Reinhard Heilmann

Wenn Alpträume wahr werden ...


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von Mertens viel eher bemerkt hatte, als Mertens bewusst wahrnahm, nicht

      v o r dem Eingang zur Sauna, sondern gut einen Meter daneben, also direkt vor der senkrecht in Nut und Feder holzverschalten Außenwand!

      „Schaun’ Sie mal her”, wandte sich Mertens an Wendehals, „ist das nicht merkwürdig? Gut, vielleicht waren die Räumlichkeiten bei Verlegung des Fußbodens anders als heute, sodass die Erklärung sehr einfach ist. Man hätte dann später eben dort die Sauna aufgestellt, wo es früher in einen anderen, vielleicht abgemauerten Raum ging.”

      „Oder der Weg führt auch heute noch weiter!” zweifelte Wendehals, „das ist ja phantastisch, wäre ich nicht so schnell drüber gestolpert”, lobte er seinen Kollegen.

      „Dann müsste aber die Sauna irgendwie verschiebbar oder aufklappbar sein oder weiß ich wie zu entfernen; immerhin ein

      Drumm von so etwa acht Metern Länge und drinnen ganz schön geräumig, vielleicht fünf Meter tief, Platz für eine ganze Menge von Schwitzbegierigen nach der Anzahl der Pritschen zu urteilen”, gab Mertens zu bedenken.

      „Mal sehen, lassen Sie uns mal so tun, als wenn es hier tatsächlich weiterginge. Wir müssen nach irgendetwas suchen, was mit gewisser Leichtigkeit diese Sauna bewegen kann, einen Gabelstapler würden die sicherlich nicht immer benutzen müssen, um da ein und ausgehen zu können, wenn überhaupt ...?” und Kommissar Wendehals fing an, systematisch die Nuten der Kiefernverschalung abzutasten, während Mertens den Boden absuchte, um vielleicht dort, zwischen Bodenoberkante und Saunaunterkante einen Hinweis auf Gleitspuren, Riefen oder ähnliches zu finden. Und richtig, gerade wollte er Wendehals freudig zurufen, dass da etwas zu spüren sei, als Stimmen die Kellertreppe von hinten am Abgang herunterkamen.

      Rasch machten die beiden ein paar Sätze über den Flur und versteckten sich in der Möbelrumpelkammer, die wenigstens unbeleuchtet war und verbargen sich lautlos im Schatten alter muffiger Kanapees.

      Die Stimmen kamen näher, zwei Männerstimmen, die sich darüber unterhielten, dass die Sauna hier unten überhaupt auch noch weg müsste, damit auch nicht die kleinste Spur blieb,

      Kabel, Rohre und Leitungen seien ja inzwischen aufs beste vermauert und verputzt. „Lassen Sie uns mal reingehen”, sagte ein untersetzter Mann mit Vollbart und dicker Hornbrille,

      „ich habe da eine Idee, wie man auch diesen Teil so verändern könnte, dass man hinterher nichts mehr sieht und uns trotzdem die Option für später mal bleibt, wenn sich die Unruhe wieder gelegt hat, diese wertvollen Räume wieder verwenden zu können. Ich sage immer: man weiß ja nie!” - Und der Angesprochene,

      Dr. C., der Anstaltsleiter, der die Einführungsrede des Wochenendseminars gehalten hatte, stimmte dem anderen zu, der hier offensichtlich der eigentliche Chef war. Beide trugen weiße Ärztekittel und Dr. C. nahm aus seiner rechten Kitteltasche, was Mertens und Wendehals aus ihrem Versteck wunderbar beobachten konnten, ohne selber gesehen zu werden, eine Fernbedienung so in der Art eines Garagentoröffners mittels Laser- oder Kurzwellenstrahlen und das Sesam öffnete sich: beinahe lautlos, lediglich wenige leise Kratzer drangen bis an die Ohren der beiden Kriminalisten, schob sich die Sauna wie von Geisterhand in einem Bogen nach links weg und, garnicht mehr verwunderlich, ging der Marmorweg weiter und führte nach etwa sechs Metern zu einem Geländer, das zu einer Treppe gehörte, die in ein zweites Untergeschoss führte.

      „Wenn erst einmal die letzten drei Sendungen hier ‘raus sind, gibt es überhaupt keinen Beweis mehr für die Laborarbeiten, ich hoffe, ihre Organisation klappt auch weiterhin so perfekt und die letzten Kuriere übernehmen morgen Nacht”, meinte der Untersetzte mit Hornbrille und die beiden Männer verschwanden die Treppe hinunter und beinahe lautlos schob sich die Sauna wieder an ihren alten Platz.

      Es hatte nur wenige Sekunden gedauert und alles war wieder so,

      als wenn nichts gewesen wäre.

