Reinhard Heilmann

Wenn Alpträume wahr werden ...


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sollen”. Mit diesen Worten hasteten die beiden so leise es ging den Flur entlang und die Kellertreppe nach oben.

      Oben war niemand zu sehen, auch Dr. C. war nicht da, nur die Sackkarre. Die Sackkarre stand so da, mit den drei Paketen

      darauf, wie Dr. C. sie hier offenbar abgestellt hatte.

      Leider blieb keine Zeit, sich den Inhalt der Pakete mal näher anzusehen, da um die Hausecke herum Stimmen zu hören waren.

      Wendehals und Mertens verkrümelten sich schleunigst über den Kiesweg hinweg hinter einen dichten Haselnussstrauch direkt gegenüber dem Eingang, vor dem die Sackkarre abgestellt war.

      Dr. C. und der andere mit der Hornbrille und dem Vollbart erschienen an der Hausecke.

      „Haben Sie eben nicht auch Schritte auf dem Kies gehört?” fragte der mit der Hornbrille Dr. C.

      „Ja, es klang zumindest so, vielleicht auch ein Hase oder Kaninchen, von denen hier viel zu viele rumhoppeln, hier ist jedenfalls niemand und um diese Zeit ...? - Die Einzigen, die sich demnächst hier 'rumtreiben werden, sind hoffentlich bald die Kuriere, damit das Zeug endlich auf den Weg kommt.”

      Beinahe im gleichen Moment hielt knirschend ein beigefarbener AUDI vor dem Haupteingang des Schlosses. Ein drahtiger Mann, Mitte Vierzig, schätzte Wendehals, entstieg dem Wagen auf der Fahrerseite und schaute kurz in ihre Richtung, allerdings halb beschattet durch die große Bogenlampe über dem Tor. Kein Bart, keine Brille, allerdings auffallend lange Koteletten, die am Ende im Mundwinkelbereich spitz ausliefen, der würde in der Kartei leicht zu finden sein, dachte sich Wendehals.

      Der Mann trug einen dunklen Blouson und gefährlich spitze dunkle Cowboystiefel unter einer schneeweißen Hose. Das Haar war wellig nach hinten gekämmt.

      Der Mann ging auf die beiden vor dem Eingang zu und begrüßte sie mit Handschlag, Dr. C. umarmte ihn kurz. Der Mann sprach

      Dr. C. in breitem saarländischen Dialekt an: „Herr Dr. C., wie vereinbart zur Stelle, diesmal ja unerwartet, ich hatte nicht damit gerechnet, überhaupt noch eingesetzt zu werden, denn sie sagten ja anfangs, dass sie maximal drei Sendungen für mich hätten,

      jeweils im Abstand von etwa vier Wochen. Aber ich beklage mich natürlich nicht, mir soll’s recht sein, das Geld kommt mir gerade gelegen.”

      „Is’ schon gut, reden wir nicht lange herum, dieses eine mal brauchen wir Dich noch! Du kennst die Prozedur, also der Code?”

      „Unterwegs hatten wir schwere Wärmegewitter, ich musste zwei mal rechts ‘ranfahren und abwarten”, worauf Dr. C. erwiderte „Das ist nicht ungewöhnlich in dieser Jahreszeit”, und mit dem Scheckkartenlesegerät in seiner linken Hand die Code-Karte nahm, die ihm der Mann mit dem saarländischen Akzent hinreichte, eine sechszehnstellige Nummer eintippte und die Karte in das Gerät einführte.

      „Damit ist die Karte jetzt wieder aktiviert und nur mit dieser Nummer identifizierbar”, sagte Dr. C., ein Piepston folgte, ein grünes Licht leuchtete kurz auf und der Vorgang war beendet.

      „Gut, meinte Dr. C. und dann ab damit, hier, gleich die oberste Kiste ist für dich bestimmt. Und: wie üblich, keine Abstecher und so weiter, direkt zum Adressaten!”

      „Schon klar,” antwortete der Drahtige mit den langen spitz auslaufenden Koteletten, entfernte die Gummispinne von dem Stapel Kisten, nahm die oberste Kiste, ging zu seinem Fahrzeug, öffnete die Beifahrertür, legte die Kiste auf den Boden vor dem Beifahrersitz, schob den Sitz mittels des Rastenhebels etwas nach vorne, ging ums Auto herum, setzte sich hinter das Steuer, grüßte noch einmal durchs Beifahrerseitenfenster, startete den Motor, gab Gas, rauschte den Kiesweg um das Rondell herum entlang und verschwand in Richtung Parkausfahrt. Wendehals notierte sich rasch das Kennzeichen: SB - MT 600, während

      Dr. C. und der mit der Hornbrille im Schlosseingang verschwanden.

