Ana Dee

Soulless Places


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ihren Durst mit einem Glas Wasser.

      Erneut forschte sie nach Gründen, die diesen Wandel ausgelöst haben könnten, doch sie erinnerte sich an nichts. Ihr Leben war in geregelten Bahnen verlaufen. Sie hatte eine rundum glückliche Kindheit verbracht und jegliches Mobbing war ihr während der Schulzeit erspart geblieben. Da gab es nichts, das einen psychischen Knacks gerechtfertigt hätte. Ihr Leben plätscherte ohne größere Höhen und Tiefen seicht dahin und sie war zufrieden damit.

      Trotzdem musste sich etwas verändert haben. Schleichend. Im Traum waren sie durch ein Labyrinth gegeistert, ohne einen Ausgang zu finden. Maikes höhnisches Lachen hatte von den Wänden widergehallt und ihr den Verstand geraubt. Sie musste wohl im Schlaf geschrien haben, als die Situation für sie unerträglich geworden war. Konnte die Eifersucht daran schuld sein, dass ihr seelischer Zustand derart aus dem Ruder lief?

      Gähnend tappte sie zurück ins Schlafzimmer, doch der Schlaf ließ auf sich warten. Sie machte sich ernsthafte Sorgen um ihre psychische Gesundheit. Warum hatte Nick sich nicht für ein anderes Studium entschieden? Das würde die jetzige Situation um einiges erleichtern. Sie hegte den Verdacht, dass er ihr sonderbares Verhalten vielleicht analysieren könnte, schon von Berufs wegen. Das wollte sie unbedingt verhindern.

      2

Villa

      Hektisch lief Sophie durch die Wohnung und suchte ihre sieben Sachen zusammen. Im Stehen kippte sie einen Kaffee herunter, schnappte sich ihre Tasche und eilte aus dem Haus.

      Ausgerechnet jetzt waren die Straßen vom morgendlichen Berufsverkehr verstopft und am liebsten hätte sie ununterbrochen auf die Hupe gedrückt. Es war ihr ein Rätsel, warum sie den Wecker zum wiederholten Male nicht gehört hatte. Das war ihr bisher noch nie passiert. Dabei hatte sie selbst hohe Ansprüche, was die Pünktlichkeit betraf.

      Nachdem sie angekommen war, stahl sie sich in ihr Büro und setzte sich an den Schreibtisch. Sandra, ihre Kollegin, nickte ihr zu.

      „Du bist spät dran. Hat der Chef dich erwischt?“

      „Nein, glücklicherweise nicht.“

      „Du weißt, dass wir ranklotzen müssen, damit der Umbau pünktlich beginnen kann.“

      „Erinnere mich bloß nicht daran, dieser Termindruck versaut einem die ganze Freude an der Arbeit.“

      Sophie fuhr ihren Rechner hoch und startete das CAD-Programm. Bauzeichnerin war genau ihr Ding, obwohl sie während ihrer Schulzeit mit Mathematik auf Kriegsfuß gestanden hatte. Doch mittlerweile spielte sie gern mit den Zahlen und arbeitete exakt. In das neue 3D-Programm musste sie sich zwar noch einarbeiten, aber das war ein Kinderspiel.

      „Guten Morgen, die Damen.“ Herr Rode, Architekt und Chef in einer Person, steckte den Kopf zur Tür hinein. „Frau Thiel, kommen Sie doch bitte in mein Büro.“

      „Halleluja Sophie, das klang gar nicht gut.“ Sandra wiegte bedächtig ihren Kopf.

      „Keine Ahnung, was er will.“ Ratlos zuckte Sophie mit den Schultern.

      Noch einmal tief durchatmen und dann ab in die Höhle des Löwen. Zaghaft drückte sie die Klinke herunter und trat ein.

      „Ich habe mir Ihren Plot noch einmal genau angesehen.“ Mit geübten Handgriffen breitete ihr Chef die Zeichnung auf dem Schreibtisch aus. „Fällt Ihnen etwas auf?“

      Sophie ließ ihren Blick über das Papier wandern. „Ich kann nichts finden“, gestand sie ihm.

      „Genau das ist das Problem.“ Herr Rode räusperte sich. „Schauen Sie sich einmal die Treppen im ersten Obergeschoss an.“

      „Oh …“

      „Das können Sie laut sagen, Frau Thiel. Das wären wieder einige Tausend Euro Schaden gewesen, wenn der Treppenbauer nach Ihren Maßen gearbeitet hätte.“

      Mit hochrotem Kopf stand sie neben ihrem Chef. So ein Patzer war ihr bisher noch nie passiert. Es fehlte genau eine Stufe zum Obergeschoss, sie hatte die Maße falsch eingetragen. Dieser Fehler erschien so winzig auf dem riesigen Plot des Einkaufszentrums, und doch hätte er die Firma in Unkosten gestürzt.

