Hans-Georg Schumann

Der kleine Teufel


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Ruck auf und schnappte den kleinen Kerl bei den Flügeln. Ging zur Wohnungstür und öffnete sie. Ehe er sich's versah, saß der kleine Teufel allein draußen im Treppenhaus. Anna hatte die Tür zugeschlagen und lehnte sich nun von innen dagegen.

      »Den bin ich los«, sagte sie, »jedenfalls vorläufig.« Denn so richtig glauben konnte sie nicht, dass nun alles wieder beim Alten war.

      Sie ging in die Küche und schaute sich um: »Oh Gott! Das kriege ich ja nie wieder in Ordnung!«

      »Sag das nicht«, hörte sie da die Stimme, die ihr inzwischen allzu vertraut geworden war. Als sie sich umdrehte, stand hinter ihr der kleine Teufel und grinste sie an.

      »Wie bist du wieder hierhergekommen?«, fragte Anna.

      »Durchs Schlüsselloch.«

      »Unsinn! Wie hast du die Tür aufgekriegt?«

      Der kleine Teufel antwortete nicht. Anna sah ihn ungläubig an. »Durch das Schlüsselloch«, wiederholte sie dann. Und der kleine Teufel nickte.

      »Du kannst dich so winzig machen ...«, begann Anna. Wieder nickte der kleine Teufel und fuhr fort: »So winzig wie eine Mücke. So riesig wie ein Elefant. Ich kann mich beliebig klein oder groß machen. Das ist für mich kein Problem.«

      »Aber warum hast du dich dann in dieser Aufmachung aus dem Ei gepellt?«, fragte Anna.

      »Wie stellen sich die Menschen einen Teufel vor? Hörner, Schwanz, Pferdefuß. Ich hätte auch als Küken erscheinen können, das hätte besser zu einem Hühnerei gepasst. Aber wie hättest du als Mensch mich dann als Teufel erkennen können? Du hättest mich für ein kleines Huhn gehalten und womöglich hätte ich noch für dich Eier legen müssen. Also bin ich so erschienen, wie die Menschen den Teufel sehen wollen.«

      Anna beschloss, sich darüber nicht weiter zu wundern. Im Grunde genommen war ihr das auch jetzt gleichgültig. Sie beschäftigte im Augenblick nur der Zustand ihrer Küche.

      »Am besten«, sagte sie langsam zum kleinen Teufel, »du verschwindest wieder auf dem gleichen Wege, den du eben gekommen bist. Ich habe jetzt meine eigenen Sorgen.« Und sie drehte sich von ihm weg.

      »Die dich ja nicht interessieren«, fügte sie dann hinzu. »Wer sagt das?«, fragte der kleine Teufel.

      »Du hast doch vorhin klar und deutlich gesagt: Meine Probleme interessieren dich nicht.«

      »Das war vorhin. Aber jetzt ist jetzt.«

      »Was soll das nun wieder heißen?«

      Der kleine Teufel grinste sie an. Schon sein Grinsen machte Anna allmählich aggressiv. Aber ehe sie darauf reagieren konnte, sagte er: »Du möchtest deine Küche wieder in Ordnung haben?«

      »Genau«, nickte Anna, »gerade so, wie sie vor deinem Besuch war. Aber weiß der Teufel, wie das geschehen soll!«

      Sie hörte den kleinen Teufel hell auflachen. Und als er dazu noch sagte: »Ja, der Teufel weiß es«, konnte sie mit einem Mal nicht anders und musste ebenfalls lachen.

      »Na gut«, meinte der kleine Teufel, »Weil ich Lust habe, tu ich's: So sei es!«

      Sowie er dies gesagt hatte, begann vor Annas Augen alles, was in ihrer Küche mit Geschirr und Kühlschrankinhalt geschehen war, im Zeitraffer rückwärts abzulaufen. Nach nicht einmal einer Minute hatte die ganze Küche wieder ihren ursprünglichen Zustand.

      »Jetzt ist es gut«, stellte der kleine Teufel fest.

      Und Anna rieb sich die Augen. Dann entschied sie, sich auch über dieses Ereignis nicht weiter zu wundern.

      »Danke«, sagte sie zum kleinen Teufel. Aber der schüttelte den Kopf: »Wofür?«

      »Dass du das wieder in Ordnung gebracht hast.«

      Der kleine Teufel grinste nur. So etwas wie »Das war ich dir doch schuldig« hätte er ruhig sagen können. Aber wenn sie genauer darüber nachdachte, konnte man wohl von einem Teufel weder Unrechtsbewusstsein noch Schuldgefühle erwarten.

