Freundin Caroline, die zu sagen pflegte: Wenn man loslässt, kommt alles wie von selbst! Sollte dies wirklich so einfach sein?
Mir ging es gut, ich hatte keine Sehnsucht nach Peter, ich freute mich, alleine zu sein! Ich konnte tun, wozu ich Lust hatte… Keine Sexakrobatik, kein Stress, keine schlecht inszenierte Laune! Ein völlig neues Lebensgefühl. Natürlich wusste ich, dass auf ein gutes Gefühl auch wieder eine negative Welle folgen kann. Darüber wollte ich mir erst wieder Gedanken machen, wenn die Welle auftauchte!
So fuhr ich gemütlich mit meinem Auto bis an mein Ziel. Es war traumhaft, der Himmel blau, nicht eine einzige Wolke. Ich kam am Stadttor der Altstadt an, meldete mich an und durfte passieren. Der Vorteil dieses Hotels, die absolute Ruhe, war der Lage auf einer Halbinsel, geschuldet. Kein Autoverkehr! Lediglich die Hotelbewohner hatten eine Ausnahmegenehmigung und durften mit dem Auto zum Hotel fahren, das heißt, Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe! Ich checkte ein, die Herren an der Rezeption kannten mich gut. Sie fragten, erst einmal, wie es mir geht. »Gut! Nun da ich in Italien bin, umso besser! Sie haben ja Traumwetter, ich will mich einfach nur erholen und genießen! «
»Wie geht es Ihrem Mann? «
»Also ehrlich gesagt, ist mir das egal, denn ich habe mich gerade getrennt und wollte mein neues Leben in Italien ausprobieren! «
»Oh, Verzeihung! «
»Kein Problem! Das konnten Sie nicht wissen! «
»Signora Schönfeld, wir haben leider kein Zimmer mehr zur Seeseite, es ist auch leider ein kleineres als sonst!«
»Kein Problem! Hauptsache, ich habe ein Zimmer bei Ihnen, ich freue mich, dass ich Glück hatte, überhaupt noch etwas zu bekommen! «
Ja! Das war meine heutige Einstellung: sich freuen! Nicht miesepetrig dreinzuschauen. Ich ging zum Zimmer, es stimmte, es war recht klein, aber es war sehr hübsch eingerichtet. Vor allen Dingen, ich war alleine und konnte tun und lassen, was ich wollte. Erst einmal schaltete ich den Fernseher ein. Wie ich diese Sprache liebte, ich nahm mir vor, endlich anzufangen italienisch zu lernen. Diese Sprache war ein solcher Genuss, wie Musik in den Ohren.
Ich rief Wibke an. Sie hörte sich sehr nervös an.
»Hallo, Wibke, ich bin gut angekommen, es ist traumhaft hier 37 °C, blauer Himmel, keine Wolke, einfach nur schön!«
»Chiara, du, es ist etwas passiert! «
»Ist etwas mit Carlotta? «
Mir wich prompt sämtliche Farbe aus meinem Gesicht.
»Nichts mit Carlotta! « Es entstand eine kurze Pause. »Peter! «
»Was ist mit Peter, hat er sich bei seiner Affäre verheddert! «
»Nein, schlimmer, er ist kurz vorm Herzinfarkt! «
»Was hat er denn? «
»Dein Vermieter vom neuen Haus, der hat ihn auf der Straße getroffen und hat gefragt, ob du zufällig noch da bist! «
Ich schrie auf, »Nein! SCHEIßE!«
»Ja, das kannst du laut sagen, er hat ihm alles brühwarm erzählt. Peter ist mehr oder weniger fast durchs Gartentor gefallen. «
»Ach, du meine Güte! Das darf doch nicht wahr sein, ich wollte nicht, dass er etwas erfährt. «
»Er hat mich natürlich gleich angerufen und mir gesagt: ›Stell dir vor, Chiara macht Ernst, sie hat sich schon ein Haus angeschaut, direkt in der Parallelstraße‹ und ich sagte nur: NEIN! Ich tat so, als wenn ich nichts wüsste, man muss ihm ja nicht alles auf die Nase binden, oder? «
»Nein, natürlich nicht, aber, dann weiß er ja auch, dass ich weg bin! «
»Ja, er hat mich gefragt, ob ich wüsste, wo du bist? Ich habe ihm gesagt, dass du mir nichts gesagt hast. «
»Gut gemacht, Wibke, dann kann ich noch ein bisschen Zeit rausschinden, oh Mann, was mache ich nur, jetzt wird er völlig durchdrehen! «
»Also ich glaube, der hat jetzt einen echten Dämpfer bekommen, der hörte sich nicht so an, als würde er dir Vorwürfe machen. Ich würde eher darauf tippen, dass er sich vor Angst in die Hose macht, weil du so weit gegangen bist. «
»Wenn du meinst! «
»Meine ich! «
Wir unterhielten uns noch eine Weile, aber in meinen Gedanken fuhr alles nur noch Achterbahn. Ich wollte doch meine Ruhe und bestimmt keine Gespräche, ganz sicher nicht jetzt! Ich verabschiedete mich und zog es vor, erst einmal unter die Dusche zu gehen, um mich etwas abzukühlen.Es war sehr angenehm. Als ich fertig war, holte ich den Bademantel heraus und setzte mich erst einmal aufs Bett, um einen Plan zu fassen. Mir kam aber kein klarer Gedanke. Tief durchatmen! Jetzt machst du gar nichts. Ich saß noch fünf Minuten regungslos da, da schoss mir Maurice durch den Kopf. Maurice, den wollte ich jetzt anrufen und ihm sagen, dass ich gut angekommen bin.