      „Haben Sie das gehört, Mertens, wir haben ein Mordsglück, da unten lagert offensichtlich noch etwas von dem Zeug, das morgen Nacht abgeholt werden soll. Was meinen sie, werden wir morgen Nacht wohl tun? Jedenfalls sicher kein Auge zu”, frohlockte Kommissar Wendehals und boxte dem Mann neben sich gegen den Oberarm. Wenn Kommissar Wendehals gut drauf war und irgendjemand war gerade in erreichbarer Nähe, konnte es passieren, dass der dann so einen Knuff abbekam, recht schmerzhaft, wenn genau der außen liegende Bizeps getroffen wurde, doch Kommissar Mertens wusste das nicht und konnte entsprechend nicht rechtzeitig ausweichen.

      „Autsch”, war die reflexartige Reaktion und während er sich den schmerzenden Muskel rieb, reagierte Mertens allerdings nicht unfreundlich: „Sie haben aber eine ‘liebenswürdige’ Art, aber Sie haben recht, das ist unsere Chance.”

      Die beiden schlichen sich wieder vorsichtig aus dem Keller und hatten sich bereits eine Ausrede verabredet, die sie jedem auftischen würden, der sie danach fragen würde, was sie im Keller zu suchen hätten: die Sauna! Sie hatten gedacht die Sauna wäre in Betrieb und wollten mal ein Stündchen schwitzen, deshalb auch die sichtbar in der Armbeuge mitgetragenen Handtücher, die sie sich übrigens aus der Sauna ‘geborgt’ hatten.

      *

      Die Übungen und mentalen Exerzitien taten recht gut, fanden die beiden und waren tatsächlich entspannend und öffneten ganz neue Welten zum eigenen Ich und zum gedanklichen Umgang mit der Umwelt. Möglich auch, dass das rein vegetarische Essen, der reichlich genossene grüne Tee und die Schaffung einer angenehmen Grundstimmung durch die überall zu hörenden altindischen Klänge und der Duft der Räucherstäbchen ihren Beitrag zur seelischen und körperlichen Reinigung leisteten, jedenfalls war auch das Essen sehr schmackhaft und die abends servierten Tofu-Bouletten waren geschmacklich und im Biß den bekannten Rindfleischhackklößen zum Verwechseln ähnlich.

      Neben den ‚Pflichtveranstaltungen‘ blieb den beiden genügend Zeit, sich in Muße und guter Stimmung einen genauen ‘Schlachtplan’ zurechtzulegen, um bestens auf alles vorbereitet zu sein.

      Die Gelegenheit, womöglich an den Stoff zu kommen, der

      wahrscheinlich der Grund für alle die Vorsichtsmaßnahmen und Heimlichkeiten war, für die Menschenleben, die auf seiner Strecke blieben, auch für die Ermordung Wongs und für das Verschwinden von P., durfte nicht ‘versaut’ werden.

      Wendehals war aus diesem Grunde auch am nächsten Vormittag zwischen zwei Übungen in den Ort hinunter gefahren und hatte dort unverfänglich von einer Telefonzelle aus mit einem Osnabrücker Kollegen gesprochen, den er freilich an diesem

      Sonntagmorgen zu Hause anklingeln musste.

      Sie brauchten unbedingt Rückendeckung respektive musste vorbereitet sein, dass die Kuriere, wann immer sie kommen würden und wie viele es auch sein mochten, unbedingt und völlig unauffällig vom Zeitpunkt ihrer Abfahrt vom Schloss an, wenn nötig rund um die Uhr beschattet wurden und Mertens und Wendehals über diese Beschattung dann ständig auf dem laufenden gehalten wurden. Kommissar Wendehals verabredete mit seinem Kollegen, dass sämtliche vorläufigen Informationen

      solange auf Wendehals’ Mobiltelefon, das er in seinem Fahrzeug auf dem Parkplatz des Schlosses versteckt hatte, gesprochen werden sollten, bis er Zeit hätte, sich den Stand der Observierungen abzuhören. Zur Observierung der Verdächtigen würden fünf Zivilbeamte - zur Sicherheit zwei mehr, als für die “letzten drei Sendungen“, wie die beiden Männer unten im Keller erwähnt hatten - jeweils in unauffälligen Zivilfahrzeugen bereitstehen und zwar auf Anraten von Wendehals bereits ab etwa 23:00 Uhr abends, um ab dem Zeitpunkt, ab dem es nicht mehr dunkler wurde in dieser Nacht für den Fall der Fälle bereitzustehen. Eine harte Arbeit und Geduld, der sich allerdings die Kommissare Wendehals und Mertens auch unterziehen würden, da sie spätestens bereits ab neun Uhr abends ihre Posten im Keller beziehen würden, während die anderen Sektenmitglieder und Wochenendseminarbesucher bereits auf ihren Zimmern sein würden und hoffentlich nicht zu viele in einer nicht gerade mondhellen Nacht in den Anlagen umhergeisterten und bei geistreichen mental-lastigen Gesprächen kein Ende finden konnten.

      Da auch die Anstaltsleiter damit rechnen mussten, dass sich doch einige der Bewohner auch um elf Uhr abends noch