Geri Schnell

Das verschwundene Schiff


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Gruppe auf zack. Die Musik fährt ein und vertreibt die Müdigkeit.

      Nach rund zehn Minuten sind alle schweissgebadet aber topp fit. Die Müdigkeit ist wie weggeblasen. Sie setzen sich im Kreis um den Chefanimateur. Nachdem sie sich etwas erholt haben, erklärt er, was er heute vorhat: «Ich habe hier Zettel, jeder zieht jetzt einen, darauf steht, welche Rolle er dann spielen muss. Ihr werdet gleich sehen wie das geht, es ist ganz einfach.»

      Gespannt faltet Reto den Zettel auf. Tarzan steht drauf. Er soll wohl Tarzan spielen. Jetzt wartet er gespannt, was sonst noch zur Auswahl steht. Nun, als Tarzan fühlt er sich wirklich nicht, eher wie ein Spargeltarzan. Gespannt schielt er auf den Zettel seiner bayrischen Nachbarin. Sie muss als Cleopatra auftreten. Auf der andern Seite sitzt Judy, eine dunkelhaarige Französin, «und was hast du gezogen?»

      «Ich, - Monika Lewinsky, ist das nicht die mit Billy Clinton?»

      «Ja», entgegne Philipp, der Assistent von Scot, mit einem leichten Schmunzeln, «das ist die mit der Zigarre.»

      «So was mache ich aber nicht», entgegnet sie entrüstet.

      «Ist jemand mit seinem Zettel nicht zufrieden», fragt Scot.

      Jetzt meldet sich Judy, «ja ich!»

      «Du kannst gehen, - Philipp bringt dich nach draussen, du bekommst eine neue Aufgabe für heute Abend.»

      Die beiden verlassen zusammen den Saal. Scot denkt kurz nach, dann fragt er: «Will eine von Casanovas Gespielinnen tauschen? Ich wäre sehr froh, sonst fällt die Nummer ins Wasser.»

      «Wer spielt den Clinton», fragt eine Blonde.

      «Das bin ich», meldet sich Bennie, ein grosser irischer Fussballspieler, in gebrochenem Deutsch, er ist eine stattliche Erscheinung und hat unter den Damen sicher eine Verehrerin.

      «Gut», meldet sich Ronda, «ich übernehme das.»

      Nun beginnt das Training. Reto erhält mit Leslie, der blonden Schwedin, die ideale Jean zugeteilt.

      «Wir üben nur trocken, die richtige Show steigt erst heute Abend, dann bekommt ihr auch die passenden Outfits.»

      Die Regieanweisungen von Scot sind eindeutig, er erwartet mehr, als dass Tarzan nur der Jean nachrennt, es muss schon etwas zur Sache gehen.

      «Wir treten heute nicht in einem Kinderclub auf, die Gäste stellen hohe Ansprüche», er untermauert seine Aussage mit einer eindeutigen Geste.

      Reto studiert mit Leslie noch eine Stunden lang das Drehbuch. Leslie scheint mit der Rolle keine Probleme zu haben, wie es bei Reto vor Publikum klappt, weiss er noch nicht, auf jeden Fall macht ihn der Auftritt nervös.

      Den Nachmittag verbringen alle am Pool, das Wetter ist sehr schön und es ist trotz eines frischen Windes, sehr heiss. Wie schon gestern ist die Stimmung sehr locker. Viele junge Mädchen tanzen im Pool. Leslie ist nicht am Pool, deshalb schliesst sich Reto den deutschen Girls aus Bayern und Köln an, auch sie fiebern angespannt dem heutigen Abend entgegen. Lilo und Hanna, spielen die Gespielinnen von Casanova, Yvonne wird es als Hauptdarstellerin in Geschichte einer O, auch nicht einfach haben. Ariane hat es als Zofe von Cleopatra, am einfachsten.

      Im Verlauf des Nachmittags sind noch drei kleine Aufträge auszuführen. Eine ältere Dame will zur Massage und zwei Herren haben das Bedürfnis für Fitness, die Aufträge sind schnell erledigt, das Trinkgeld für die Botengänge ist leicht verdientes Geld. Das erste Mal ist Reto froh um diese Jobs, es lenkt etwas ab. Beim Nachtessen sucht Reto am Buffet unbewusst nach Eiersalat, als er es bemerkt ist es schon zu spät, «hast du das nötig», fragt Ariane und wirft einen fragenden Blick auf seine Hose.

      «Man kann ja nie wissen, sicher ist sicher», entgegnet er, «vielleicht muss ich noch Cäsar aushelfen, da will ich mich nicht blamieren».

      «O. K. dann also noch Selleriesalat oben drauf, das soll auch gut sein!»

      «Wieso kennst du dich da aus?»

      «Sowas lernt man, wenn man einen älteren Freund hatte», antwortet sie schlagfertig, «aber das ist jetzt vorbei.»

