Geri Schnell

Das verschwundene Schiff


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Ehre kam, dass auch ich eine Gratiskreuzfahrt gewonnen habe, das ist mir schleierhaft und unheimlich.»

      «Du hast die Kreuzfahrt auch gewonnen?»

      «Ja, bei einer Tombola an einem Wohltätigkeitsball, warum?»

      «Unten haben ebenfalls viele Mädchen die Kreuzfahrt gewonnen, die andern wurden mit Ferienjob angelockt, wie ich zum Beispiel. Wer finanziert das alles, wenn niemand etwas für die Reise bezahlt?»

      «Ich weiss es nicht, aber ich kann mir einiges vorstellen, wie man selbst eine solche Kreuzfahrt gewinnbringend finanzieren kann, da gibt es viele Möglichkeiten, nur weiss ich noch nicht, welche hier angewendet wird.»

      Claire steht auf und holt frische Drinks, sie ist schon eine bemerkenswerte Frau. Da erzählt sie Reto während beinahe zwei Stunden detailliert ihr Leben, dabei brennt ihr die Geschichte mit Judy unter den Nägeln. Warum hat sie Reto alles erzählt? Hat sie ihn beobachtet wie er auf die jeweilige Geschichte reagiert hat? Sehr geschickt, so konnte sie genau beobachten, was für ihn normal ist und was er abartig findet. Offensichtlich hat er richtig reagiert, sonst hätte sie ihm nicht in die Geschichte von letzter Nacht eingeweiht.

      «Realistisch betrachtet», fährt sie fort, als sie mit den beiden Drinks zurückkommt, «haben wir schlechte Karten. Wir sind weit draussen im Südatlantik, weit weg von irgendwelchen Schifffahrtsrouten. Wir können mit niemandem ausserhalb des Schiffs in Kontakt treten. Wir sind auf uns allein gestellt.»

      «Das schon, aber es sind sicher gegen dreihundert Leute mit an Bord, alle können sie nicht kontrollieren», hält Reto dagegen, «wir müssen uns wehren.»

      «Sicher, aber wie willst du herausfinden, wer zu denen gehört und wer nicht? Ich habe gesehen, wie die mit Judy umgesprungen sind, die haben keine Skrupel, wenn du ihnen nicht passt, bist du dran, mich würde es nicht verwundern, wenn sie Judy am Schluss einfach über Bord geworfen haben.»

      «Das ist doch sehr riskant, dann müssten sie mit einer Mordanklage rechnen».

      «Mensch, ich habe dich für klüger gehalten! Wer weiss ob du an Bord dieses Schiffes bist? Von mir weiss es jedenfalls niemand, die Verschiffung verlief so geheimnisvoll, da gibt es keine offizielle Passagierliste.»

      «Du hast recht Claire», das erste Mal nennt Reto sie beim Vornamen, «ich habe niemanden informiert, keiner weiss wo ich die Ferien verbringe, es gibt auch niemand der das interessieren würde und das trifft sicher noch auf einige Leute an Bord zu.»

      «Siehst du Reto, so heisst du doch, wir sind in die Falle getappt und die wenigsten Passagiere an Bord haben dies bis jetzt bemerkt. - Also, hast du einen Plan?»

      «Bis jetzt nicht, ich habe nur beschlossen, die Augen offen zu halten und mich zu informieren. Wenn du das von Judy nicht erzählt hättest, so wäre ich nie auf diese Diskussion eingegangen.»

      «Siehst du Reto, so naiv bist du, - wer sagt dir, dass du mir vertrauen kannst?»

      «Nun, ich hoffe, meine Menschenkenntnisse haben mich nicht im Stich gelassen, Claire, ich kann mich nicht so irren.»

      «Nun, wer sagt dir, dass ich dir nicht nur eine Geschichte erzählt habe?»

      «So etwas kann man doch nicht erfinden, wenn man es nicht erlebt hat, das geht doch gar nicht.»

      «Bist du sicher und wenn alles noch viel schlimmer war?»

      «Jetzt machst du mich aber unsicher, ich sehe, die Leute vom Oberdeck sind uns gewöhnlichen Menschen überlegen, ich denke, wir haben nur eine Möglichkeit, wir müssen gehorchen.»

      «He Reto! - jetzt habe ich dich aber falsch eingeschätzt, du sollst nicht resignieren, du musst kämpfen, aber bitte mit Verstand.»

      «Dann stimmt deine Geschichte also doch?»

      «Spielt das eine Rolle, ändert es etwas an der Situation in der wir sind? Ich denke nicht, du kannst meine Story glauben oder nicht, wir müssen zusammenhalten und mit Verstand unsere Kräfte mobilisieren, doch wir dürfen nur behutsam vorgehen. Einen Gegner zu unterschätzen ist gefährlich, wenn man zu früh losschlägt, hat man unter Umständen schon verloren.»

