Hans-Georg Schumann

Der kleine Teufel


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machen wir jetzt?«, fragte der kleine Teufel. Und saß mit einem Satz auf dem Herd.

      »Ich«, antwortete Anna, »mache mir jetzt was zur Beruhigung.«

      Einen starken Espresso konnte sie jetzt brauchen. Am besten gleich einen doppelten oder mehrfachen. Sie öffnete eine Schranktür und nahm die größte Tasse heraus, die sie hatte. Füllte sie mit Wasser und goss es in die Espressokanne um.

      »Was wird das?«, fragte der kleine Teufel.

      »Espresso«, sagte Anna.

      »Was ist das?«

      »Etwas zu trinken«, erwiderte Anna.

      »Für mich?«

      »Nein, den werde ich trinken«, betonte Anna.

      »Warum du?«

      »Weil ich ihn jetzt nötig habe.«

      Augenscheinlich gab sich der kleine Teufel mit dieser Antwort zufrieden. Er saß stumm da und schaute Anna zu, wie sie sich mit der Zubereitung ihres extra großen Espresso beschäftigte.

      Als sie fertig war, ging sie langsam mit der dampfenden Tasse zum Küchentisch und setzte sich. Für die nächsten Minuten wollte sie sich nur noch auf diese Tasse Espresso konzentrieren. Sie trank einen ersten Schluck, setzte die Tasse auf dem Tisch ab, und schloss dann die Augen. Sie spürte, wie es ihr heiß den Hals hinunterlief. Und sie genoss es.

      »Tut gut!«, hörte sie die Stimme des kleinen Teufels. Als sie die Augen aufschlug, saß der vor ihr und hatte seinen Po mitsamt dem Schwanz tief in die Tasse getaucht.

      »Bist du verrückt?«, empörte sich Anna und sprang auf. »Du versaust mir meinen ganzen Espresso!«

      »Mir tut es gut, beim Essen war es ganz schön kalt.«

      »Der ist zum Trinken, nicht zum Baden!«, schrie Anna.

      »Auch gut.«

      Der kleine Teufel erhob sich, drehte sich um und setzte die Tasse an den weit geöffneten Mund. Erst als sie leer war, ließ er sie wieder los. Breit grinsend machte er einen großen Satz zum Herd, und schlug dabei mit den Flügeln.

      Anna war außer sich. Da kam ihr eine Idee. Sie stand von ihrem Stuhl auf, ging langsam zum Herd und drehte dort sämtliche Heizplatten an. »Bald wirst du mehr Hitze haben als dir lieb ist«, dachte sie.

      »Wirklich?«, hörte sie den kleine Teufel lachen, »Das ist gut!«

      Schon wieder hatte sie nicht darauf geachtet, dass dieser verdammte Teufel Gedankenleser war. Aber was machte das jetzt? Gleich würde das kleine Biest sich fühlen wie in der Hölle. Nun musste Anna sogar grinsen. Gespannt schaute sie zu, wie die Herdplatten allmählich zu glühen anfingen.

      Der kleine Teufel schien mit einem Mal wie erstarrt. Er saß zusammengekauert auf einer der Platten und hatte die Augen geschlossen. Dann brummte er vor sich hin: »Wie schön! Tut gut!«

      »Nicht mehr lange«, dachte Anna laut.

      Aber der kleine Teufel schien sie gar nicht zu hören. Je heißer die Platten wurden, desto mehr gab er sich der Hitze hin. Schließlich waren sie alle so glühend rot geworden, dass Anna sich um ihren Herd sorgte. Schnell schaltete sie alle Platten wieder ab.

      Erst mit der Zeit begann Anna zu begreifen, dass einem Teufel selbst größte Hitze offenbar nicht schaden kann. Schließlich stammten diese Wesen ja aus der Hölle. Und dort war es sicher um ein Vielfaches heißer als es jemals auf einer Herdplatte werden konnte.

      Der kleine Teufel reagierte nicht auf ihre Gedanken. Vielleicht bekam er sie auch gar nicht mit. Gerade legte er sich der Länge nach hin, streckte sich, und wälzte sich ein paar Mal auf den immer noch glühend heißen Platten hin und her.

      »Das genügt«, sagte er dann und sprang wieder vom Herd. Nach einigen Hüpfern landete er auf einem Küchenstuhl.

      Anna starrte ihn einen Moment an. Sie ging zum Tisch und setzte sich auf den anderen Stuhl. Sie stellte die Ellbogen vor sich und stützte den Kopf in ihre Hände.

