zu fühlen, da ich verantwortlich war, dass die Geschäfte ordentlich abgewickelt wurden. Doch nach und nach musste ich erkennen, dass ich auf verlorenem Posten kämpfte. Vollkommene Misswirtschaft entgegen der Regeln der Betriebswirtschaft und bar jeglichen gesunden Menschenverstandes kann man auch mit einer korrekten Buchhaltung nicht wettmachen. Es war also alles nur eine Frage der Zeit, bis sich hier etwas Grundlegendes ändern oder die Bombe platzen würde. An dieser Stelle sollte ich wohl erwähnen, dass ich durchaus alles dafür tat, meine persönliche Lage dem Firmenchaos anzupassen.
Johanna und Luca - bereit für die große Katastrophe
Mutter - Beobachterin
Da ist Luca, 31 Jahre alt. Er hat vor ein paar Monaten seine Freundin quasi vor dem Traualtar stehen lassen und plagt sich mit Schuldgefühlen. Gleichzeitig wird er von der Gier getrieben, Abenteuer zu erleben. Er will das Leben spüren, sich spüren, und kennt dabei keine Grenzen. Er trinkt viel, schläft kaum, arbeitet mit vollem Einsatz, lernt nachts und treibt dabei noch exzessiv Sport.
Und da ist meine Tochter Johanna, 46 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern. In geordneten Verhältnissen lebend, Familie, Haus, Karriere. Brav, lieb und nett. Es ist ihr noch nicht bewusst, aber für sie hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Sie wird aussteigen aus ihrem Leben. Neue unbekannte Wege gehen.
Diese zwei Menschen, so unterschiedlich ihre Lebenssituationen auch sein mögen, brauchen einander, um bestimmte Erfahrungen zu machen und voneinander zu lernen. Sie steuern zielgerichtet aufeinander zu. Der erste Schritt wurde schon getan, als Johanna die Stelle in der Firma annahm, in der auch Luca arbeitet. Es hat etwas gedauert, aber heute Abend ist es Zeit für den zweiten Schritt.
Eine klassische Situation, Firmenfeier und viel Alkohol. Sie sitzen noch an getrennten Tischen, aber im Laufe des Abends werden sie sich annähern, den ersten wirklichen Kontakt aufnehmen. Johanna kommt zu später Stunde an seinen Tisch. Es dauert nicht lange, da sitzt sie neben ihm und er legt seinen vom Alkohol bleischweren Arm um sie. Es macht ihr nichts aus, dass er sie mit seinem Gewicht schier zu erdrücken droht. Sie genießt seine Berührung und seine Aufmerksamkeit genauso, wie seine Unbekümmertheit, seine schönen Augen und seine Jugend.
Er ist fasziniert von seiner Wirkung auf diese reife Frau. Es eröffnet ihm die Möglichkeit, eine andere Welt kennenzulernen und das Alte, Bekannte, das er nicht mehr wollte, hinter sich zu lassen.
Luca - Kontrolle
Ich war wieder einmal betrunken. Wie so oft in den letzten Monaten. Amüsierte mich mit ein paar Kolleginnen und dabei trafen meine Augen auf die der Deutschen. Eine interessante Frau, Johanna. Sie war älter als ich und hatte etwas, das mich reizte. Sie war anders als die Mädchen, die ich kannte. Reifer, weiblicher, eine Frau mit Erfahrung. Und in ihrem Blick lag etwas, das Ja zu mir sagte. Eine unausgesprochene Übereinkunft, dass wir beide dieses Abenteuer wollten. Ich hielt mich nicht zurück, konnte mich allein schon wegen des Alkohols nicht kontrollieren, auch wenn ich gewollt hätte. Blicke, Berührungen, ein paar zugeflüsterte Worte. Sie provozierte mich, um sich dann gleich wieder zurückzuziehen. Ich sagte ihr, dass ich Liebe mit ihr machen wollte und sie lachte dazu.
Johanna - Faszination
Ich war vollkommen fasziniert davon, im Zentrum seiner Aufmerksamkeit zu stehen und keines klaren Gedankens mehr fähig. Etwas hatte von mir Besitz ergriffen, das mich mit aller Macht in diese Geschichte drängte, es gab kein Zurück mehr. Was auch immer hier auf mich zukam, ich wollte es erleben.
Dabei sollte ich gar nicht auf diesem Fest sein. Ich hatte bereits mitgeteilt, dass ich nicht kommen würde, weil wir, mein Mann und ich, zu diesem Termin eine Wochenendreise geplant hatten. Doch wie so oft hatte mein Mann kurzfristig abgesagt, weil er lieber einen Geschäftstermin wahrnehmen wollte. Es passte mir ganz gut, weil ich immer gerne nach Italien fuhr. Ich war dort eine andere als zu Hause. Die letzten Monate hatte ich einiges an Gewicht verloren und das viele Yoga straffte meinen Körper, dazu kamen die ganzen Umstände mit meinem neuen Job. Das alles gab mir ein neues Selbstbewusstsein.
