Samantha Prentiss

Tödliche Küsse


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Geschäftsmann vorstellt. Einer, der ständig von Kontinent zu Kontinent jagte, den Jetlag spielend verdaute, von Konferenz zu Konferenz und von Cocktailparty zu Cocktailparty eilte, um zwischendurch mit einem Minimum an Schlaf auszukommen.

      Clairé konnte weder behaupten, dass Sappington ihr unsympathisch war, noch, dass er ein unangenehmes Äußeres hatte.

      Irgendwie war er ein typischer Amerikaner – schlank, hochgewachsen, schmales, energisches Gesicht und kurzes Blondhaar, das ständig leicht zerzaust wirkte. Er trug maßgeschneiderte Anzüge und hatte dabei eine Vorliebe für dezente Grüntöne entwickelt. Nur bei offiziellen Empfängen pflegte er sich in das obligate Schwarz oder Dunkelblau zu hüllen.

      Trotzdem sollte es in all dieser Makellosigkeit einen oder mehrere dunkle Flecken geben – nach Informationen, deren Quelle als ziemlich verlässlich galt.

      Ob es Flecken auf Sappingtons mattgrüner Weste waren, musste sich erst noch herausstellen.

      Das war Clairés Job.

      Wardell Sappington hielt die betörende Frau indessen für nichts anderes als jenes sündhaft teure Traumwesen, das unter einer geheimen Londoner Rufnummer ausschließlich exquisitesten Kreisen zur Verfügung stand. Und letzteres wiederum nur unter gewissen Voraussetzungen. Clairé konnte es sich leisten, die Männer, mit denen sie sich einließ, sorgfältig auszuwählen. Denn in ihrem Job als Callgirl gehörte sie der Superklasse an und verdiente Unsummen – abgesehen von den Einnahmen, die ihr die zeitweiligen Nebenjobs vom ›MI5‹ einbrachten.

      Die Männer, die auf sie geflogen waren wie die berühmten Motten ins Licht, hatten von Clairés wahrer Aufgabe immer erst dann erfahren, wenn es zu spät gewesen war. Zu spät, um sich aus den Netzen zu befreien, die Clairé mit überragender Intelligenz und den unübertrefflichen Waffen einer Frau zu legen verstand.

      Sappington blickte kopfschüttelnd auf seinen fast hilflosen König, der mit der Dame und einem Turm ziemlich allein auf weiter Flur stand - konfrontiert mit Clairés Streitmacht, die aus Dame und König, zwei Türmen, einem Springer, zwei Läufern und vier Bauern bestand. Seufzend zog Sappington den König noch einmal aus der Gefahrenzone und griff zur Zigarettenschachtel.

      »Warnung!«, sagte Clairé lächelnd. »Die oberste Medizinalbehörde hat festgestellt, dass Rauchen schädlich für Ihre Gesundheit ist.«

      »Und in Ihrem Milieu qualmt trotzdem jede wie ein Schlot«, entgegnete er grinsend. »Allerdings muss ich gestehen, dass bei uns in den Staaten so ein Schwachsinn auch auf jede Schachtel gedruckt wird. Unsere Bürger sind anscheinend nicht mündig genug, um selbst zu entscheiden, ob ...«

      »Schach!«, sagte Clairé und schloss die Lücke in der Belagerung des gegnerischen Königs mit einem Diagonalzug der Dame über drei Felder.

      Sappington verschluckte sich und hustete eine Rauchwolke aus. »Nein!« flüsterte er, obwohl er das unaufhaltsame Verhängnis schon vor der Zwischenlandung in ›Shannon‹ auf sich zukommen gesehen hatte.

      »Doch«, erwiderte Clairé sanft, »schachmatt, mein Lieber.«

      Sappington ließ sich zurücksinken und griff nach seinem Drink, einem irischen Whisky mit schottischem Gebirgswasser und zwei Eiswürfeln aus einem englischen Kühlschrank. »Ich werde das nie begreifen«, stöhnte der Generalbevollmächtigte der ›Launchnetics‹.

      »Noch haben wir Zeit für einige Revanchen«, sagte Clairé. »Vielleicht steigen Sie in New York als strahlender Sieger aus dem Flieger, Wardell.«

      »Wenn ich boshaft wäre, würde ich Ihren Vorschlag als weibliche Tücke bezeichnen. Sie lullen mich ein, machen mir falsche Hoffnungen … nur, um mich hinterher umso gnadenloser zu zerschmettern. Nein, ich halte Sie für unbezwingbar, Clairé.«

      »Nur im Schachspiel, mein Lieber.«

      Er grinste jungenhaft. »Soll das jetzt ein neuer Vorschlag sein?«

      »Die Initiative liegt in diesem Fall bei Ihnen.«

      »Mhm …«

      Clairé nippte an ihrem ›Highball‹ und blickte den Mann über den Rand des Glases hinweg an. Die unergründliche Tiefe ihrer Kohleaugen verfehlte ihre Wirkung nicht.

