es getötet.« Sie sagte es einfach so.
»Er ist also ein Vampir.«
Rodica senkte schluchzend den Kopf. Jetzt war es raus. Sie wollte mit den Lügen aufhören. Wenn sie sie verjagten, so sei es. Aber sie konnte Maksim nicht mehr verleugnen. »Ja. Wir haben uns geliebt. Wir lieben uns«, verbesserte sie sich und wischte die Tränen weg. »Als ich feststellte, dass ich guter Hoffnung war, habe ich es ihm nicht gesagt. Unser Kind würde nach den Gesetzen der Vampire getötet werden. Es … es würde ihn auch vieles kosten, falls das Kind dort geboren werden würde. Also bin ich geflohen.«
»Wohin wolltest du gehen?«
»Zum Haus der Ewigen. Aber als ich ankam, waren dort nur noch Ruinen. Ich habe mich dann auf den Weg zum nächsten Weiler gemacht. Und Khatuna und Olwenus getroffen.«
»Was hast du Khatuna und Olwenus über deinen Zustand gesagt?«
»Bis auf die Tatsache, dass der Vater meines Kindes ein Vampir ist, die Wahrheit. Ich habe gesagt, dass der Vater ein Soldat aus Insan war.«
»Eine Erklärung so gut wie jede andere.« Er räusperte sich. »Wenn du möchtest, Rodica, dann bleib bei uns. Helfende Hände sind immer willkommen. Du verstehst dich auf Feldarbeit?«
Überrascht hob sie den Kopf und konnte ihr Glück im ersten Augenblick nicht fassen. »Ja, natürlich! Ich danke dir! Aber … es macht dir nichts aus, dass mein Kind ein Ewiger ist?« Sie musste an das denken, was Olwenus bei den Ruinen gesagt hatte.
»Nein. Ewige sind für mich wie Menschen. Sicher, sie erben die Unsterblichkeit ihres vampirischen Elternteils und ihr Blut tötet Vampire, aber das sind auch schon die einzigen Merkmale, die sie von den Menschen unterscheiden. Es gibt allerdings Menschen hier, die Ewige verachten oder Angst vor ihnen haben, einfach weil sie von Vampiren abstammen. Sie könnten fordern, dass wir dich verjagen. Ich glaube, wir sollten daher dabeibleiben, dass der Vater des Kindes ein Soldat war. Der verstorben ist.«
Rodica sah ihn wortlos an. Dann erhob sie sich schwerfällig, ging zu ihm und legte ihm die Arme um den Hals. »Ich danke dir«, flüsterte sie und küsste ihn auf die Wange.
»Du machst einen alten Mann ganz verlegen!«, protestierte er und tätschelte ihr unbeholfen den Rücken. »Komm, es gibt da eine Hütte, die leersteht. Der alte Sabas ist letzten Mond gestorben. Du kannst die Hütte haben.«
Kapitel 29
Taran wurde am Nachmittag eines warmen spätsommerlichen Tages geboren. Lindita, Kräuterweib, Heilerin und Geburtshelferin in einer Person, sagte, dass es eine schöne und einfache Geburt gewesen war.
Rodica benannte ihr kleines Mädchen in Erinnerung an Emese. Die hatte sich immer eine Tochter namens Taran gewünscht, aber nach Vazha kein weiteres Kind mehr bekommen. So verwendete Rodica den Namen für ihr Kind.
Sie konnte sich an dem kleinen Bündel Mensch, das sie in einem Tragetuch überallhin mitnahm, nicht sattsehen. Taran erschien ihr perfekt. Die großen blauen Augen. Der Schopf dunklen Haars. Die winzigen Hände und Füße. All der Schmerz und die Mühen ihrer Flucht hatten sich gelohnt. Der Gedanke, jemand könne ihr dieses Kind wegnehmen und töten, jagte ihr Schauer des Entsetzens über den Rücken. Wäre sie auf D’Aryun geblieben, hätte sie das niemals zugelassen. Sie hätten sie ebenfalls töten müssen.
Es schmerzte, dass Maksim nicht bei ihnen sein konnte. Rodica erzählte dem Kind, wenn es an ihrer Brust lag, leise ihre und Maksims Geschichte. Natürlich würde Taran sich nicht daran erinnern, aber später einmal würde sie ihr alles erklären.
Schon wenige Tage nach der Geburt war sie wieder auf den Beinen und half, die kleinen Felder, die am Rand der Grasländer im Schutz einiger Hügel lagen, für die Wintergerste vorzubereiten. Sie jäteten Unkraut, was sie an ihre letzte Nacht in der Festung denken ließ. Da war Taran noch in ihrem Bauch gewesen. Und jetzt trug sie sie in einem Tuch auf dem Rücken.
Als sie zur Mittagszeit eine Pause einlegten, entfernte sie sich von den anderen, um ihrer Tochter in Ruhe die Brust zu geben. Sie kletterte einen Hügel hinauf und setzte sich auf einen Stein. Von hier konnte sie über die Wipfel der Urwälder nach Osten blicken, wo die schneebedeckten Gipfel des Qanicengebirges am Horizont zu sehen waren.
