Sie musste ehrlicherweise zugeben, dass sie diese Tour nur zu gern abgesagt hätte. Wären da nicht besagte Eifersucht und die ständigen Ausreden, die sie erfand, um sich davor zu drücken.
„Nein, nein, ich begleite euch, wie abgesprochen“, erwiderte sie einen Tick zu hastig.
Maike taxierte sie kurz und Sophie glaubte, einen Anflug von Spott in ihrem Blick zu erkennen. Aber wahrscheinlich bildete sie sich das nur ein, wie so vieles in letzter Zeit.
„So, Leute …“ Nick übernahm wieder das Ruder. „Jonas wird sich um die Schlösser kümmern, damit wir ohne Einbruchsspuren in die Villa gelangen, während ich mir den Eigentümer vorknöpfe, der das Gelände checkt. Der hat mit Sicherheit seine regelmäßigen Zeiten, das macht es überschaubar. Maike, du bestellst im Internet Seile und Leuchtstäbe, damit wir uns in der Bunkeranlage nicht verirren.“
Er holte kurz Luft. „Und du, mein Schatz, besorgst dir bequeme Wanderschuhe und staffierst dich mit Klamotten aus, die auch kaputt gehen dürfen.“ Mit einem schiefen Grinsen hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange.
„Habt ihrs jetzt, ihr Turteltauben?“, fragte Jonas genervt.
Ihm schien nicht in den Kram zu passen, dass Sophie sich ihnen angeschlossen hatte. Der junge durchtrainierte Mann wirkte auf seine Mitmenschen kühl und distanziert. Das rötliche Haar, die hellen Wimpern und sein mürrischer Gesichtsausdruck ließen ihn von vornherein unsympathisch wirken. Sein ruppiges Verhalten, das er anderen gegenüber oft an den Tag legte, machte es keineswegs leichter. Kein Wunder, dass er seit Jahren Single war.
Auch das Physikstudium war nicht gerade der Brüller, um die Damenwelt von sich zu überzeugen. Allerdings schien Jonas an Maike interessiert, denn er ließ sie keine Sekunde aus den Augen.
„Aus dir spricht nur der pure Neid“, spottete Nick lachend und klopfte Jonas freundschaftlich auf die Schulter.
„Im Leben nicht“, erwiderte Jonas gereizt und warf Sophie einen undefinierbaren Blick zu.
Unbehagen machte sich breit und sie würde drei Kreuze machen, wenn dieser Ausflug der Vergangenheit angehörte. Mit Sicherheit wäre es besser, später von diversen Touren Abstand zu nehmen. Sicher, als Bauzeichnerin lag ihr die Architektur sehr am Herzen und sie liebte klassische Bauwerke. Aber nicht mit diesem Hang zum Morbiden. Schon beim bloßen Gedanken daran richteten sich ihre feinen Nackenhärchen auf.
„Da wir jetzt alles geklärt haben, können wir uns wieder dem schnöden Alltag zuwenden.“ Maike blickte ungeduldig auf ihre Uhr.
„Hast du noch ein Date?“, wollte Nick wissen und augenblicklich krampfte sich Sophies Innerstes zusammen.
„Ich fürchte, dass dich das nichts mehr angeht“, antwortete sie mit einem süffisanten Lächeln.
„Das habe ich schon vor geraumer Zeit zur Kenntnis genommen. Ich wollte lediglich Interesse heucheln“, entgegnete er.
Sophies Blick wanderte von einem zum anderen, diese neckische Ausdrucksweise irritierte sie meist. Maike und Nick studierten Medizin und hatten auch auf diese Weise zueinandergefunden. Maike würde später als Assistenzärztin arbeiten, während Nick ein weiteres Studium zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie absolvierte. Manchmal dachte Sophie tatsächlich, das hätte bei beiden Spuren hinterlassen. Ihr gegenüber verhielt sich Nick völlig normal, nur diese gegenseitigen Sticheleien der zwei verleiteten sie oft zum Grübeln.
Vielleicht lag es auch daran, dass sie die Einzige im Bunde war, die sich für den klassischen Lebensweg entschieden hatte: Kindergarten, Realschulabschluss, Lehre. Sie hatte sich immer für eine junge selbstbewusste Frau gehalten, aber die Fassade bröckelte. Warum sie so empfand, konnte sie nicht genau sagen. Nick trug sie auf Händen, zeigte offen seine Liebe, himmelte sie regelrecht an … und dennoch. Da war dieses diffuse Gefühl, dass etwas nicht stimmte, aus welchen Gründen auch immer.