      „Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll“, stammelte sie schuldbewusst.

      Ihr Chef musterte sie aufmerksam. „Natürlich kann ich nachvollziehen, dass die momentan anfallenden Überstunden meinen Mitarbeitern einiges abverlangen. Es ist unser erstes Projekt in dieser gigantischen Größenordnung, und sollten wir in der Branche Fuß fassen, bekommen Sie auch einen neuen Kollegen an Ihre Seite gestellt. Aber jetzt müssen wir durchhalten und Gas geben.“ Aufmunternd nickte er ihr zu.

      „Geht klar, Herr Rode, ich werde sämtliche Maße noch einmal überprüfen.“

      „Na dann, frohes Schaffen.“

      Geknickt verließ sie das Büro.

      „Und?“, fragte Sandra, „Kopf noch dran?“

      Sophie winkte ab. „Master of Desaster, ich habe die Treppenhöhe falsch berechnet. Zum Glück ist es dem Cheffe noch rechtzeitig aufgefallen. Das hätte wieder ein Theater gegeben, oh Mann.“ Mit einem Ächzen ließ sie sich auf ihren Bürostuhl fallen.

      „Was ist eigentlich los mit dir?“ Sandra hatte eine sorgenvolle Miene aufgesetzt. „Ich dachte, du bist frisch verliebt? Da läuft man doch bekanntlich zur Höchstform auf.“ Ein wissendes Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht ihrer Kollegin.

      „Genau das ist ja mein Problem. Ich habe manchmal das Gefühl, völlig neben mir zu stehen. Körperliches Unwohlsein, haarsträubende Albträume … es ist zum Verrücktwerden.“

      „Warum gehst du nicht zum Arzt? Der kann dir sicher weiterhelfen. Auf keinen Fall solltest du das auf die leichte Schulter nehmen, lass das sicherheitshalber abklären.“

      „Werde ich machen“, versprach Sophie mit wenig Begeisterung in ihrer Stimme.

      „Kopf hoch, Sophie“, tröstete Sandra. „Ich braue uns erst einmal einen starken Kaffee, dann sehen wir weiter.“

      Mit starken Kopfschmerzen steuerte Sophie den Wagen heimwärts. Es hatte sie etliche Überstunden gekostet, die Baupläne bis ins kleinste Detail zu überprüfen. Ihre Augen tränten und sie fühlte sich ausgelaugt. Ein Wannenbad nach dem Abendessen wäre genau das Richtige, um zu entspannen. Sie schleppte sich die Treppe nach oben, schloss die Eingangstür auf und schlüpfte in ihr kleines Reich.

      Verwundert blieb sie im Flur stehen und schaltete das Licht an. Wieso waren die Jalousien heruntergelassen? Ja, sie hatte verschlafen, aber sie konnte sich noch daran erinnern, wie die Staubflocken im einfallenden Sonnenlicht über das Parkett getanzt waren. Konnte sie ihren eigenen Wahrnehmungen nicht mehr trauen? Für einen Arztbesuch war es mittlerweile zu spät, den würde sie auf morgen verschieben müssen.

      Obwohl sie einen Bärenhunger verspürte, war ihr nicht nach Kochen zumute. In weiser Voraussicht brühte sie sich einen magenschonenden Tee und schmierte zwei Butterbrote. Dann ließ sie Wasser in die Wanne laufen und versank bis zur Nasenspitze im Schaum. Sie versuchte, sich zu entspannen, doch die Gedanken kreisten hinter ihrer Stirn. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, zog sie sich ins Schlafzimmer zurück. Der Liebesroman lag seit Tagen achtlos auf dem Nachtschränkchen, zum Lesen fehlten ihr Zeit und Muße. Silbern schimmerte das Mondlicht durch die Vorhänge und ehe sie sich’s versah, war sie eingeschlafen.

      Ein leises Geräusch holte Sophie aus ihren Träumen. Im Wohnzimmer knarrte das Parkett und sie vernahm leise Schritte. Benommen richtete sie sich auf. Hatte sich eine fremde Person Zutritt verschafft? Sie hasste geschlossene Türen, hoffentlich wurde ihr das jetzt nicht zum Verhängnis.

      „Hallo?