An diesem Abend wurden durch ein paar Komplimente und tiefe Blicke in die blauesten Augen, die ich je gesehen hatte, etwas in mir ausgelöst, das mein ganzes Leben auf den Kopf stellte. Luca fragte in seiner Alkohollaune: „Wann darf ich dich lieben?“ Ich lachte nur, war geschmeichelt und verunsichert gleichermaßen. Doch wenn ich es mir heute recht überlege, wollte ich, dass er es ernst meint. Vor kurzem hörte ich einen Mann sagen: „Für eine jüngere Frau bin ich noch nicht alt genug.“ Konnte es sein, dass ich genau im richtigen Alter für einen jüngeren Mann war?
Wir waren uns vorher schon einige Male im Büro begegnet und hatten dabei ein paar Worte gewechselt, aber wirklich unterhalten hatten wir uns bei diesen Gelegenheiten nicht. Dabei war ich vom ersten Moment an fasziniert und zugleich irritiert von seinen unglaublichen Augen, was mich prompt in eine ziemlich peinliche Situation brachte. Ganz zu Anfang, als ich zur Einarbeitung in Italien war, wurden wir einander vorgestellt und ich fragte ihn, was er denn so mache und wollte natürlich wissen, was seine Aufgabe in der Firma sei. Er hat meine unglückliche Formulierung so ausgelegt, als ob ich ihn gefragt hätte, was er am Abend vorhätte. Er reagierte vollkommen gelassen und sagte: „Heute Abend habe ich leider keine Zeit, aber morgen könnten wir ja eine Pizza essen.“ Na ja, ich bin natürlich knallrot angelaufen, habe das Missverständnis aufgeklärt und bin leider nicht mit ihm essen gegangen. Es war eine lustige Geschichte. Andere lachen darüber und vergessen es im gleichen Augenblick. Mir hingegen prägen sich solche Begegnungen tief ins Gedächtnis ein. Ist mein Leben so langweilig und ereignislos, dass ich alles Nebensächliche so wichtig nehmen muss? Wie auch immer, in diesem Fall beschreibt die Szene noch viel mehr. Luca wollte spielen, ich machte für mich eine Riesensache daraus.
Es dauerte ein knappes Jahr, bis ich von der allgemein italienischen Frohnatur gelernt hatte, wie man Feste feiert und sich mein Körper an wenig Schlaf und viel Alkohol gewöhnt hatte. Und dann kam dieses besagte Firmenfest. Wir haben uns da nicht wirklich unterhalten und doch war ich ihm schon in dieser Nacht widerstandslos verfallen.
Luca - Jagdinstinkt
Ich hatte keine große Erinnerung an diese durchzechte Nacht. Doch meine Kollegen lieben es, nach solchen Festen über die Vorkommnisse zu tratschen und das alkoholisierte Benehmen des ein oder anderen in tausend Einzelteile zu zerlegen. So wurde an mich herangetragen, dass ich unsere deutsche Mitarbeiterin ziemlich angebaggert hatte. Zwei Wochen später traf ich sie bei einer offiziellen Firmenveranstaltung wieder. Ich war echt angetan: Was für eine heiße Frau. Sie trug ein enges Kleid und hochhackige Stiefel. Es war nicht nur der Alkohol, ich war scharf auf sie.
Johanna - Hitzeperiode
Nach der Party passierte zunächst gar nichts, doch nach dem „Tag der offenen Tür“ ging es richtig los. Wir hatten angefangen, uns zu schreiben. Nutzten dafür jede Form der modernen Kommunikation und waren nach kurzer Zeit praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit in Verbindung. Er schickte mir Links von Videos, die ihm gefielen. Wir mochten die gleiche Musik und sprachen über die Bücher, die wir lasen, über Kunst und Philosophie. Ich, die Facebook bis dahin nur von meinen Kindern kannte, entdeckte plötzlich die positiven Aspekte von Social Media und eröffnete einen Account, damit ich mir seine Bilder anschauen konnte. Es gab kein Thema, vor dem wir halt machten, und wir tauschten uns intensiv über Gott und die Welt aus. Irgendwann schlichen sich zweideutige Bemerkungen ein, aus Komplimenten wurden Absichtserklärungen. Wir wurden immer mutiger und die Erinnerung an die ungenierte Lust, mit der wir unsere erotischen Wünsche teilten, lässt mir immer noch die Schamröte ins Gesicht steigen. Aber ich erinnere mich auch an das Feuer, das in mir brannte, und die Kraft, die dahinter steckte. Habt ihr den Hauch einer Ahnung, was mit mir los war?
Nach etwa zwei Monaten kam uns ein „Ruf“ aus der Geschäftsleitung mehr als recht. Ich wurde gebeten, für mehrere Tage in die Hauptstelle zu kommen, um an einem Projekt mitzuarbeiten. Wir verabredeten uns in dem Hotel, in dem ich untergebracht war. Er kam auf mein Zimmer und wir verloren keine Zeit mit langen Begrüßungsformeln oder einem verlegenen „Wie geht es dir?“. Er sagte „Hallo“, küsste mich und begann mich auszuziehen.