schossen mir durch den Kopf. Peter und Jane – Carlotta – Wibke und ... Maurice. Ruhig, keinen Stress, jetzt schlafe erst einmal!
Ich schlief ein, aber es war ein sehr unruhiger Schlaf. Ich wurde ein paar Mal wach. Am nächsten Morgen war ich völlig durcheinander. Ich registrierte, dass das Telefon schon wieder klingelte. Es war wie eine Melodie, das Festnetz, das Handy, das Festnetz, das Handy. Auf meinem AB waren zwölf Nachrichten! Ach, du meine Güte! Das würde ich nicht schaffen, bleib ruhig und atme tief durch. Auf meinem Handy waren sieben Anrufe in Abwesenheit. Ich drehte fast durch. Auch das noch, also erst mal kühlen Kopf bewahren! Ab in die Badewanne, dann sehen wir weiter, sagte ich mir. Ich machte mich fertig und rief erst einmal Wibke an. Sie war noch im Urlaub. Ich sagte ihr, dass ich Peter den Laufpass gegeben hatte. Sie glaubte mir nicht so recht. Typisch Wibke!
Anstatt mich zu ermuntern, hörte ich den Zweifel in ihrer Stimme, glaubte sie mir nicht?
Ich wollte Carlotta sprechen und bat Wibke, sie an das Telefon zu holen. »Hi, Carlotta, meine Süße, wie geht es dir? «
»Mama, kommst du mich abholen! «
»Carlotta, ich muss noch arbeiten, was macht ihr denn Schönes? «
»Mama, komm! «
»Carlotta, bitte sei lieb, Mama hat noch etwas zu tun. Ich kann dir noch nichts versprechen, vielleicht kann ich dich abholen, aber das weiß ich noch nicht! «
»Was macht Papa, gib ihn mir bitte! «
»Tut mir leid, Carlotta, Papa ist nicht da, der ist in München. Er hat ganz viel zu tun, der kommt erst in einer Woche wieder! «
»Sag Papa, er soll mich anrufen! «
»Das mach ich Carlotta, ich wünsche dir eine schöne Zeit, sei lieb! Viel Spaß! Mama hat dich ganz doll lieb «, ich merkte den Kloß im Hals, »ich rufe dich wieder an. Mach es gut, mein Schatz! «
Ich musste auflegen, Tränen stiegen auf, ich hatte das Gefühl, ich schaffte das alles nicht mehr. Aber wer A sagt muss auch B sagen.
Ich fuhr ins Geschäft und hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, Maurice anzurufen. Vielleicht könnte ich ihn noch einmal sehen, bevor er nach Kreta flog. Ich hatte Glück, er war daheim. »Hallo Maurice, sag mal können wir uns sehen? Auf einen Kaffee? «
»Ich muss jetzt in die Stadt, wollen wir uns dort treffen, sagen wir in einer halben Stunde! «
Und ob ich wollte! Wir verabredeten uns in einem kleinen Café in der Altstadt.
Ich ging zu meinen Damen und sagte, ich müsse noch einmal dringend weg. Sie schauten mich an und fragten, ob dies wohl ein neuer Durchbruch für das Geschäft wäre, da meine Augen so strahlten.
»Wenn ich ehrlich bin, ich wollte mich mit meinem Nachbarn kurz treffen, da dieser heute in den Urlaub fliegt.«
Sie grinsten mich an, was sollte denn das nun wieder? Also, verstehe einer die Menschen, was war denn nur dabei, wenn ich mich mit meinem Nachbarn auf einen Kaffee treffen wollte. Tja, was war dabei???
Ich fuhr los und stellte fest, dass ich mich so eigenartig auf dieses Treffen freute. Offensichtlich kam ich zu früh im Café an, Maurice war noch nicht da. Ich bestellte einen Latte macchiato. Ein bisschen Italienfeeling, musste sogar in Deutschland sein. Dann sah ich ihn. Was war denn das?
Ein Kribbeln in meiner Brust, also, jetzt verstand ich gar nichts mehr.
»Hallo, Maurice, schön dich zu sehen, wann geht dein Flug? «
»In fünf Stunden, aber ich muss noch dringend einiges erledigen, also ich habe nicht viel Zeit! «
»Toll, dass du dir die Zeit genommen hast. Ich freue mich, dich zu sehen! «
»Wie geht es dir, Chiara? «
Wie er immer Chiara sagte, es lief mir doch glatt ein Schauer über den Rücken, er sprach den Namen so nett aus…Höre auf, Chiara, cool bleiben!