Maurice, Maurice, Maurice... Immer wieder kam mir dieser Gedanke.
Erst einmal suchte ich seine Telefonnummer und wählte. Es klingelte, einmal, zweimal, nach dem dritten Klingeln hörte ich: »Unterseer! «
»Hallo, Maurice, hier ist Chiara, ich bin gut angekommen. Es ist hier einfach traumhaft, super Wetter, blauer Himmel, keine Wolke und die Leute im Hotel sind wie immer wunderbar! Wie ist das Wetter bei euch?«
»Gut, Chiara, es ist schön, heute ist es richtig warm, ich sitze gerade mit einem Freund auf der Terrasse. «
»Gut Maurice, dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag, mach’s gut! «
»Ciao Chiara, viel Spaß! «
»Ja danke, dir auch eine schöne Zeit! «
Danach telefonierte ich meine Freunde ab, damit sie sich keine Sorgen machen mussten. Nach einer Stunde war ich fertig, packte ein Buch aus und fing zu lesen an. Einen Krimi! Nach drei Stunden verspürte ich langsam ein Hungergefühl, etwas essen, ja, das wäre gut, aber alleine in die kleine Altstadt, darauf hatte ich momentan keine Lust. Ich rief bei der Rezeption an und fragte, ob ich im Hotel, essen könnte.
»Keine Problem, Signora Schönfeld, um wie viele Uhr, würden Sie essen wollen?«
Ich sah auf die Uhr, es war kurz nach acht, »Geht es so gegen neun? «
»Ja, keine Problem! «
Toll! Ich freute mich.
Jetzt konnte ich mich langsam vorbereiten, ich wusch meine Haare, suchte mir etwas Schönes zum Anziehen aus und ging runter. Vor dem Essen wollte ich noch einen Spaziergang machen. Die Luft war einfach unwiderstehlich. Es roch so gut! Es war noch warm. Von weitem sah ich wie das letzte Schiff ablegte. Ich genoss diesen unbeschreiblichen Ausblick auf den See. Hier konnte man sich nur wohlfühlen. Wenn ich es schaffen würde meine Arbeit anders einzuteilen, würde ich gerne hier an diesem Fleckchen ein zweites Zuhause haben wollen. Die Menschen sind so offen, temperamentvoll, freundlich. Es war hier einfach unbeschwerter. Bei dem Klima auch kein Wunder! In Deutschland musste man sich schon freuen, wenn das Thermometer im Sommer mal zwei Wochen am Stück mehr als 23 °C anzeigte. Die letzten Sommer in Deutschland waren nicht nach meinem Geschmack gewesen.
Schon so spät? Gleich neun!
Rasch ging ich zurück zum Hotel. Im Restaurant wies der Kellner mir einen Tisch auf der Terrasse zu. Der Blick auf den See war traumhaft. Es war wie im Märchen. Schnell schaute ich in die Karte, alles hörte sich so gut an. Ich entschied mich für ein Menü, bestellte eine gute Flasche Rotwein. Mit der Hotelangestellten kam ich ins Gespräch, eine unbeschreiblich nette Frau, es machte Spaß. Das Essen kam und es war ein absolutes Gedicht. Ich genoss es, ach, das Leben kann schön sein, man muss es nur zulassen.
Ja, es kann schön sein. Da meldete sich die andere Stimme in mir: Aber…Ein paar hundert Kilometer von Zuhause entfernt ist natürlich immer alles einfacher, das wusste ich natürlich auch. Nein! Ich wollte keine dunklen Gedanken aufkommen lassen! Ich freute mich wieder unter den Lebenden zu sein und einfach mal den eigenen Bedürfnissen nachzugehen.