Hans-Georg Schumann

Der kleine Teufel


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Irgendwann würde er aufgeben. Und wenn sie viel Glück hatte, würde er verschwinden. Es gab schließlich noch genug andere Leute, die er schikanieren konnte.

      Nach einer Weile wurde es draußen ruhig. Anna hatte zunächst noch erwartet, dass er sie vielleicht bitten würde, ihn wieder hereinzulassen. Aber offenbar bittet so ein Teufel nicht. Jedenfalls hoffte sie, er möge bald an einen anderen Menschen geraten. Dann hätte der ihn jetzt am Hals und müsste sich damit herumplagen, den kleinen Quälgeist wieder loszuwerden.

      Anna wartete noch eine ganze Zeit lang. Als es draußen weiterhin still blieb, ging sie in die Küche. Machte dort den Kühlschrank auf, dessen Inneres ja wieder in seinem früheren Zustand war. Sie nahm einen Joghurtbecher heraus, öffnete ihn und stellte ihn auf den Küchentisch. Das Geschirr war leider noch immer nicht abgespült, aber wenigstens unbeschädigt. Bis auf das, was bei der Jagd nach dem Teufel zerbrochen war.

      Sie griff nach einem Löffel und wusch ihn unter dem Wasserhahn kurz ab. Dann setzte sie sich und ließ sich den Joghurt schmecken. Sie genehmigte sich noch einen Espresso.

      Anschließend fegte sie die Scherben weg, wischte den Boden nach und spülte endlich ihr Geschirr. Nach getaner Arbeit beschloss sie, den Rest des Abends vor dem Fernseher zu verbringen.

      Dabei hoffte sie, den kleinen Teufel und alles, was passiert war, zumindest für heute verdrängen zu können. Der Film, der lief, war zwar schmalzig und langweilig. Aber wenigstens machte er so müde, dass Anna schließlich im Sessel einschlief. Damit war der Sonntag fast vorbei. Ziemlich genau um Mitternacht wachte sie kurz auf.

      Sie glaubte, ein Geräusch gehört zu haben. Sofort fiel ihr der kleine Teufel ein. Und sie fürchtete schon, dass er es irgendwie geschafft hatte, wieder in die Wohnung zurückzukommen. Aber es blieb ruhig.

      Sie ging zum Fernsehgerät und schaltete es aus. Dann schaute sie kurz auf die Uhr, sah, dass es Mitternacht war, brummte verschlafen »Geisterstunde«, ließ sich in ihren Kleidern aufs Bett fallen und schlief gleich darauf ein.

      Erst am nächsten Morgen schlug sie die Augen wieder auf. Und da war es kurz danach auch schon Zeit zum Aufstehen, Duschen, Frühstücken: Es war Montag.

      Auf dem Weg zum Büro, in dem sie arbeitete, wurde ihr bewusst, dass sie sich nun offensichtlich wieder im üblichen Trott befand.

      Wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, würde sie aus ihren Straßenschuhen steigen und diese in eine Ecke neben dem Fernsehgerät werfen. Dann würde sie das Radio einschalten, Musik hören und vielleicht mitsummen. Auch auf den nachmittäglichen Espresso würde sie nicht verzichten.

      Anschließend würde sie wohl noch einmal um die Ecke in die Altstadt gehen. Wenn sie zurückkam, würde sie den Fernseher anschalten und dem zuschauen, was gerade kam. Mit der Zeit würde sie dabei müde werden, vielleicht wieder im Sessel einschlafen. Sich dann wieder aufraffen, um sich auszuziehen und ins Bett zu legen. Und damit würde wohl auch dieser Tag wie viele andere schon wieder vorbei sein.

      Beim Grübeln war sie glatt an ihrer Arbeitsstelle vorbeigeradelt. Das war ihr bisher noch nie passiert! Schnell wendete sie und beeilte sich, noch pünktlich anzukommen. Als sie dann im Büro an ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte, war ihr Alltag wirklich wieder eingekehrt. Und sie spürte, wie sie begann, sich damit abzufinden …

      4. Die Rückkehr

      Das Abenteuer mit dem kleinen Teufel konnte Anna nicht vergessen: Irgendwie ging ihr der kleine Kerl einfach nicht aus dem Kopf. Aber erzählen konnte sie es niemandem. Denn wer würde ihr so etwas schon glauben?

      Sie wunderte sich darüber, dass sie gestern nach dem Rausschmiss des kleinen Teufels einfach so eingeschlafen war, und es heute Morgen anscheinend weiterging wie bisher.