      »Da hast du recht«, bestätigte der kleine Teufel ihre Gedanken.

      »Na gut«, sagte Anna, »lassen wir's dabei. Ich verzeih dir.«

      »Was verzeihst du?«

      »Na, was du mir vorhin angetan hast. Ist ja wieder in Ordnung.«

      »Es ist deine Ordnung«, betonte der kleine Teufel.

      »Meinetwegen. Also, Schwamm drüber, vergeben und vergessen.«

      Der kleine Teufel gab darauf keine Antwort. Anna gefiel das aber nicht. Nur wenn er gerade Lust hatte, machte er angerichteten Schaden wieder gut. Und wenn er Gefallen daran fand, ihre ganze Wohnung in einen Trümmerhaufen zu verwandeln, würde er wohl auch das tun.

      »Da hast du recht«, erwiderte der kleine Teufel zustimmend.

      »Warum tust du so was?« fragte Anna.

      »Ich tue nur das, was gut ist« sagte der kleine Teufel.

      »Gut für dich«, meinte Anna. Und der kleine Teufel pflichtete ihr bei: »Klar, gut für mich.«

      »Gut ist, was mir gefällt«, fuhr er fort, »Erst hat es mir gefallen, in deinem Essen zu graben und mit deinem Geschirr zu spielen. Dann hat es mir gefallen, alles wieder rückgängig zu machen. Erst war das eine gut, dann war das Gegenteil gut.«

      »Ich finde das schrecklich«, rief Anna, »Weil du tun kannst, was du willst, bin ich dir ja ausgeliefert!«

      Der kleine Teufel nickte. »Auch du«, sagte er dann, »kannst ja tun, was du willst.«

      »Aber ...«, begann Anna, doch der kleine Teufel unterbrach sie: »Hast du mich vom Herd geschubst? Hast du mich vor die Tür gesetzt?«

      »Ja«, musste Anna zugeben, »aber das geschah in reiner Notwehr. Normalerweise hätte ich so was nie getan.«

      »Du hast es getan«, sagte der kleine Teufel, »weil du es in dem Moment wolltest.«

      Anna schüttelte den Kopf: »Du hast mich dazu gezwungen, mich zur Wehr zu setzen. Nur weil du dich so danebenbenimmst, habe ich so reagiert. Oder meinst du, ich würde alle meine Gäste so behandeln?«

      Der kleine Teufel schwieg dazu. Bestimmt nicht, weil er irgendetwas eingesehen hat, dachte sich Anna.

      »So kann es jedenfalls nicht bleiben«, sagte sie dann laut, »Ich will, dass du wieder verschwindest!«

      Einen Moment schwiegen beide.

      »Ich gehe, wenn ich will«, meinte der kleine Teufel dann, »Sonst bleibe ich.«

      »Wenn du nicht freiwillig gehst«, schimpfte Anna, »dann schmeiß ich dich raus!«

      Als sie das breite Grinsen des kleinen Teufels sah, sprang sie auf. Ehe sie aber zupacken konnte, war der freche Kerl mit ein paar Flügelschlägen in der Luft. Anna jagte hinterher und versuchte, ihn zu fangen. Aber der kleine Teufel entwischte ihr ständig.

      Schließlich lief sie ins andere Zimmer und kam mit einer Decke zurück. Damit bemühte sie sich nun, den kleinen Teufel einzufangen. Dem schien das Ganze immer mehr Spaß zu machen. Denn er kicherte jedes Mal laut, wenn ein Versuch danebengegangen war.

      Bei der Verfolgungsjagd war inzwischen schon einiges zu Bruch gegangen. Weil Anna mit der Decke nach ihm warf oder schlug, traf sie hin und wieder eine Tasse oder einen Teller. Auch das quittierte das kleine Biest mit einem kräftigen Lachen.

      Ganz plötzlich aber erwischte sie ihn doch. Schnell wickelte sie ihn ein und eilte zur Wohnungstür. Draußen schüttelte sie die Decke aus. Und der kleine Teufel kullerte auf den Boden.

      Noch ehe er sich aufgerafft hatte, war Anna schon wieder in ihrer Wohnung. Diesmal steckte sie den Schlüssel von innen ins Schlüsselloch. »Nun kann er sich noch so klein machen«, dachte sie, »da kommt er nicht mehr durch.«

      Kurze Zeit später hörte sie ein scharrendes Geräusch an der Tür,