      So harmlos die Unterhaltung schien, Reto macht sie noch nervöser. Er ist erleichtert, als es endlich in die Garderobe geht. Das Kostüm ist kaum als solches zu bezeichnen, dann geht es endlich los, sie müssen als erste raus. Jean sitzt an einem künstlichen See und kämmt sich die langen blonden Haare, Tarzans Urschrei aus dem Lautsprecher erschreckt sie. Mit einem Satz springt Reto auf die Bühne. Jean will sofort flüchten, bleibt wenig später wie angewurzelt stehen und betrachtet ihn verwundert. Er schleicht um sie herum, immer näher, die Augen nur auf ihre tolle Figur gerichtet.

      Jean beugt sich leicht vor, ihr Busen fällt dabei beinahe aus den zu einem BH zusammengeknoteten Blättern. Nochmals stösst Tarzan einen lauten Schrei aus und trommeltle mit den Fäusten wie ein Gorilla auf seine Brust, wirklich, bei Retos Figur keine sehr eindrückliche Drohgebärde. Die Wirkung auf Jean ist anders als erwartet, statt dass sie Angst bekommt, wirkt sie jetzt interessiert, sie streckt ihre Hand aus und will ihn betasten. Zweimal zuckte er zurück, dann gehte er selber in die Offensive und greift nach den Blättern. Sie weicht zurück mit dem Ergebnis, dass Tarzan die Blätter in der Hand hält und Jeans toller Busen unverhüllt betrachtet werden kann. Der darauf folgende Ringkampf führt dazu, dass beide ihre letzten Kleidungsstücke verlieren. Jetzt ist Jean nicht mehr zu halten, ihre Hände tasten seinen Körper ab. Der Eiersalat beginnt zu wirken. Auch Retos Hände gleiten forschend über Jeans Körper und nach einigen fragenden Blicken, was man mit dem Sellerie gestärktem Ding anstellen könnte, finden sie schliesslich die richtige Stelle, wo es hinpasst.

      Nun hat der Regisseur ein Einsehen mit den beiden und lässt den Vorhang fallen, der Applaus ist stürmisch, das Publikum ist zufrieden.

      «Ihr zieht eure Kostüme wieder an und setzt euch an die Bar», ordnet Scot an «ich rufe euch dann, wenn die Show vorbei ist.»

      Es dauert nicht lange und Leslie alias Jean, wird an der Bar von älteren Männern umringt. Reto wird der enge Kontakt zu den Herren unangenehm, er weicht nach rechts aus, dort sind zwei Damen über vierzig in ein intensives Gespräch verwickelt. Sie deuten an, dass seine Anwesenheit in keiner Weise stört, lassen sich aber nicht in ihrem Gespräch unterbrechen.

      Reto versucht dem Gespräch zu folgen, sicher sind sie in irgendwelchem Klatsch und Tratsch vertieft. Während die dunkelhaarige, welche jetzt direkt neben ihm sitzt, weiter von grossen Summen und gebundenem Kapital redet, tastet ihre Hand ganz unauffällig Retos Bein entlang.

      Claire, so heisst die Frau mit den zarten Händen, kommt aus Genf und hat einiges im Kopf. Sie bombardiert ihre Gesprächspartnerin mit Zahlen. Nur langsam versteht Reto um was es geht. Sie ist der Meinung, dass die Wirtschaft grössere Summen investieren könnte, wenn man statt des alteingesessenen Systems, dass am fünfundzwanzigsten jedes Monats Zahltag ist, zu einem gestaffeltes Zahlungssystem übergehen sollte.

      «Das geht doch nicht, - stelle dir vor, wie die Arbeiter sich beschweren würden, wenn sie den Zahltag immer an einem anderen Tagen bekommen würden, die machen da nie mit.»

      «Natürlich muss das gerecht gehandhabt werden», erklärt sie, «wer am zehnten Zahltag hat, muss seine Rechnungen auch erst am sechzehnten Tag des Monats begleichen. Dagegen müssen die welche am sechzehnten Zahltag haben, ihre Rechnungen erst am einundzwanzigsten begleichen. Ich denke, dass man mit vier Gruppen auskommen würde. Die Gruppen könnten zum Beispiel in der Schweiz, nach den ersten drei Ziffern der AHV-Nummern gruppiert werden, bis Nummer zweihundertfünfzig hat am ersten Zahltag, die folgenden bis fünfhundert haben am siebten Tag ihr Geld auf dem Konto. Wer also in der zweiten Gruppe zugeteilt ist, muss seine Rechnungen bis zum einundzwanzigsten Tag begleich, es haben also alle die gleichen Bedingungen.»

      «Ja, und wozu das alles?»

      «Das habe ich dir doch vorhin erklärt», jetzt wird sie etwas ungeduldig, «der Geldfluss wird geglättet, die Firmen müssen nicht auf einmal so grosse Beträge bereitstellen, um damit die Löhne zu bezahlen. Die Lohnsumme wird nur noch ein viertel betragen, das hHeisst, es kann mehr Geld investiert werden. Das leuchtet doch ein, - oder?»