      Noch am Sonntag hatte Anna sich vorgenommen, über ihre Lage nachzudenken, vielleicht ein neues Leben anzufangen oder zumindest am alten etwas zu ändern. Doch es sah so aus, als wollte sie das lieber wieder auf irgendeinen anderen Tag verschieben.

      Jetzt war Montagnachmittag. Die Büroarbeit hatte Anna bereits hinter sich, die Espressotasse stand ausgetrunken auf dem Tisch. Gestern noch hatte der kleine Teufel sein Hinterteil in ihr Lieblingsgetränk getaucht. Sie musste plötzlich lachen. Irgendwie fand sie das jetzt lustig.

      Als sie jedoch daran dachte, in welchem Zustand der Kühlschrank war, nachdem der kleine Teufel darin getobt hatte, überkam sie wieder ein Ekelgefühl. Und die Erinnerung an sein Spiel mit dem Geschirr verschlechterte Annas Laune noch mehr.

      Alles in allem hatte er ihren Alltag gehörig durcheinandergebracht. Dieser kleine Teufel besaß Eigenarten, mit denen sie glaubte nie und nimmer leben zu können. Trotzdem war sie ihm nicht wirklich böse. Ja, wie es schien, vermisste sie ihn sogar etwas.

      Immerhin hatte dieses seltsame Wesen es erreicht, dass sie heute Abend den Fernseher gar nicht erst anschaltete. Stattdessen hatte sie begonnen, über die Ereignisse vom Sonntag nachzudenken.

      »Vielleicht ist das jetzt die Gelegenheit, endlich mal was Neues zu versuchen?«, sagte Anna schließlich laut vor sich hin. »Dann war es zumindest für etwas gut.«

      »Gut für dich.«

      Anna zuckte zusammen. Dann drehte sie sich blitzschnell um. Und starrte dem kleinen Teufel direkt in sein grinsendes Gesicht.

      »Was? Woher?«, stammelte sie, »Bist du es? Wie bist du ...?«

      »Zu viele Fragen auf einmal«, lachte der kleine Teufel.

      Anna sackte in sich zusammen: »Er ist es!«

      Und sie spürte, wie die Angst in ihr hochkroch. Nun war sie dieses Biest doch nicht los. Es würde weiter gehen, er würde tun und lassen, was er wollte. Und dabei keine Rücksicht auf sie nehmen, außer wenn er gerade mal Lust dazu hatte.

      »Stimmt genau«, stellte der kleine Teufel fest. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass er ihre Gedanken mitgelesen hatte.

      »Was hast du vor?«, fragte Anna.

      »Nichts«, sagte der kleine Teufel, »Noch nichts.«

      In dieser Antwort witterte Anna neues Unheil.

      »Ich will keinen Ärger«, rief sie. »Lass mich mit deinen Launen in Ruhe!«

      »Was willst du dagegen tun?«, fragte der kleine Teufel lauernd.

      Darauf wusste Anna keine Antwort.

      »Du möchtest mich wieder verjagen«, sagte er.

      Spontan wollte Anna »Ja« sagen, zögerte dann aber einen Moment. Schließlich schüttelte sie den Kopf: »Nein. Ich glaube nicht. Abgesehen davon würde es mir sowieso nicht gelingen.«

      »Da hast du recht«, pflichtete ihr der kleine Teufel bei. »Es gibt nicht viele Möglichkeiten, mich loszuwerden.«

      Anna sah ihn traurig an. Noch vor wenigen Augenblicken war es ihr, als hätte sie diesen scheußlichen kleinen Kerl ein wenig vermisst. Nun war er wieder da, und nur der Teufel wusste, wie er hergekommen war.

      Sie hatte große Angst vor dem, was geschehen konnte, jedoch keine Lust mehr, sich auf all das einzulassen. Ihre Vorsätze von einem neuen Leben schienen dahin, geschmolzen wie Schnee in der Sonne. Sie wünschte sich ihren grauen Alltag zurück.

      »Du hast Angst vor mir«, hörte sie den kleinen Teufel sagen. Als sie nickte, sprach er weiter: »Es gibt keinen Grund, sich vor mir zu fürchten. Ich will dir ja nicht wehtun.«

      Sie schaute ihn erstaunt an. »Und gestern? Da hast du mir doch wehgetan.«

      »Wirklich?« Der kleine Teufel schien überrascht.

      »Natürlich! Warum sonst wollte ich dich loswerden?«

      »Gestern habe ich getan, was mir gefiel. Ich tue immer das, was mir guttut.«

      »Das ist aber oft rücksichtslos!«, rief Anna.

      »Wieso?«, fragte der kleine Teufel.

      Gerade