Thomas Riedel

Der Fluch von Shieldaig Castle


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      Der Fluch von

      Shieldaig Castle

      Victorian – Romance

      Thomas Riedel

      Bibliografische Information durch

      die Deutsche Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

      http://dnb.de abrufbar

      1. Auflage

      Covergestaltung:

      © 2017 Kim Sofie Kampert

      Coverfoto:

      © 2017 @ viperagp, Depositphotos, ID 11622312

      Impressum Copyright: © 2017 Thomas Riedel Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de ISBN siehe letzte Seite des Buchblocks

      »Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast,

      wird es dir an nichts fehlen.«

      Marcus Tullius Cicero (106-43 v.Chr.)

      »Das Herz gehorcht keinem Gesetz

      außer seinem eigenen;

      es entkommt der Knechtschaft;

      nur freiwillig gibt es sich her.«

      Jean-Jacques Rousseau

      (1712-1778)

      Kapitel 1

      »Löschen Sie bitte die Lampen, George, ich möchte dem Gewitter zuschauen.«

      Lady Scarlett Cunningham erhob sich bei diesen Worten vom frühviktorianischen Sofa und trat zur Terrassentür. Ihre schmale, schlanke Hand schob behutsam den Wolkenstore zurück.

      »Grandios«, murmelte sie verhalten.

      Ein Blitz zuckte vom Himmel herab. Gleich darauf barst ein krachender Donner.

      Lady Scarlett, zierlich von Gestalt, schwarzhaarig, zweiundvierzig Jahre alt, starrte in die entfesselte Natur.

      »Können Sie sich auch nur im entferntesten an ein ähnliches Gewitter erinnern, George?«, fragte sie kaum vernehmbar.

      George, Diener und Vertrauter zugleich, denn er hatte die Geburt von Scarlett Cunningham schon einst miterlebt, trat hinter seine Herrin.

      »Sie sollten besser vom Fenster zurücktreten, Mylady«, erwiderte er leise und ruhig, ganz wie es seine Art war.

      »Ich kann nie genug bekommen von dem Anblick einer entfesselten Natur«, gab sie ihm zur Antwort.

      »Die meisten Menschen fürchten ein Gewitter, Mylady. Aus gutem Grund, wie ich mir hinzuzufügen erlaube.«

      »Ach, George! Ich konnte das noch nie verstehen.« Sie lächelte verträumt und rezitierte ein Gedicht, ohne ihren Blick abzuwenden. »Im Zickzack zuckt der Blitz hernieder, der Donner kracht und dröhnt und grollt, blinkt lächelnd drauf die Sonne wieder, scheint uns die Erde doppelt hold.« Sie schob den Wolkenstore noch ein wenig weiter zur Seite, um besser sehen zu können. »Ich liebe es, wenn uns der Himmel zeigt, wie klein wir Menschen doch wirklich sind.«

      Als müsste der Himmel die Bestätigung bringen, blitzte es erneut, und der Donner folgte im gleichen Augenblick. Das heftige Gewitter stand genau über dem alten ›Shieldaig Castle‹, dass vor Jahrhunderten am Steilhang zum ›Loch Torridon‹ erbaut worden war.

      Von der Terrasse aus hatte man einen weiten Blick in den riesigen Garten, der die Burg auf drei Seiten umschloss.

      Wo sonst erholsame Stille herrschte, wütete jetzt die Naturgewalt.

      Die kleinen Büsche, ja selbst die mittelgroßen Bäume bogen sich vor dem Sturm, der peitschenden Regen mit sich führte.

      Irgendwo im ›Castle‹ zerbarst eine Fensterscheibe. Es klirrte, aber es war nur ein winziger Laut im Vergleich zu dem Sturm, der das alte Gemäuer umheulte.

      Wahre Sturzbäche flossen die Gartenwege entlang, dessen Boden die Menge an Wasser nicht aufnehmen konnte.

      »Einfach grandios«, wiederholte Lady Scarlett aus ihren Gedanken heraus.

      Der alte George, mit schlohweißem Haar, ausgeprägtem Backenbart und leicht gebeugtem Rücken, antwortete nicht. Er schaute ebenfalls in den Garten hinaus und bedauerte den Gärtner, der nach diesem Unwetter alle Hände voll zu tun haben würde.