      Kommissar Wendehals drehte sich in seiner Hockstellung hinter dem Busch herum, sodass das beleuchtete Eingabefeld des handtellergroßen Mobiltelefons durch seinen Rücken gedeckt

      wurde, während er mit in Windeseile über die Tasten fliegenden Fingern eine schriftliche Kurzmitteilung an den Kollegen durchgab, der bereits seit zehn Minuten auf Bereitschaft geschaltet war: Kennzeichen, Fahrzeugtyp und Farbe, Anzahl der Insassen.

      Anschließend wählte er sofort die Nummer des nächsten Beschatters, der draußen vor dem Gelände irgendwo auf seinen Einsatz wartete, und schaltete auf Bereitschaft; dadurch war absolut sichergestellt, dass weder ein Klingeln noch Stimmen aus dem Gerät den Standort der beiden Kommissare zufällig verraten konnten und es war selbstverständlich, dass er die Ziffern- bzw. Buchstabeneingabe auf stumm geschaltet hatte, da die ansonsten ertönenden Piepszeichen, die bei jeder Tastenbetätigung ertönten, ganz sicher ihr Versteck verraten hätten.

      Kapitel 13

      Während Wendehals und Mertens in ihrem Versteck blieben, um auf die anderen Abholer zu warten und deren Identifizierungen an die Beschatterfahrzeuge durchzugeben und sich tatsächlich wenig später auch noch ein VW Sharan mit britischem Kennzeichen und, siehe da, auch ein Fahrzeug mit Osnabrücker Kennzeichen einfanden, ein dunkelblauer Jaguar ...

      ... fuhr der beige Audi bereits auf die Autobahnzubringerauffahrt Osnabrück Süd und weiter in Richtung Lotter Kreuz, fuhr auf die Einfädelspur, beschleunigte, scherte links auf die Überholspur, überholte einen LKW mit mittlerweile 140 km/h und fuhr zielstrebig auf der ihm bereits von früheren Kurierfahrten bekannten Strecke. Später, bereits auf der A1 in Richtung Süden

      schaltete der Fahrer den Tempomat ein.

      Der Mann mit den langen, spitz auslaufenden Koteletten

      träumt von dem, was er mit seiner Entlohnung anfangen wird:

      erst einmal die Reparaturwerkstatt bezahlen, klar und den Satz neue Reifen, aber mit dem Rest? Vielleicht in der Spielbank verdreifachen oder noch mehr...

      Was wohl in diesen Aluminiumbehältern für eine geheimnisvolle und sündhaft teure Substanz sein mag, denkt er sich, wenn die schon so viel für die Kurierfahrt ausspucken, vielleicht wäre da noch mehr drin? Aber mit denen ist nicht gut Kirschen essen, mutmaßt er, die über’ s Ohr zu hauen, könnte übel ausgehen, das sind nicht nur irgendwelche kleinen Gelegenheitsganoven, wie ich, hier mal ‘nen Bruch, bei guten Tips, wenn das Risiko annähernd Null ist, da mal ‘ne schnelle Überführung irgendeines ‘heißen’ Autos auf Bestellung nach Polen oder in die Ukraine.

      Oder die seltsamen Fahrten mit einem Wohnwagen nach Istanbul, da war mit Sicherheit nicht nur Besteck in den Schubladen und Luft in den Reifen auf der Rückfahrt einen Tag später mit dem über Nacht irgendwo auf Anweisung in einer Werkstatt abgestellten Gespann, aber was kümmert’ s mich, die Bezahlung war gut ..., doch das hier? Hier läuft ‘en ganz großes Ding, das spür’ ich in meiner langen Nase, vielleicht Drogen, aber warum dann so kompliziert verpackt? - Irgend ’ne andere Scheißchemikalie, denkt sich der Mann, besser ich laß’ die Finger von den Röhren, obwohl, ‘reingucken könnte man ja mal ...

      Und wenn da irgendwelche Dämpfe entweichen oder irgendwas ‘rausspringt oder was weiß ich, das merken die doch dann und dann gibt’s Ärger!

      Der Mann fährt zum Tanken rechts ‘raus, Rast- und Tankanlage Siegerland an der Sauerlandstrecke.

      Nachtanken, 'für kleine Jungs' und ... er fährt nach dem Tanken doch noch mal rechts ‘ran. Die Neugierde ist größer als die

      Vernunft und er überwindet den inneren Schweinehund und öffnet den Deckel der weißen Kiste, der nur mit einem durchsichtigen Klebestreifen an dem Behälter, auf den er gestülpt ist, befestigt ist. Scheinen Spezialkisten zu sein, denkt sich der Mann, so sauber gearbeitet, hochaufgeschäumtes, extra formstabiles Styropor mit sauber eingestanzten, eher herausgeschnittenen Löchern für Röhren, in denen die Aluminiumbehälter stecken, insgesamt zwanzig in je vier Reihen à fünf Stück.

      Die Deckel auf den Aluminiumröhren sind nur ganz leicht draufgeschraubt, allerdings