auf mich zu käme. Bisher war ich nie in einer Naturheilpraxis. Andererseits konnte es nicht schaden, etwas Neues auszuprobieren. Zu einem Arzt könnte ich immer noch gehen, falls mir die Behandlung keinen Erfolg brächte.
»Na ja, ich war noch nie bei einem Heilpraktiker, aber ich würde es ausprobieren. Kannst du mir einen Termin bei der Heilpraktikerin machen?«
»Klar, ich rufe gleich morgen früh bei ihr an.«
»Okay. Danke! Ich hoffe, es dauert nicht so lange, bis ich hingehen kann.«
»Nein, das wird schnell gehen.«
3. Kapitel
Nach einer Woche Warten war es endlich so weit. In einer Stunde hatte ich den Termin bei der Heilpraktikerin. In den letzten Tagen ging es mir unverändert. Es war zwar nicht so schlimm, wie die beiden Erlebnisse im Café und in dem Laden. Dennoch war ich besorgt über die anhaltenden Beschwerden.
Ich war fürchterlich aufgeregt, weil ich weder wusste, was in der Praxis mit mir passierte, noch ob die Heilpraktikerin überhaupt irgendetwas finden würde. Es fiel mir schwer, daran zu glauben, sie könnte mir helfen. Vielleicht, weil ich meine Zweifel an alternativen Heilmethoden hatte. Zumindest bei ernsthaften Krankheiten. Den Einsatz von Kräutern bei kleineren Wehwehchen hielt ich schon für sinnvoll. Dennoch schöpfte ich einen Funken Hoffnung, endlich zu erfahren, was mit mir los war.
Max begleitete mich. Er bestand darauf, mich hinzufahren. Er wusste schließlich, wo die Praxis lag und kannte die Heilpraktikerin bereits. Wahrscheinlich hätte ich mich nicht getraut, selbst Auto zu fahren. Wenn diese Schwärze beim Autofahren wieder aufgetreten wäre, hätte so viel passieren können. Das Risiko wollte ich keinesfalls eingehen.
Wir mussten ein ganzes Stück zu Fuß vom Parkplatz bis zur Heilpraktikerin gehen. Die Praxis lag in einer Kleinstadt, zwanzig Kilometer von unserem Wohnort entfernt, in der Fußgängerzone, in einem älteren Gebäude, im zweiten Stock. Das Haus machte einen gepflegten Eindruck.
Sowohl der Empfang als auch das Wartezimmer waren leer. Ich war mir nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Meine Gedanken kreisten um die Frage, ob die Heilpraktikerin so unseriös war, dass niemand zu ihr kam oder sie sich nur ausgezeichnet organisieren konnte. Vielleicht vergab sie die Termine nicht so straff hintereinander, wie es in anderen Praxen üblich ist.
Wir setzten uns in das leere Wartezimmer und hofften, bald würde jemand den Empfang besetzen. Es dauerte keine fünf Minuten, da kam eine Frau Mitte dreißig auf uns zu. Sie machte einen netten Eindruck und stellte sich als Frau Hof, die Heilpraktikerin, vor. Anschließend führte sie uns in ein Behandlungszimmer und bat uns Platz zu nehmen.
»Wie kann ich Ihnen weiter helfen? Ihr Mann schilderte mir am Telefon, Ihnen wäre mehrfach schwindelig gewesen?«, fragte sie.
Ich erzählte ihr ausführlich, was in den letzten Tagen passiert war, auch von meinem Verdacht mit den Magnesiumtabletten. Diese Möglichkeit hatte ich für mich schon ausgeschlossen. Wenn es am Magnesium gelegen hätte, müsste ich längst eine Verbesserung gespürt haben, nachdem ich die Tabletten absetzte. Aber ich konnte keinerlei Veränderungen feststellen.
Die Heilpraktikerin hörte mir aufmerksam zu und sagte: »Dann werden wir uns das jetzt anschauen. Haben Sie schon mal etwas von der Dunkelfelddiagnostik gehört?«
»Nein, was ist das?«
Natürlich hörte ich den Begriff zum ersten Mal. Ich war zuvor noch nie bei einem Heilpraktiker. Wozu auch? Ich war nie ernsthaft krank gewesen. Hier und da hatte ich eine kleine Erkältung, aber eben nichts, wofür es sich gelohnt hätte, Dauergast beim Arzt zu sein.
»Ich nehme Ihnen einen Tropfen Blut ab. Dazu steche ich in einen Ihrer Finger. Dann schauen wir uns Ihr Blut unter dem Mikroskop an. Vielleicht finden wir dabei schon einen Anhaltspunkt.«
»Okay.«
Das hörte sich nicht so schlimm an. Einen Tropfen Blut aus dem Finger zu entnehmen, war besser, als eine Blutabnahme bei einem Arzt. Es war zwar eine Weile her, als mir das letzte Mal Blut abgenommen wurde, dennoch hatte ich das in keiner guten Erinnerung. Der Einstich war nicht so tragisch. Ich konnte nur schon seit meiner frühesten Kindheit kein Blut sehen. Deshalb musste ich immer wegschauen, wenn mir Blut abgezapft wurde. Sobald ich die rote Flüssigkeit sah, wurde mir sofort schlecht und ich kippte oft aus den Latschen. Besonders furchtbar war es, wenn ich sah, wie das Blut aus mir raus gesaugt wurde und sich das Röhrchen langsam füllte.