      »Bloß jetzt nicht nachdenken«, sagte sie dann laut. Sie stand wieder auf und sah sich um. Irgendetwas musste sie tun. Etwas, das sie ablenkte.

      Anna starrte auf den Berg Teller, Tassen und Besteck, der sich auf der Spüle türmte. Dann nickte sie: »Ich werde Geschirr spülen.«

      »Ich werde Geschirr spielen«, hörte sie das Lachen des kleinen Teufels. Und schon saß er auf der Spüle. Mit einem Stups brachte er den Haufen Geschirr ins Rutschen. Ein paar Tassen landeten unsanft auf dem Fußboden und zerschellten dort.

      Der kleine Teufel lachte: »Das ist gut!« Und mit einem weiteren Schubs beförderte er einen Teller hinterher. Die Scherben flogen durch die ganze Küche.

      »Hör auf, hör auf!«, schrie Anna verzweifelt. Doch der kleine Teufel hatte bereits den nächsten Teller in seinen Fingern. Und schleuderte ihn jetzt in hohem Bogen gegen die Küchentür. Anna sah, wie er sichtlich das Klirren genoss, als der Teller auf dem Boden aufkam.

      Da packte sie eine unbändige Wut. Mit einem Faustschlag fegte sie den kleinen Teufel von der Spüle. Der wusste gar nicht, wie ihm geschah, als er plötzlich durch die Luft flog und unsanft auf dem Küchenboden landete.

      Im gleichen Moment wandelte sich Annas Wut in Bestürzung. Schnell lief sie zu dem kleinen Teufel und ging vor ihm in die Hocke. »Hast du dir weh getan?«, fragte sie besorgt.

      »Das ist nicht gut«, stöhnte der arme Kerl und rieb sich den Rücken, »Tut nicht gut.« Dann schaute er Anna mit großen Augen an: »Und dir geht es nicht gut?«

      Anna nickte. Wie sie ihn so ansah, kamen ihr mit einem Mal die Tränen. Sie setzte sich auf den Boden, schlug die Hände vors Gesicht und begann laut zu weinen. So saß sie eine ganze Zeit lang da, bis sie merkte, dass es ihr um Hals und Schultern wärmer wurde.

      Als sie wieder aufsah, war der kleine Teufel vom Boden verschwunden. Aber sie spürte, dass er auf ihrer Schulter saß und seine kleinen Arme um sie gelegt hatte. Die Berührung tat ihr gut. Obwohl ihr immer heißer dabei wurde.

      Schließlich begann sie zu schwitzen. Schweißtropfen liefen ihr von der Stirn, ihre Bluse wurde an Hals und Rücken nass und begann zu kleben. Der Kerl auf ihrer Schulter war ihr unangenehm, sie wollte ihn wieder loswerden.

      »Das wird mir zu heiß«, sagte sie laut.

      Der kleine Teufel sprang von ihrer Schulter und saß nun wieder vor ihr. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

      »Puh«, sagte sie. Und schaute den kleinen Teufel an.

      »Da haben wir wohl verschiedene Ansichten über ...«, begann der zu sagen.

      »Über vieles«, ergänzte Anna, »über vieles.« Und sie versuchte zu lächeln.

      3. Kein Tag wie jeder andere

      Da saßen sie nun, Anna auf einem Küchenstuhl, der kleine Teufel vor ihr auf dem Tisch. Und Anna machte ihrem Ärger und ihrer Verzweiflung Luft.

      Mit der Zeit aber wurde sie müde vom vielen Reden. Deshalb hörte sie auf und sah den kleinen Teufel einfach nur an. Der grinste breit und sagte: »Du redest viel. Und du sagst wenig.«

      »Was soll das heißen?«, fragte Anna. »Du hast deine Probleme. Ich habe meine Probleme«, erwiderte der kleine Teufel, »Das eine ist dir wichtig. Das andere ist mir wichtig.«

      »Du bist wohl ein Philosoph?«, bemerkte Anna, »Aber du sprichst in Rätseln. Erklärst du mir mal, was du meinst?«

      Der kleine Teufel lächelte sie an: »Was du da erzählt hast, interessiert mich nicht. Das sind deine Probleme und nicht meine.«

      »Meine Probleme kommen aber durch dich«, rief Anna wütend, »Du hast sie mir aufgedrängt! Tauchst einfach hier auf, machst dich breit ...«

      »Das