Elissa Pustka

Französische Sprachwissenschaft


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      Die Situation ist anders im Fall des Französischen als Fremdsprache (français langue étrangère, FLE). Hier sind die Lerner*innen im Alltag nicht von der gelernten Sprache umgeben. In Europa ist Französisch die nach dem Englischen (96 %) am zweithäufigsten gelernte Fremdsprache (26 %); in englischsprachigen Ländern rangiert es sogar auf Platz 1. Weltweit lernen ca. 51 Millionen Menschen Französisch als Fremdsprache (vgl. auch Kapitel 4.1.4). Ein besonderer Fall ist Französischunterricht für Migrant*innen in Frankreich selbst: Hier spricht man vom français langue d’intégration (FLI). Um die französische Staatsbürgerschaft zu bekommen, muss man das Niveau B1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GERS) vorweisen.

      Abb. 1.3:

      Französisch in Amerika.

      Offizielle Sprache

      Offizielle Sprache ist das Französische nicht nur in den Staaten, in denen es als L1 gesprochen wird, sondern auch in vielen Staaten, in denen es als L2 mehr oder weniger verbreitet ist. Auch hier ist die Zählung nicht ganz so einfach, denn in vielen Staaten gibt es keine offizielle Staatssprache. So enthält selbst die französische Verfassung erst seit 1992 den Satz « La langue de la République est le français » (Art. 2). Französisch ist in 13 Staaten alleinige offizielle Sprache und in 16 Staaten ko-offizielle Sprache, also insgesamt in 29 Staaten (vgl. Tab. 1.7).

      In Belgien, der Schweiz und Kanada ist die Lage etwas komplizierter, da man hier zwischen dem Status des Französischen auf Ebene des gesamten Staates und seinem Status in den frankophonen Gebieten unterscheiden muss. Belgien hat drei Amtssprachen: Niederländisch, Französisch und Deutsch. Es gilt das Territorialitätsprinzip, d. h. in Flandern funktionieren Schule und Verwaltung auf Niederländisch, in der Wallonie auf Französisch und in der deutschsprachigen Gemeinschaft auf Deutsch. Nur die Hauptstadt Brüssel ist zweisprachig Französisch/Niederländisch. Die Schweiz besitzt sogar vier Amtssprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Auch hier gilt das Territorialitätsprinzip: Vier Kantone sind einsprachig französisch (Genève, Jura, Neuchâtel, Vaud; Suisse romande), drei sind zweisprachig deutsch-französisch (Bern, Fribourg und Valais). In Kanada schließlich sind Englisch und Französisch Amtssprachen auf Bundesebene. In der Provinz Québec dagegen ist Französisch die einzige Amtssprache. Einen ko-offiziellen Status hat es in New Brunswick (fr. Nouveau-Brunswick) sowie den drei nord-östlichen kaum bewohnten Provinzen Territoires du Nord-Ouest, Yukon und Nunavut.

Einzige offizielle Sprache Ko-offizielle Sprache
Benin Burkina Faso Demokratische Republik Kongo Elfenbeinküste Frankreich Gabun Guinea Mali Monaco Niger Republik Kongo Senegal Togo Belgien Burundi Kamerun Kanada Zentralafrikanische Republik Komoren Djibouti Äquatorialguinea Haiti Luxemburg Madagaskar Rwanda Schweiz Seychellen Tschad Vanuatu

      Tab. 1.7:

      Französisch als offizielle Sprache (OIF 2019).

      In der Liste in Tab. 1.7 fällt auf, dass das Französische einzige offizielle Sprache in vielen Staaten Subsahara-Afrikas ist, in denen es kaum gesprochen wird (vgl. Abb. 1.4). So gebrauchen etwa in Mali nur 17 % und im Niger nur 13 % der Bevölkerung laut OIF täglich das Französische. In einigen Ländern, in denen das Französische ko-offizielle Sprache ist, sind die Zahlen noch niedriger (Burundi: 8 %, Ruanda: 6 %). Dagegen hat das Französische in anderen Staaten, in denen es sehr präsent ist, gar keinen offiziellen Status. Mauritius steht beispielsweise nicht auf der Liste, da in der Mauritianischen Verfassung keine offizielle Sprache festgelegt ist. Englisch gilt dort de facto als offizielle Sprache, Französisch zumindest als semi-offizielle Sprache: Beide werden im Parlament gesprochen und sind Unterrichtssprachen in der Schule (vgl. dazu auch Kapitel 4.2). Auch im Maghreb (Algerien, Marokko, Tunesien) und im Libanon hat das Französische keinen offiziellen Status.