Frau Hof stach mir mit einer kleinen Nadel in den Mittelfinger der linken Hand und drückte ihn so lange zusammen, bis ein Tropfen Blut raus kam. Sicherheitshalber schaute ich dabei weg und konnte nur spüren, was sie tat. Auch wenn es nur ein Tröpfchen war, wollte ich jetzt auf keinen Fall umkippen. Anschließend legte sie mir eine Objektträger-Glasplatte auf den Finger, um das Blut darauf zu bekommen. Sie verstaute die blutverschmierte Platte unter dem Mikroskop, das auf ihrem Schreibtisch stand. Das Gerät war an einem Computer angeschlossen, sodass wir auf dem Monitor alles sehen konnten. Frau Hof schaute einige Sekunden auf das Bild und fing dann an, uns zu erklären, was sie sah: »Sehen Sie diese vielen kleinen Kreise, die übereinander liegen? Das nennt sich Geldrollenbildung.«
Ich nickte nur. Von Max kam keine Reaktion. Er schaute gebannt auf den Monitor.
Sie erklärte uns ein paar andere komische Gebilde, die sie sah. Ich sollte noch Parasiten im Blut und zu wenig rote Blutkörperchen haben. Ich war erschüttert darüber, was sie alles in meinem Blut zu finden glaubte. Leider verstand ich nur die Hälfte und wusste nicht, wie ich ihre Diagnose einschätzen sollte. Für mich war nur wichtig, dass sie überhaupt irgendetwas fand und dagegen vorgehen konnte. Sie verschrieb mir ein paar homöopathische Tropfen und einige Pillen und erklärte mir, es könnte etliche Monate dauern, bis sich mein Blutbild verbessern würde. Ich war geschockt bei dem Gedanken diesen miserablen Zustand noch länger auszuhalten und hoffte auf eine frühzeitige Verbesserung meines Gesundheitszustandes. Denn ich wollte nicht monatelang warten, bis ich mein altes Leben zurückbekam. Wie sollte ich es auch aushalten?
Danach begutachtete Frau Hof meinen Rücken und meinte, er wäre total verbogen. Sie fragte mich, was ich davon halten würde, eine Dorntherapie zu machen. Daraufhin schaute ich sie Antwort suchend an. Unter dem Begriff konnte ich mir einfach nichts vorstellen.
Die Heilpraktikerin erkannte meinen fragenden Blick und erklärte mir, was es mit der Behandlung auf sich hat. Diese Therapie soll die Wirbelsäule auf schonende Weise einrenken. Dafür hätte sie jemanden, der ein paar Mal in der Woche in ihre Praxis käme. Ich stimmte natürlich zu. Es konnte schließlich nicht schaden, sich jedem noch so kleinen körperlichen Problem anzunehmen.
Zum Schluss riet sie mir, mich noch für eine Dreiviertelstunde auf eine Magnetfeldmatte zu legen, die meine Geldrollenbildung für kurze Zeit auflösen würde. Ich wusste nicht so recht, was ich von der ganzen Sache halten sollte, ließ mich aber darauf ein.
Nach der Behandlung auf der Matte verspürte ich zwar keine Verbesserung, dennoch machte ich einen neuen Termin für die kommende Woche. Dann würde die erste Dorntherapie stattfinden. Bei der Gelegenheit sollte ich eine weitere Magnetfeldbehandlung bekommen.
Auf dem Rückweg hielten wir an einer Apotheke an und kauften die homöopathischen Medikamente, die nicht ganz billig waren. Natürlich begann ich noch am selben Tag, die Tropfen und Pillen einzunehmen. Schließlich wollte ich, schnellstmöglich gesund werden. Zugegeben, ich hatte schon ein paar Bedenken, ob mir diese homöopathischen Mittel helfen würden, mich wieder besser zu fühlen. Aber ich versuchte, zuversichtlich an die Sache heranzugehen.
In den nächsten Tagen nahm ich penibel die Tropfen und Pillen ein, so wie es mir von der Heilpraktikerin erklärt und sicherheitshalber noch aufgeschrieben wurde. Das war nicht so einfach. Einige der Mittelchen sollte ich vor jedem Essen nehmen, andere wieder nur ein oder zwei Mal am Tag nach einer Mahlzeit. Es dauerte Tage, bis ich den Bogen raus hatte, wann ich welche Medikamente einnehmen musste.
Bis zum nächsten Termin verließ ich kaum das Haus, aus Angst, ich könnte unterwegs umkippen. Stattdessen vertiefte ich mich in die Arbeit