Reinhard Heilmann

Wenn Alpträume wahr werden ...


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wurde, musste man im Grunde nicht vor Mitternacht mit irgendwelchen Transaktionen rechnen; aber dennoch, vielleicht wurde das Ganze ja so geschickt getarnt,

      dass es noch viel früher über die Bühne ging.

      Wendehals und Mertens waren bestens ausgerüstet, soweit es die Vorbereitungen zuließen. Sie hatten sich über leichte Kleidung, über die unter den Hosenbeinen gut verborgenen Sockenhalter mit den integrierten Holstern und den darin steckenden kleinen, aber nicht minder wirkungsvollen Taurus 445 Titanium im Kal. 44 Spezial mit nur 570 Gramm Gewicht, ihre typisch ‘alt-deutschen’, gestreiften Herren-Bademäntel in Dreiviertellänge angezogen und waren mit Handtüchern ‚bewaffnet‘ in den Keller hinabgestiegen.

      Zu der ebenfalls durch die Bademäntel gut verborgenen Sonderausrüstung zählten auch die in einer Sicherungsschlaufe am Gürtel an der Seite hängenden extrem lichtstarken nur 18cm-langen und mit Xenonbirnen bestückten Starklichtlampen,

      Mehrzweckmesser in Gürtelfutterals, Ersatzpatronen-Etuis und ein Notfallpiepser, der im Falle ihrer Bewegungsunfähigkeit nach einer Zeitverzögerung von dreißig Sekunden ein ständiges Funksignal abgab, das von den Kollegen bis zu einer Entfernung von fünfzehn Kilometern auf einer gesicherten Frequenz abgehört und bis zum Sendeort zurückverfolgt werden könnte.

      Sollten sie zufällig entdeckt werden, konnte jedenfalls so ohne weiteres keiner auf den Gedanken kommen, dass die beiden irgendetwas anderes wollten, als ein oder zwei Saunagänge zu genießen.

      Die lautlosen Turnschuhe passten ideal zu dieser Ausstaffierung.

      *

      Die Zeit verging endlos. Auf den Uhren an Wendehals’ und Mertens’ Handgelenken vertickten die Sekundenzeiger, deren fluoreszierende Enden über die ebenfalls reflektierenden Fünfminutensegmente huschten, unendlich langsam und trotz der einigermaßen passablen Stellung, in der es sich die beiden hinter den Kanapees wie am Vortage, diesmal allerdings auf durchgelegenen Matratzenteilen bequem gemacht hatten, schlief immer mal wieder das eine oder andere Beinglied ein oder mussten die Arme umgelagert werden oder vorsichtig und möglichst geräuscharm die versteiften Muskeln massiert werden.

      Es vergingen tatsächlich drei Stunden, bis sich gegen Mitternacht auf der Treppe etwas regte.

      Ohne Quietschen öffnete sich oben die Tür und jemand tappte die Treppe herunter. Dann laute Schritte auf den Marmorplatten, deren Rhythmus Wendehals zu kennen glaubte. Die Schritte verhielten einen Moment vor dem Durchgang zum Möbellager, Wendehals und Mertens hielten den Atem an.

      Nach Sekunden dann entfernten sich die Schritte etwas weiter und hielten dann wieder inne. Jetzt hörten sie einen feinen Piepston, nur einmal kurz, den sie am Vortage während der Unterhaltung der beiden Männer wohl nicht mitbekommen hatten. Dr. C. hatte die Fernbedienung gedrückt und die Sauna schwenkte geräuschlos bei Seite, bis auf die leisen Kratzer.

      Die Sauna schwenkte nicht wieder in ihre Ausgangsstellung zurück, nachdem Dr. C. den Gang weiter und in den zweiten Keller hinunter verschwunden war. Mertens und Wendehals verständigten sich kurz durch Nicken und Mertens huschte aus

      dem Versteck, leise ebenfalls den Weg entlang und die Treppe hinunter. Für diesen Fall hatten die beiden zuvor bereits abgesprochen, wie sie sich verhalten würden, Mertens würde dem oder den Besuchern folgen, während Wendehals weiterhin in Beobachtungsposition blieb.

      Es waren Eisenstufen, die deswegen, glücklicherweise, nicht knarrten.