      «Nun, wie sollen wir gegen sie vorgehen?»

      Jetzt wird Claire nachdenklich: «Wir dürfen noch nichts unternehmen, zuerst müssen wir mehr über die Hintermänner herausfinden. Es bleibt uns nichts anderes übrig als die Ahnungslosen zu spielen und nach ihrer Pfeife tanzen. Wir brauchen unbedingt noch mehr Informationen und die erhält man am bBesten, wenn man sich unauffällig und willig zeigt.»

      «Ich habe mich bis jetzt so verhalten, wie sie es erwarten. Ich denke nicht, dass sie mich schon verdächtigen, vermutlich halten sie mich für unbedeutend», bemerkt Reto.

      «Das schon, aber auf dem Unterdeck kann man das Spiel nicht gewinnen, die Fäden werden auf dem Oberdeck gezogen. Du bist weg, wenn es so richtig zur Sache geht, aber ich denke, wir können das ändern. - Kannst du Schmerzen ertragen?»

      «Keine Ahnung – wieso?»

      Die Lokalredaktion

      Lustlos schlürft Andrea an der kühlen Cola. Es ist wieder so ein heisser Sommernachmittag und man sucht überall nach einer Nachricht, mit welcher man einige Spalten im Lokalteil füllen kann. Nur in Ansbach ist zurzeit nicht viel los, die meisten Leute sind weggefahren, die Vereine haben Sommerpause, keine Generalversammlung, keine Feiern, einfach nichts, was ein paar Zeilen hergeben würde.

      «Hast du etwas», fragt sie ihren Chef, welcher die Polizeirapporte durchgeht.

      «Nein, nichts womit sich etwas anfangen lässt, wir werden etwas aus unsern Notreserven bringen müssen, ein Bericht über das örtliche Museum. Das kostet uns einige Euros für den Verfasser, aber er wird mir dankbar sein, ich schulde ihm schon lange einen Gefallen.»

      «Ich kann’s nicht ändern, in unserm Städtchen herrscht tote Hose, alles ist ausgeflogen!»

      «Fast alle, da hat eine Studentin aus dem Nachbardorf, einen Freund als vermisst gemeldet», korrigiert der Chef, «drei Tage kein E-Mail und man wird schon für tot erklärt! Soweit sind wir schon, wenigstens konnte der Polizist einen Rapport schreiben, er hat es besser als wir.»

      «Wie heisst den die Studentin, kenne ich sie?»

      «Diana K. steht in der Mitteilung, wieso?»

      «Ich kenne eine Diana K., wenn du nichts dagegen hast, werde ich ihr einen Besuch abstatten, so grundlos gehen junge Mädchen nicht zur Polizei, vielleicht entsteht eine rührende Story daraus.»

      «Ah, du willst mich alleine lassen! Ich merke es schon, fünf Minuten ausfragen und anschliessend ins Schwimmbad abhauen, sehr schlau, hätte ich dir nicht zugetraut, aber hier verpasst du heute nichts. Los, geh schon, ich schaffe es schon allein!»

      «Danke, ich werde zumindest einen kurzen Bericht schreiben, auch wenn wir ihn nicht veröffentlichen können, einfach so als Übung.»

      «Einverstanden, einen schönen Nachmittag und iss ein Eis für mich.»

      Zehn Minuten später ist Andrea mit ihrem Roller unterwegs. Diana K. das kann nur die blonde Diana Klein sein, eigentlich ein vernünftiges Mädchen. Sie hat eben das Abitur abgeschlossen und wird im Herbst mit einem Studium beginnen. Wenn ich richtig informiert bin, jobbt sie gelegentlich im Biergarten als Serviererin. Andrea ist gespannt, was die sich für einen Freund angelacht hat, die ist sonst immer mit ihren Klassenkameradinnen unterwegs.

      Eine halbe Stunde später klingelt sie bei den Kleins, die Mutter öffnet die Tür. Ihre Tochter ist natürlich im Schwimmbad, der Chef hat sie wieder mal durchschaut, jetzt muss sie doch noch ins Schwimmbad. Zum Glück hat sie den Bikini immer dabei. Sie überlegt kurz, ob sie den Eintritt auf Spesen buchen kann, lässt es dann doch sein und bezahlt ohne einen Beleg zu verlangen.

      Die Liegewiese ist gut besucht. Unter einem Baum findet sie ein wenig Schatten, dann ist sie soweit, dass sie sich eine kurze Erfrischung gönnen kann.