»Es geht, ich hatte einfach keine Lust zum Arbeiten. Ich wollte dich gerne sehen und ich finde es toll, einfach mal die Arbeit zu schwänzen, ansonsten bin ich ja immer so verantwortungsbewusst! «
Wir unterhielten uns noch ein wenig, dann musste er los, ich drückte ihn zum Abschied und wünschte ihm viel Spaß im Urlaub. Wir machten noch ein paar Witze darüber, dass er ein Doppelzimmer gebucht hatte, und ich sagte ihm: Na vielleicht, bekommst du eine nette Blondine ins Zimmer gelegt. Dann gingen wir auseinander.
Ich war völlig verwirrt. Was war nur los mit mir? Ich kannte mich so gar nicht. Ich fuhr ins Geschäft, erledigte noch einiges.
Mein Telefon klingelte, das Display zeigte Peters Nummer an. Nicht schon wieder! Totstellen war keine Lösung. Ich griff zum Hörer:
»Chiara, mir geht es so schlecht! Ich bin solch ein Idiot, du fehlst mir! «
Warum konnte er mich nicht in Ruhe lassen?
»Peter, das hatten wir alles schon. Ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten, mein Schreibtisch liegt voller Aufträge. «
»Es geht um uns. Die Arbeit ist dir wichtiger als unsere Ehe? « Sein Ton änderte sich, hörte er sich anfangs jammernd an, klang er nun aggressiv.
»Da halte ich mal dagegen: Deine Affären sind dir wichtiger als unsere Ehe! «
Ich hatte die Nase voll und legte auf.
Weitere vier!!! Telefonate folgten, sie liefen immer auf das Gleiche hinaus. Aber ich war mächtig stolz auf mich, weil ich nicht umkippte.
Tja, und dann gingen meine Mitarbeiterinnen und ich legte mich auf meine Relax Liege in meinem Büro und träumte.
Kapitel 6
Ich hatte mir im ersten Stock des Gebäudes ein großes Büro eingerichtet. Den größten Platz nahm meine Schreibtischkombination in ›L‹-Form, ein. Es gab viele Ablageflächen, sodass alles Wichtige griffbereit lag. Auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches, eine bequeme Sitzecke. An der rechten Seite des Büros war eine große Fensterfront, davor bekam meine Relax Liege ihren Platz. Sie kam immer dann zum Einsatz, wenn ich unter einer kreativen Blockade litt. Ich schaltete Musik ein, legte mich für einen Moment hin und meist nach kurzer Zeit kam mir die zündende Idee. Aber heute?
Ich dachte plötzlich an Maurice, was war nur los mit mir?
Zur Ablenkung rief ich meine Tante an. Ich erfuhr, dass es meinem Onkel nicht gut ging, er war zurzeit im Krankenhaus. Auch das noch, mein Lieblingsonkel!!!
In meiner Kindheit lief leider manches völlig daneben. Mein Onkel war wie ein Vater zu mir.Ich war damals zehn Jahre alt und rief ihn völlig verzweifelt an, bat ihn sofort zu kommen, um mich abzuholen.
Ich musste wieder an das grauenhafte Kapitel meiner Kindheit denken.
Selbst heute, fünfundzwanzig Jahre später, lief mir ein eiskalter Schauer über meinen Rücken. Als meine Mutter damals mit mir schwanger wurde, stellte sie fest, dass ein Kind nicht in ihre Lebensplanung passte. Hätte sie mich daraufhin zu einer Adoption freigegeben, wäre mein Leben vielleicht anders verlaufen. Zu einer Adoption entschied sie sich nicht, aber mit mir zusammenleben, wollte sie auch nicht.
Ihre Lösung des Problems: Sie schob mich zu meiner Uroma ab und ich lebte fortan dort.
Meinen Vater bekam ich nicht zu Gesicht, sie verweigerte mir sogar die Antwort auf meine Frage: »Mama, wer ist denn mein Vater? « Als Antwort kam: »Das geht dich gar nichts an! «
Ich wuchs bei meiner Uroma auf, bewohnte mit ihr ein einziges Zimmer. Die Wohnung war zwar weitaus größer, aber sie vermietete die anderen Räume, um ihre Rente aufzubessern. Meine Uroma war eine schwierige Frau. Sie war sehr dominant, kaltherzig und wenn es nicht nach ihrem Kopf ging, wurde sie launisch und ungerecht. Als eines Tages meine Mutter für einen kurzen Besuch vorbeischaute und ich daraufhin traurig sagte:
»Mama, darf ich mit