      Unten am Ende der Treppe öffnete sich ein ebenso großer Flur wie oben und zweigten ebenso viele Räume ab, wie im oberen Kellergeschoss, allerdings keiner der Räume wurde durch eine Tür vom Flur abgetrennt. Die Wände waren sämtlichst weiß gefliest; außer ein paar Tischen und Holzstühlen, stand nichts herum, was auf die Funktion der Räume hätte schließen können. Mertens versteckte sich in einer Nische im zweiten Raum nach dem Kellerabgang und konnte schräg gegenüber in den Raum blicken, in dem Dr. C. verschwunden war. Während sich Dr. C. dort mit irgendetwas beschäftigte, Klappern zu hören war und sirrende Geräusche, sah sich Mertens in dem Raum aus seiner Nische heraus um. Nichts, leer. Ihm fiel lediglich auf, dass die Verfliesung noch nicht alt sein konnte, überall lag noch der Geruch von Fugenmörtel in der Luft, von Zementmischung und Farbe. Am Boden in seiner Ecke entdeckte Mertens ein kleines Häuflein zusammengefegten Staubes. Mit einem Behelfsspachtel aus der Pappklappe seiner Zigarettenpackung schabte Mertens einiges davon in einen kleinen Plastikbeutel, den er in die Bademanteltasche steckte. Mehr war hier offensichtlich nicht zu holen, dachte er sich, vielleicht gibt ja dieser Staub ein wenig mehr Erkenntnis. Aus dem, was so am Boden herumlag, auch noch nach gründlichem Fegen, war immer noch genügend Information unter dem Elektronenmikroskop oder in der gas-chromatograhischen Bestimmung herauszufinden, dachte sich Mertens. Er erinnerte sich an einen Fall, in dem in einer Zimmerecke zurückgebliebene Staubpartikel und winzige

      Faserreste, die offensichtlich beim gründlichen Wischen des Fußbodens unabsichtlich in eine sichere Ecke transportiert worden waren, dazu beitrugen, ein Kapitalverbrechen zu entdecken und den Täter zu entlarven.

      Das Klappern wurde lauter, Dr. C. kam um die Ecke des Raumes, in dem er verschwunden war. Auf einer Sackkarre die Dr. C. vor sich herschob, waren drei weiße Styroporbehälter mit Gummispinnen verzurrt. Er fuhr mit der Sackkarre in Richtung Treppe.

      Erst als Dr. C. das Licht löschte und nur noch eine Lampe über dem oberen Treppenabsatz leuchtete, konnte Mertens es wagen, sein dunkles Versteck zu verlassen. Er durfte keinesfalls riskieren, hier unten eingeschlossen zu werden, nach der abgestandenen Luft dort zu urteilen, war die Luftzufuhr das Geringste, womit man sich hier beschäftigt hatte. Und wenn die Sauna sich erst wieder vor den Kellerabgang geschoben hatte, war es mit Sicherheit auch akustisch nicht mehr möglich, sich zu verständigen.

      Dr. C. war mittlerweile am Treppenaufgang angekommen, wechselte die Stellung und zog jetzt im Rückwärtsgehen die Sackkarre hinter sich her; er schaute sich häufig um dabei, wohl, um nicht zu Stolpern, sodass Mertens sich in einem geeigneten Moment einige Meter vorschleichen konnte, ohne entdeckt zu werden.

      Dr. C. verschwand über den oberen Treppenabsatz auf dem Weg in den anderen Keller. Schnell nahm Mertens zwei Stufen auf einmal und zögerte nur kurz oben am Absatz, sah aber nur den ihm nun wieder zugekehrten Rücken von Dr. C., der die Sackkarre weiter auf dem Weg von der Treppe wegschob.

      Mertens kauerte hinter der weggeschobenen Sauna zwischen der und der anschließenden Wand sich ein nicht einsehbares Schattendreieck gebildet hatte.

      Etwa drei Meter weiter vorne blieb Dr. C. stehen, kramte in seiner

      Kitteltasche und zog die Fernbedienung hervor.

      Ohne hinzusehen, hielt er sie kurz schräg nach hinten, der Piepston ertönte und die Fernbedienung verschwand wieder im Kittel, während Dr. C. die Sackkarre bereits weiter zum Ausgang schob.

      Nur einen Sekundenbruchteil zu spät reagiert und Mertens wäre in seinem ‘Verlies’ eingeschlossen geblieben, ohne dass Wendehals eine Chance gehabt hätte, ihn ohne einen passenden Frequenzgeber daraus zu befreien.

      So aber gelang es Mertens gerade noch rechtzeitig hinter der Sauna hervor zu springen und sich mit zwei Sätzen in das dunkle Möbellager zu retten, bevor das Ungetüm in seine Ausgangsstellung zurückgeschwenkt war.

      Dr. C. schien nichts bemerkt zu haben und schuftete bereits die Sackkarre wieder rückwärts die zweite Kellertreppe hinauf.

      „Mann, war das knapp”, keuchte Mertens leise außer Atem.

      „Irgendetwas Interessantes da unten?” fragte Wendehals seinen unsanft neben ihm gelandeten Kollegen.

      „Nööh, nichts Besonderes“, japste der noch nach Luft schnappende Mertens, „überhaupt alles leergeräumt da unten und offensichtlich alles erst vor Kurzem neu verfliest und gereinigt. Ein bisschen Staub konnte ich vom Boden einsammeln, mal sehen, was das Labor dazu sagt. Ansonsten leider nichts. Aber für nichts schafft sich niemand so ein raffiniertes Versteck an und tarnt einen zweiten Keller nicht so geschickt und aufwendig. Zumindest war da mal was ganz Wichtiges. Woll’n hoffen, dass in dem Staubbeutel mehr drin ist, als ich mir