      Abb. 1.4:

      Französisch in Afrika.

      Zu dieser Liste kommen das Aoastatal in Italien und die britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey hinzu (vgl. Abb. 1.2). Hier ist das Französische ebenfalls Amtssprache (neben Italienisch bzw. Englisch), im Gegensatz zu Belgien, der Schweiz und Kanada aber nicht auf nationaler Ebene. Allerdings sprechen die Menschen im Aostatal und auf den Kanalinseln kein Standardfranzösisch (zur Frage der Norm vgl. Kapitel 10.3). Im Aostatal spricht eine Minderheit Frankoprovenzalisch – eine romanische Sprache, die typologisch zwischen dem Französischen und dem Okzitanischen angesiedelt ist. Auf den Kanalinseln spricht eine Minderheit einen normannischen Dialekt des Französischen. Ko-offizielle Sprache ist Französisch schließlich auch in der Stadt Pondichéry in Indien, die von 1673 bis 1954 die Hauptstadt der französischen Niederlassungen in Indien war.

      Im Gegensatz zu Europa, Amerika und Afrika ist die Verbreitung und der Status des Französischen auf den übrigen beiden Kontinenten weniger bekannt. In Ozeanien ist Französisch Amtssprache der Republik Vanuatu, die 1980 von ihren beiden Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien unabhängig wurde. Von den 282200 Einwohnern sind der OIF zufolge 31 % frankophon. Daneben gibt es in diesem Gebiet noch drei collectivités d’outre mer (COM), in denen der Anteil der Frankophonen laut OIF sehr hoch ist: Französisch-Polynesien (98 %), Neukaledonien (99 %) sowie Wallis und Fortuna (83 %). In Asien gab es in der französischen Kolonie Indochina (1887–1954) frankophone Eliten, die in der Schule Französisch lernten. Einer Schätzung zufolge waren 1935/36 von 12 Millionen Einwohnern 930000 zweisprachig mit einer autochthonen Sprache und Französisch (7,6 %); dazu kamen 30000 Französinnen und Franzosen. Heute gibt es dort nur noch wenige Frankophone. Es handelt sich um ältere Personen, die eine zweisprachige Schule besucht haben (vgl. NOLL 2017).

      Sprachen Frankreichs

      Die Tatsache, dass sich das Französische durch die Kolonialisierung auf der ganzen Welt verbreitet hat, sollte nicht vergessen lassen, dass man in Frankreich selbst größtenteils noch gar nicht so lange französisch spricht. Zur Zeit der Französischen Revolution (1789) ergab eine Umfrage, dass nur 3 von 15 Millionen Bewohnern Frankreichs die Nationalsprache sprachen (20 %). Dabei handelte es sich um die Bewohner von Paris und den umgebenden Regionen sowie im übrigen Territorium um die Eliten (vgl. Kapitel 5.5). Die Mehrheit der Landbevölkerung sprach dagegen einen Dialekt oder eine Regionalsprache. Diese Idiome sind heute größtenteils ausgestorben oder kurz davor auszusterben. Gleichzeitig sind zahlreiche andere Sprachen durch Migration nach Frankreich dazugekommen. Die Délégation générale à la langue française et aux langues de France (DGLFLF) des französischen Kulturministeriums beschäftigt sich seit 2001 nicht mehr nur mit den regional verwurzelten Sprachen und Dialekten, sondern auch mit den nicht-territorialen langues de France wie z. B. den arabischen Dialekten. Nicht dazu gehören allerdings Immigrationssprachen, die in ihren Herkunftsländern Amtssprachen sind, wie das Chinesische und Portugiesische.

       Sprachenvielfalt in Frankreich

       Dialekte des Französischen: bourguignon-morvandiau, champenois, franc-comtois, gallo, lorrain, normand, picard, poitevin-saintongeais (vgl. dazu auch Kapitel 3.4.2);

       Regionalsprachen: Elsässisch, Baskisch, Bretonisch, Flämisch, Frankoprovenzalisch, Katalanisch, Korsisch, Ligurisch,