      Sappington machte den Eindruck, dass der Tisch mit dem Schachbrett plötzlich mehr als ein lästiges Hindernis war. Er stellte seinen irisch-schottisch Drink zurück auf das Tablett und drückte einen verborgenen Knopf in der Seitenlehne der Polstersitzbank.

      Dezenter Bigband-Swing tönte als satter Background aus ebenfalls verborgenen Stereoboxen und überlagerte das Summen der beiden Triebwerke.

      Clairé enthob ihn der Mühe, das Hindernis zu beseitigen. Sie stand auf und ging mit den elastischen Bewegungen einer trägen Raubkatze auf das Bullauge an der gegenüberliegenden Kabinenseite zu. »Schade«, sagte sie enttäuscht, während sie hinausblickte, »ich hätte Irland gern gesehen. Es ist ja immer wieder ein herrlicher Anblick sein.«

      »Es gibt Schöneres«, konstatierte Sappington und folgte ihr mit der Entschlussfreudigkeit, die seinen beruflichen Erfolg maßgeblich bestimmt hatte. Zärtlich legte er seinen Arm um Clairés schlanke Taille.

      Sie richtete sich auf, lehnte sich zurück und schmiegte sich an ihn. »Es gibt eine Legende, die ich für pure Erfindung halte«, flüsterte sie, während sie sich ihm langsam zuwandte.

      »Welche Legende?«, fragte er ebenso leise, legte den anderen Arm um ihre Schulter und presste sie an sich.

      »Die von den prüden Amerikanern«, konnte Clairé gerade noch antworten, ehe er alle Zurückhaltung vergaß, sie ungestüm küsste und tiefgründig ansah. »Was schauen Sie mich so an?«

      »Sie sehen fantastisch aus!«, antwortete er, jetzt ein wenig verlegen, wobei er vielsagend vor sich hinschmunzelte.

      »Sie sehen aus, als ließen Sie gerade Ihrer Fantasie freien Lauf«, lächelte Clairé. »Mich würde interessieren, was Ihnen momentan so durch den Kopf geht.«

      »Das Wetter in New York …«, grinste Sappington. »Nein, Sie haben recht. Welcher Mann würde in dieser Situation nicht seiner Fantasie freien lauf lassen. Aber was mir durch den Kopf geht behalte ich für mich.« Er ließ sie los und ging auf die rückwärtige Kabinentür des Flugzeuges zu, hinter der sich das Schlafzimmer befand.

      Clairé folgte ihm langsam, blickte sich in dem schick eingerichteten Raum um und machte zwei Schritte auf das Bett zu.

      »Darf ich?«, fragte sie leise.

      »Aber gern!«, antwortete er, woraufhin sie sich neben ihn setzte.

      »Bitte Jack, erzählen Sie mir ihre Gedanken von eben.«

      Er schaute sie an, versank in ihren Augen und lehnte dennoch ab.

      Jetzt gilt es, sagte sich Clairé, rutschte etwas näher an ihn heran und meinte: »Na, dann zeigen sie es mir eben!«

      »Wir sind hier leider an keinem traumhaften Strand, auf einer einsamen Insel«, sagte Sappington.

      »Dann stellen wir uns das eben vor!«, gab Clairé lächelnd zurück.

      »Ich hab' mir Sie mit Blumen in den Haaren, Bikini und so einem Tuch als Rock vorgestellt … halt wie so eine Polynesierin«, begann er, während er ihr sanft über ihre Hand strich.

      »Und weiter!« Sie strich mit beiden Händen über seine Brust, bevor sie seine Krawatte löste, abnahm und ihm das Hemd aufknöpfte.

      Das trieb bei Sappington augenblicklich den Puls und Blutdruck in die Höhe, wobei ein wohltuendes, kribbelndes Gefühl durch seinen Körper ging. Ihre zarten, weichen Hände auf seiner Brust zu spüren, war für ihn traumhaft. Einen Moment genoss er es nur, dann zog er ihr die Bluse aus. Ihren gebräunten, makellosen Oberkörper mit dem verspielten weißen Spitzen-BH vor sich zu sehen, erregte ihn. Hinzu kam Clairés Blick – der einer Frau, die ihn fesseln, verführen oder erweichen wollte. Ihre kohleschwarzen Augen wirkten so warm, liebevoll und voller Vertrauen. Keine Sekunde ließ er sie aus den Augen. Vorsichtig begannen