinter sich zu. Ging gemächlich die vielen Treppenstufen hinunter. Zuerst wagte sie einen Blick hinaus auf die Straße und stellte fest, dass die vom Schnee freigeräumt war. Dann schwang sie sich im Hausflur auf ihr schon etwas angerostetes Fahrrad. Und machte sich auf den Weg zur Spedition, in der sie arbeitete.

      Die Zeit im Büro verlief diesmal nicht mit der gewohnten Eintönigkeit. Immerhin war gestern hier eingebrochen worden. Und den Wachmann Bartholomäus hatte es beinahe erwischt.

      Nur wenige Minuten nach Beginn der Arbeitszeit kam Gottfried Möller, der Chef der Speditionsfirma, stellte sich vor alle Kollegen und sagte laut: »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«

      Als alle schweigend auf ihn schauten, begann er: »Herr Bartholomäus liegt noch immer auf der Intensivstation. Die Ärzte sagen, dass er wohl überleben wird.«

      Dann erzählte Möller vom Einbruch in die Firma. Er war sichtlich bemüht, alles möglichst sachlich darzustellen, obwohl man ihm ansah, dass er sehr betroffen war.

      »Es ist den Tätern gelungen, unseren Tresor aufzubrechen und das ganze Geld mitzunehmen, das dort gelagert war. Gott sei Dank war es nicht allzu viel. Ansonsten wurde einiges von unserer Einrichtung