„So, ihr Lieben, man sieht sich.“ Maike stand schon an der Tür und hob zum Abschied kurz die Hand. Nur wenige Minuten später jaulte der Motor eines Fahrzeugs gequält auf. Nick und Jonas tauschten wissende Blicke.
„Maike wird das Autofahren niemals lernen“, grinste Nick.
„Ne, irgendwie nicht. Deshalb lassen wir sie bei den Touren auch nie ans Steuer.“ Es war einer der seltenen Augenblicke, bei denen Jonas lächelte.
Sophie und Nick erhoben sich gleichzeitig. „Mach’s gut, Jonas, und danke für den Kaffee.“
Sie durchquerten den Flur und liefen die Treppen hinunter. In der Junggesellenbude von Jonas hatte sich Sophie noch nie sonderlich wohlgefühlt und sie genoss die wärmenden Strahlen der Sonne, als sie aus dem Gebäude traten. Nicks alter Audi stand gleich um die Ecke und sie ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
„Hast du noch Lust auf ein Eis?“, fragte er.
„Aber immer doch“, lachte sie.
Er steuerte den Wagen in Richtung Innenstadt und es verging eine Weile, bis er einen Parkplatz ergattert hatte. Hand in Hand schlenderten sie durch die Fußgängerzone und ließen sich auf der Terrasse des Eiscafés nieder. Sophie nutzte die Gelegenheit und betrachtete verstohlen Nicks Profil. Jetzt war er wieder weich und gefühlvoll, nicht dieser knallharte Typ, der die Touren durchzog.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich daran erinnerte, wie sie sich kennengelernt hatten. Bei ihrem wöchentlichen Großeinkauf im Supermarkt war sie ihm in die Hacken gefahren. Ja, Romantik sah deutlich anders aus. Nick hatte sich aufbrausend umgedreht, aber nach eingehender Betrachtung ihrer weiblichen Statur hinreißend gelächelt.
„Ist das jetzt eine neue Masche?“, hatte er geflachst, während ihre Wangen von einer zarten Röte überzogen waren.
Normalerweise hätte sie schlagfertig reagiert, aber stattdessen hatte sie schüchtern ihren Blick gesenkt. Nein, es war keineswegs Liebe auf den ersten Blick gewesen. Aber so charmant, wie Nick sich daraufhin um sie bemühte, hatten sie kurze Zeit später seinen Avancen nachgegeben. Sie liebte seine strahlend blauen Augen, das dunkelblonde Haar mit dem frechen Wirbel am Hinterkopf und seinen durchtrainierten Körper. Er joggte, um sich fit zu halten, und ging ab und zu ins Studio. Es gab nur wenige Gemeinsamkeiten, die sie teilten, aber die Beziehung harmonierte dennoch.
Obwohl sich Sophie wenig aus Sport machte, war ihre Figur ganz passabel. Das schulterlange Haar hatte sie mit blonden Strähnchen aufgepeppt, trotzdem reichte es an Maikes Mähne nicht heran. Aber im Großen und Ganzen war sie zufrieden, wenn man von den Selbstzweifeln absah, die sie seit Neuestem plagten. Aber das würde sich mit Sicherheit legen, wenn sie mit eigenen Augen sah, wie Nick und Maike sich während der Tour verhielten. Da war sie ganz zuversichtlich.
„Na, träumst du wieder?“, fragte Nick und ihre Blicke trafen sich. Sofort war das Feuer wieder entflammt.
„Ein wenig“, gab sie lächelnd zu.
„Du bist süßer als das Eis.“
Sie errötete, so wie immer, wenn er ihr ein Kompliment machte.
„Hättest du etwas dagegen, wenn wir nachher noch einen Abstecher zum Sportgeschäft machen? Dort kannst du dir gleich ein Paar Trekkingschuhe besorgen.“
„Sind die nicht ziemlich teuer in so einem Fachgeschäft?“, erwiderte sie.
„Das sind sie. Aber sollten wir tatsächlich den Zugang zu diesem Tunnelsystem finden, brauchst du passendes Schuhwerk.“
Trotz seines schmalen Studentenbudgets übernahm Nick ganz gentlemanlike die Rechnung. Hand in Hand schlenderten sie in die Richtung des Sportgeschäftes. Vor dem Schaufenster blieben sie stehen und seine Augen leuchteten. Es gibt schlimmere Hobbys, versuchte sich Sophie zu trösten. Sobald Nick sein Studium beendet hätte, wäre es mit diesem bizarren Hobby sowieso vorbei.
Nachdem sie das Geschäft betreten hatten, schob er sie zu einem Regal mit Trekkingschuhen, während er in der Abteilung für Sportbekleidung verschwand. Nur wenige Minuten später kehrte er mit seiner stolzen Ausbeute zurück.
„Und, hast du ein passendes