Sie öffnete ihren Arbeitskittel und legte Taran an. Dabei streiften ihre Finger Maksims Kette.
Rodica lächelte wehmütig und küsste Taran zärtlich auf den Kopf, die Augen unverwandt auf die Silhouette der Berge am Horizont gerichtet. »Irgendwann kehren wir zu Maksim zurück, das verspreche ich dir«, flüsterte sie. Eine Träne fiel auf den flaumigen Schopf ihres Kindes. »Eines Tages gehen wir nach Hause zurück.«
Kapitel 1
»Sie ist schön«, sagte Gregorius ohne Begeisterung. Er musterte die Kette, deren silberne Glieder im Schein der Sonne glitzerten. Der Sommerwind ließ die fein gearbeiteten sichelförmigen Anhänger tanzen.
Missmutig nahm Taran ihm das Schmuckstück aus der Hand und legte es sich wieder um. Sein Mangel an Interesse kränkte sie. »Sie ist von meinem Vater. Er hat sie Mutter vor meiner Geburt geschenkt. Mutter sagt, er hätte gewollt, dass ich sie bekomme.«
»Entschuldige. Sie ist wirklich schön gearbeitet.« Er wirkte aufrichtig zerknirscht und deutete auf die Schilfmatten, die ordentlich gestapelt neben ihnen lagen. »Es ist nur, dass Aldo uns angewiesen hat, die Matten bis heute Abend fertig zu haben. Bei der Hitze wird das kein Spaß. Wir müssen uns ranhalten.«
Sie saßen am Ufer des Baches, dort, wo der Wald in die Grasländer überging, mit dem Hügel, auf dem die Siedlung im Schutz uralter Eichen und hoher Felsen lag, im Rücken. Die endlose Abfolge von Steppen und Hügeln vor ihnen verschwamm im bläulichen Dunst der Ferne, durchbrochen von Mooren, Seen und mäandernden Flüssen. Meile um Meile gab es nichts als im scharfen Wind wogende Gräser, Schilf und Sträucher, die gerade einmal kniehoch wuchsen. Im Frühjahr präsentierten sich die Grasländer in schillernden Grün- und Blautönen, doch jetzt, im späten Sommer, lagen sie ausgedörrt und braun da.
Taran seufzte. Mit der Reparatur der Schilfmatten für die Hütten hinkten sie tatsächlich hinterher. Seit Sonnenaufgang waren sie hier und sie hatte es bisher erfolgreich geschafft, Gregorius von der Arbeit abzulenken. Sie lachten miteinander und beobachteten die Viehhirten, die unterhalb der Stelle, an der sie sich niedergelassen hatten, die schweren Pferde, Ziegen und Schafe der Siedlung hüteten.
Gut, das Zuschneiden der frischen Halme hatten sie auf sein Drängen hin schon erledigt. Es war typisch Gregorius. Alles, was nicht mit der Arbeit zusammenhing, interessierte ihn kaum, sei es ihre Kette, die Geschichten, die der fliegende Händler von den Städten erzählte, oder die Flöte, die sein Bruder geschnitzt und ihm stolz gezeigt hatte. Doch sobald es um die Bestellung der Felder, das Flicken der Matten oder die erwartete Anzahl der Lämmer und Zicklein im Frühjahr ging, konnte er sich vor Eifer nicht halten.
Das Flicken der Matten. Sie hatten sich aus freien Stücken für diese mühselige Tätigkeit gemeldet, konnten sie dabei doch unter sich sein, wenn man einmal von den Viehhirten absah. Alle anderen ernteten die Felder jenseits des Hügels ab. Wegen der Wajarenüberfälle entfernten sich die Siedler nur zu mehreren von den Hütten. Eltern achteten darauf, dass sich ihre Kinder nicht heimlich davonstahlen. Natürlich zählten sie und Gregorius mit ihren neunzehn Jahren nicht zu den Kindern. Trotzdem war ihr von ihrer Mutter, Rodica, klar gemacht worden, dass sie sich am späten Nachmittag, lange bevor die Sonne unterging, in der Siedlung einzufinden hätte. Gregorius hatte von Aki, seinem Vater, eine ähnliche Anweisung bekommen. Wenn sie bis dahin fertig sein wollten, mussten sie sich wirklich beeilen. Sie drückte seine Hand, spürte die Schwielen, die die harte Arbeit hinterlassen hatte. »Du hast recht. Lass uns beginnen.«
Gregorius grinste, was seinen Zügen einen schelmischen Ausdruck gab, und küsste sie rasch auf die Wange. »Ich habe immer recht.« Er nahm einen der Schilfhalme und flocht ihn geschickt in eine Matte ein. »Hat Rodica dir mehr über deinen Vater erzählt, als sie dir die Kette schenkte?«
»Nein.«