      ›Shieldaig Castle‹ war ein riesiger Bau. Die Burg stand auf einer Anhöhe und gab dem kleinen Dorf im Westen Schottlands einen ganz besonderen Reiz. Sie schien die Ansiedlung zu beschützen, denn so weit das Auge reichte, gehörten die riesigen Wälder und Ländereien zu der Burg, der keine kriegerische Auseinandersetzung bisher etwas anhaben konnte. Unzählige Male war sie umgebaut, restauriert und erweitert worden – und doch hatte sie sich etwas Romantisches bewahrt.

      Alle glaubten, dass Lady Scarlett der letzte Spross der Familie Cunningham war. Noch immer war sie unverheiratet, und wenn sie sich Elizabeth I. zum Vorbild nahm, würde der Name mit ihr aussterben, aber die Burg – sie würde noch viele Generationen überdauern.

      »Holen Sie mir bitte meinen Mantel und vergessen Sie mir Pelerine und Hut nicht, George«, sagte sie plötzlich aus einer Laune heraus.

      »Aber, Mylady! … Sie wollen doch nicht etwa …«, begehrte er auf, kam aber nicht weiter, denn sie unterbrach ihn.

      »Aber natürlich will ich hinaus, George«, lachte sie fröhlich. »So ein Schauspiel bekommt man nicht alle Tage geboten. Man sollte wirklich nicht nur zuschauen, so etwas muss man erleben.«

      Kopfschüttelnd ging George die gewünschten Sachen holen. Nur zögernd half er ihr hinein. Er wagte keinen Einwand mehr, öffnete ihr aber nur widerstrebend die Terrassentür.

      Während er im schützenden Gesellschaftszimmer stehen blieb, trat Lady Scarlett unerschrocken in das Unwetter hinaus.

      Die Blitze und mahlenden Donnerschläge schienen sie nicht im Geringsten zu stören. Sie zog sich den Wachshut tief ins Gesicht. Langsam schritt sie den Gartenweg entlang. Einmal hob sie sogar ihr Gesicht und schaute in die drohenden Wolken, die über ›Shieldaig Castle‹ lagen.

      »Manchmal hat sie recht eigenartige Angewohnheiten«, murmelte George vor sich hin. »Es gefällt mir einfach nicht, was sie da tut«, fügte er noch hinzu, während er mit unbewegtem Gesicht ihren Weg verfolgte. »Sie wird sich dabei noch einmal eine Lungenentzündung und den Tod holen.«

      Es blitzte erneut und der Donner folgte augenblicklich. Ein rötlich-gelblicher Schein lag über der Festungsanlage. Ein Geruch von Schwefel lag in der Luft. Plötzlich war sie seinen Blicken entschwunden.

      Erschrocken riss George die Terrassentür auf. Suchend spähte er hinaus – und dann sah er sie auf dem Boden liegen.

      Er achtete nicht mehr auf das Wetter, ja, nicht einmal den Donner hörte er noch. Ohne sich etwas überzuziehen eilte er, so schnell es seine alten Beine erlaubten, hinaus. Er spürte nicht einmal den stürmischen Regen, der ihm ins Gesicht schlug und sofort bis auf die Haut durchnässte. Alles was er sah war die zarte Gestalt seiner Herrin, die von einem Blitz getroffen vor ihm am Boden lag.

      Er zögerte kurz, ehe er es wagte, sie zu berühren. Dann bückte er sich mit Tränen in den Augen über sie, die junge Frau, die er so tief verehrt hatte. Er begriff sofort, dass es für sie keine Rettung mehr gab. Gott hatte sie auf seine Art zu sich genommen.

      Aber George kniete nicht nieder und er betete auch nicht. Ganz im Gegenteil, er ballte seine Rechte zur Faust und reckte sie drohend gen Himmel.

      »Hast du mit deinem Fluch noch immer nicht genug?! Wird das ewig so weitergehen? Willst du ›Shieldaig Castle‹ auch noch vernichten?!«

      George sprach nicht mit dem Allmächtigen. Seine ganze Verzweiflung richtete sich an Lady Scarletts Großvater, der vor ewiger Zeit einen Fluch ausgesprochen hatte – damals, ehe er starb – und es war,